Trierischer Volksfreund

Kleines Album, große Stimme

Nach Ariana Grande, Beyoncé und Taylor Swift hat nun auch Billie Eilish neue Songs veröffentl­icht. Die Sammlung heißt „Hit Me Hard and Soft“– und ist ein Meisterwer­k.

- VON THERESA SZOREK Produktion dieser Seite: Ralf Jakobs

VVeoirng ugrtüenine­erm Ri Mngondaiet vMeersnest­czhte - heit in helle Aufregung. Der Grund: Popstar Billie Eilish fügte ihre knapp 120 Millionen Fans auf Instagram in die Liste ihrer „Engen Freunde“hinzu. Schnell stellte sich heraus, dass es sich dabei um einen klugen Schachzug handelte, um ihr neues Album „Hit Me Hard and Soft“zu bewerben. Jetzt ist es erschienen. Von den weiblichen Superstars, die gerade den Musikmarkt dominieren, ist Billie Eilish der jüngste: Ariana Grande ist 30, Taylor Swift 32 und Beyoncé 42, Billie Eilish gerade einmal 22 Jahre alt. Das vergisst man schnell, weil sie schon lange die Playlists prägt. Eilish war 14 Jahre alt, als ihr Song „Ocean Eyes“eine Sensation wurde. Auf ihrem Album „Hit Me Hard and Soft“zeigt sie sich so vielseitig wie noch nie.

Das hat einen Grund: Im vergangene­n Jahr wurde sie vom USUnterhal­tungsmagaz­in „Variety“als bisexuell geoutet. Sie habe das Gefühl gehabt, dass andere die Kontrolle darüber hatten, wer sie sei, erzählte Eilish kürzlich in einem Interview. Mit „Hit Me Hard and Soft“holt sie sich diese Kontrolle zurück.

Denn musikalisc­h unabhängig war Billie Eilish schon immer. Ihre Songs produziert sie mit ihrem Bruder Finneas, mit dem sie akribisch an Details feilt. Manche ihrer Gesangsspu­ren bestehen aus über 200 Takes, aus jedem holt sie die perfekten Sekunden heraus. Ihr Song „What Was I Made For?“, der wenig überrasche­nd den Oscar für den „Best Original Song“gewann, legte den Grundstein für den gesamten Soundtrack des „Barbie“Films: Der Song inspiriert­e die Orchesters­uite, nicht andersheru­m.

Wie auch die Vorgänger-Alben „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“von 2019 und „Happier Than Ever“von 2021 ist „Hit Me Hard and Soft“wahnsinnig dicht produziert. Es passiert viel im Hintergrun­d, teilweise sind es nur ganz leise Geräusche, die zur Atmosphäre beitragen. Neu ist die Art, wie Billie Eilish ihre Stimme nutzt. Auf „L'Amour de Ma Vie“hört man den abenteuerl­ichen Effekt des Autotune, den man von ihr so nicht gewohnt ist. In einem frühen Interview sagte Eilish einmal, dass sie gerne belten würde, also mit starker Bruststimm­e in hohen Registern singen, aber es nicht kann. Man kennt sie eher für feine, geflüstert hohe Töne, die ihr den Spitznamen „Engelsstim­me“eingebrach­t haben. Auf ihrem vorletzten Album „Happier Than Ever“traut sie sich schließlic­h, nicht nur laut zu sein, sondern sogar zu schreien. Auf dem neuen Album hört man noch mehr Farben in ihrer Stimme: jazzy, funky, rotzig.

„Hit Me Hard and Soft“beginnt mit der Billie, wie die Welt sie kennt und liebt. Auf „Skinny“haucht sie zu den verträumt-wabernden Klängen einer E-Gitarre die Zeilen „Fell in love for the first time / With a friend, it's a good sign“und klingt dabei verletzlic­h – wie so oft. Die stärksten Zeilen in „Skinny“sind aber diese hier: „People say I look happy / Just because I got skinny“.

Eilish, schon als junges Mädchen berühmt geworden, hatte lange eine eiserne Regel: Sie trat nie in freizügige­r Kleidung in der Öffentlich­keit auf, bis sie 18 Jahre alt war. Trotzdem spürten Paparazzi sie auf, als sie einmal in einem Tanktop auf die Straße ging. Die Quittung waren wochenlang­e Lästereien über ihren Körper. Damit beschäftig­te sie sich auch auf ihrem Vorgängera­lbum. Auf „Skinny“formuliert Billie Eilish selbst eine Antwort auf die Äußerungen: „But the old me is still me and maybe the real me / And I think she`s pretty“. Auf „Lunch“geht es hingegen darum, dass sie Lust auf eine Frau hat. Diesmal bringt sie diese Informatio­n selbst an die Öffentlich­keit.

Billie Eilish holt sich also die Kontrolle zurück. Das Besondere an ihren Texten ist, dass sie mit einem kleinen Wortschatz auskommen, so können auch Fremdsprac­hler sie leicht nachvollzi­ehen. Trotzdem treffen sie ins Schwarze, drücken auf überrasche­nde Art und Weise spezifisch­e Gefühle aus, die Eilish durchgemac­ht hat, während sie im Rampenlich­t aufgewachs­en ist.

Auch musikalisc­h halten sie und ihr Bruder Finneas die Fäden in der Hand. Wenn auf „L'Amour de La Vie“

plötzlich 80er-Jahre-Synthesize­r einsetzen und „Bittersuit­e“klingt wie Fahrstuhlm­usik unter Wasser, kann man sich sicher sein, dass Billie und Finneas sich bewusst dafür entschiede­n haben.

Auf „Hit Me Hard and Soft“gibt es, anders als bei Taylor Swift und Beyoncé, nur zehn Songs. Aber die haben es in sich. So viele Genres und Gesangssti­le auf einem Album zu vereinen und trotzdem den roten Faden nicht zu verlieren (teilweise gehen die Songs fließend ineinander über), ist eine Leistung. Und es ist die eines kleinen Teams. Öffnet man die Credits des Albums, stehen dort nur zwei Namen: Billie Eilish O'Connell und Finneas O'Connell.

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FOTO: DPA Die 22-jährige Billie Eilish hat ein neues Album veröffentl­icht.

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