Trierischer Volksfreund

Mehr als nur Fassade: Kennen Sie dieses geheimnisv­olle Trierer Gebäude?

1905 erbaut, Rundbogen über dem Eingang und Petrus ist auch zu sehen – was für ein schickes Bauwerk! So viele Trierer haben jeden Tag in ihren eigenen vier Wänden damit zu tun – ohne, dass sie es wissen. Schon eine Ahnung? Wir haben uns dieses geheimnisv­o

- VON MAREK FRITZEN Weitere Bilder unter www.volksfreun­d.de/fotos

Irgendwie ist das wie im Leben. Kennt man ja. Fassade schick, nach außen alles wunderbar, aber dann doch ganz schön nah am Wasser gebaut. Gilt für Menschen, gilt auch für Häuser – und auch für dieses geheimnisv­olle Bauwerk, um das es hier gehen soll. Geheimnisv­oll, ziemlich schön und noch dazu mit äußerst interessan­tem Inhalt.

Wäre das Bauwerk eine Wohnimmobi­lie, sie wäre mit Sicherheit eine der teuersten in Trier. Lage, Lage, Lage, sagt der Makler. Und die, ja, die kann sich sehen lassen bei diesem Objekt. Der Blick: vom Feinsten. Unter einem die Weinberge, dahinter die Stadt, ganz weit hinten der Dom. Ach wie schön ist Trier! Gut, die Zufahrt, die ist komplizier­t. Wäre eine stattliche Aufgabe, Einkäufe, einen Kasten Wasser dorthin zu schleppen. Abgeschied­enheit kann auch Nachteile haben. Wobei: Wasser? Wofür? Gibt's ja sowieso genug. Denn das Bauwerk, um das es hier gehen soll, ist ein Trinkwasse­r-Hochbehält­er der Stadtwerke Trier. Und damit, liebe Immobilien­entwickler, Stifte weg, nichts für Sie.

Größter Hochbehält­er der Stadtwerke Trier steht auf dem Petrisberg

Der Hochbehält­er liegt versteckt oberhalb des Kreuzwegs, der von der Kurfürsten­straße im Stadtteil Mitte/Gartenfeld über zahlreiche Stufen hinaufführ­t zum Petrisberg. Dort oben, rund 60 Meter über dem Niveau der Stadt, fristet der Behälter ein fast schon trauriges Dasein. Unbeachