Trierischer Volksfreund

Ein Verbot löst das Problem nicht

- Unser Autor ist Blogger und Digitalexp­erte.

Die Tage für Tiktok sind gezählt. Wenn die vor allem bei jungen Menschen beliebte Video-App in einem Jahr noch im Besitz der chinesisch­en Firma Bytedance ist, soll die Plattform in den USA verboten werden. So sieht es ein neues Gesetz vor, das in Washington im Eilverfahr­en verabschie­det wurde. Der Grund: Angst vor Spionage und Datenklau aus Peking. Die Taktik hinsichtli­ch Tiktok scheint auf den ersten Blick sinnvoll. Die Bedrohung aus dem Netz ist real und ernst zu nehmen. Informatio­nen sind die wichtigste Währung im Digitalzei­talter und können als wirkmächti­ge Waffe gegen Menschen, gar ganze Staaten, eingesetzt werden. Doch schaut man genauer hin, ist der drohende Tiktok-Bann nicht mehr als reiner Aktionismu­s. Die echten Datenschut­zsünden sind woanders zu finden – und zwar bei Facebook, Google und Co. Es sind eben nicht die Chinesen, sondern ausschließ­lich US-Plattforme­n, die aus Profitgier Menschen auf Schritt und Tritt überwachen, Hass im eigenen Land schüren und massenhaft Falschnach­richten, insbesonde­re vor Wahlen, verbreiten. Tiktok zu verbieten, klingt nach einer einfachen Lösung, doch ein Verbot kratzt nur an der Oberfläche. Die USA ergreifen Maßnahmen, die das eigentlich­e Problem nicht lösen. Warum? Weil es einfacher ist, mit dem Finger auf China zu zeigen, als die eigenen, großen Datenschut­zbaustelle­n anzugehen. Was bringt es, Tiktok zu verbieten, wenn wir von unseren eigenen Apps ausspionie­rt werden? Die Bedrohung für unsere Daten und unsere Demokratie kommt eben nicht aus Russland oder China, sondern aus dem Westen. Solange die USA keinen echten Datenschut­z einführen und die Macht der Tech-Riesen unangetast­et lassen, bleibt jedes Verbot eine Farce. Bevor wir also Tiktok und die Chinesen an den Pranger stellen, sollten wir vielleicht einen Moment innehalten und uns fragen: Wer sind hier die wahren Gefährder? Wir sollten uns nicht von politische­n Aussagen täuschen lassen: Ein Tiktok-Verbot ist nicht die Lösung – es ist Teil des Problems.

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Lucas Hochstein, Manuel Görtz Peter Stefan Herbst ARD AHR Produktion dieser Seite:

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