Trierischer Volksfreund

„Das ist eine Katastroph­e für uns“: So geht es den Menschen in Riveris

Riveris, dieser kleine idyllische Ort im Ruwertal, er erlebte am vergangene­n Freitag eine Katastroph­e: Das kleine Bächlein Riveris entwickelt­e sich binnen kurzer Zeit in einen reißenden Strom: Vier Tage später herrscht immer noch Fassungslo­sigkeit im Ort.

- VON MAREK FRITZEN

Manchmal braucht es in den düstersten Momenten einfach Humor: Als das Wasser am Freitagabe­nd übers Grundstück rauscht, den Garten verwüstet, da habe ihr Sohn plötzlich diese Frage gestellt, erinnert sich Claudia Köppinger: Ob er die Fische draußen im Teich, der angesichts des rasant steigenden Pegels der Riveris in wenigen Augenblick­en kein Teich mehr sein würde, ob er die Fische daher vielleicht nochmal schnell füttern solle. Damit sie, wenn sie denn dann wohl in Kürze irgendwo in Richtung Ruwer und Mosel entschwimm­en würden, auch wissen, wo sie hingehörte­n, ihre Besitzer und stets treuen Futterbrin­ger doch bitte nicht vergessen sollten. Sie schmunzelt, als sie davon erzählt.

Es ist Dienstagvo­rmittag. Claudia Köppinger steht im schwarzen Oberteil vor ihrem Haus in der Stauseestr­aße. Der Teich, er ist nicht mehr da. Die Fische auch nicht. Verschwund­en, hinweggeri­ssen vom Bächlein Riveris, der am vergangene­n Freitag plötzlich kein Bächlein mehr war, stattdesse­n zum reißenden Strom mutierte. „Ich

lebe jetzt seit fast 30 Jahren hier“, erzählt Köppinger, „mit so etwas wie hier am Freitag und Samstag passiert ist, hätte ich nie gerechnet“.

Es sei alles so unglaublic­h schnell gegangen, binnen weniger Minuten sei das Wasser stark angestiege­n. So stark, dass es am Ende bis zu 50 Zentimeter im Keller steht. Die Heizung kaputt, zwei Trockner hinüber, zwei Gefriersch­ränke ebenso. „Auch viele Fotos, Muttertags­geschenke, viele persönlich­e Erinnerung­en sind weg“, berichtet Köppinger, „das ist schon bitter“. Glückliche­rweise, so betont sie, habe sie vor Jahren eine Elementars­chaden-Versicheru­ng abgeschlos­sen, „ich war damals hartnäckig, wir wollten das unbedingt – das lohnt sich jetzt“. Dennoch: die Arbeit bleibe, es sei so viel aufzuräume­n, zu putzen. Und außerdem: Duschen und Baden geht auch nicht, warmes Wasser gibt's halt nur, wenn die Heizung funktionie­rt. Aber, sie nimmt's leicht: „Theoretisc­h könnten wir jeden Tag bei einem anderen Nachbarn duschen, so viele Angebote haben wir

jetzt schon bekommen.“Der Zusammenha­lt, die Hilfe im Ort, die sei überwältig­end. „Die Leute sind füreinande­r da – das tut gut.“

Der Ort Riveris, er liegt rund 15 Kilometer östlich von Trier, idyllisch gelegen mitten im Ruwertal. Oberhalb thront die gleichnami­ge Riveristal­sperre, die große Teile der Stadt Trier mit Trinkwasse­r versorgt. Aus ihr fließt das Bächlein Riveris abwärts durch den gleichnami­gen Ort, später weiter in die Ruwer. Auf dem Weg durch das 400-Einwohner-Dorf, auch davor – und das wird noch von Bedeutung sein – speisen weitere kleine Bäche, die von den bewaldeten Hängen links und rechts des Dorfs herunterko­mmen, den Bach. An normalen Tagen, da plätschert das Gewässer idyllisch entlang der Stauseestr­aße mitten durch den Ort. An normalen Tagen.

Der vergangene Freitag allerdings, der ist kein normaler Tag. Klar, ein bisschen Hochwasser, das sei man schon gewohnt gewesen, sagt Karl Bauer. Er wohnt mitten im Ort, die Riveris läuft auf der anderen Straßensei­te weiter

hinab in Richtung Ortsausgan­g. Die für die Talsperre zuständige­n Stadtwerke Trier, die hätten bereits am Freitag vor Hochwasser im Ort gewarnt. „Das machen die häufiger, ist ganz normal, das kennen wir“, sagt Bauer. Aber das, was dann kommt, kennt er nicht: Am frühen Abend, irgendwann gegen 18 oder 19 Uhr, so genau wisse er das nicht mehr, sei die Riveris plötzlich aus ihrem Bachbett getreten, auf die Straße gelaufen. Gemeinsam mit seiner Frau Andrea lebt Bauer seit 1986 in der Stauseestr­aße. So etwas, sagt er kopfschütt­elnd, so etwas habe er noch nicht erlebt. Und dann diese Schnelligk­eit, mit der das Wasser gestiegen sei, unvorstell­bar.

Tatsächlic­h, so ist bei Gesprächen im Ort immer wieder zu vernehmen, seien am vergangene­n Wochenende mehrere Punkte zusammenko­mmen. Aufgrund des anhaltende­n Starkregen­s habe nicht nur die Riveris schon enorm viel Wasser aus der Talsperre mitgebrach­t, auch von den bewaldeten Hängen sei mehr und mehr Wasser in den an sich kleinen

Bach geflossen. Teils seien Sturzbäche neu entstanden, die mit Geröll und Schlamm in Richtung des Ortes und schließlic­h in die Riveris geflossen seien. Noch am Dienstag sind im Bachbett große Steine zu erkennen, die durch die Flut herangesch­wemmt worden sind.

Ortsbürger­meister Thomas Hoffmann lebt seit Anfang der 2000er Jahre in Riveris. Auch für ihn ist es, wie er zugibt, „das erste große Hochwasser, das ich hier erlebt habe“. Die Straße durch den Ort, so erzählt er bei einem Rundgang, die müsse wohl komplett erneuert werden, das Wasser habe sie unterspült.

Am Ortsausgan­g, dort wo die Riveris einen riesigen Leerraum unter die Waldracher Straße gespült hat, die Asphaltdec­ke komplett in der Luft hängt, dort wohnt Marc Grand, im Erdgeschos­s. Und genau das wurde jetzt zum Problem für den jungen Mann: Wohnzimmer, Küche – die Flut hat ihm und seiner Familie fast alles genommen, während es die Fluten der Riveris nicht in die oberen Etagen geschafft haben, ist das Erdgeschos­s verwüstet. Das, was übriggebli­eben ist, hat Grand mit Freunden und Verwandten vor dem Haus gesammelt. Auch bei seinem Onkel auf der Straßensei­te gegenüber ist der Anblick verheerend. „Die komplette Küche musste bei ihm raus, auch der Holzboden“, erzählt der 28-Jährige. Zusammen hätten sie am Freitagabe­nd noch versucht, Möbel und andere Habseligke­iten vor den Wassermass­en zu retten. Irgendwann sei es zu viel gewesen, da hätten sie sich in die Garage des Nachbarn gerettet. Als das Wasser weiter gestiegen sei, habe die Feuerwehr sie alle mit einem Hublader an einen trockenen Ort gefahren. Eine Elementars­chadenvers­icherung übrigens, die habe er nicht. Grand sagt: „Da wir direkt am Bach wohnen, bekommen wir scheinbar gar keine solche Versicheru­ng mehr, das habe ich jetzt schon von mehreren gehört, dass

sich die Versicheru­ngen da querstelle­n.“Auch wenn sie von Verwandten nun schon viel Hilfe, wichtige Elektroger­äte und Möbel erhalten hätten, gibt er zu: „Das ist eine Katastroph­e für uns – aber es muss weitergehe­n, wir geben alles.“

 ?? FOTO: MAREK FRITZEN ?? „Es ist eine Katastroph­e“: Marc Grand und seine Familie haben durch die Riveris-Flut viel verloren.
FOTO: MAREK FRITZEN „Es ist eine Katastroph­e“: Marc Grand und seine Familie haben durch die Riveris-Flut viel verloren.

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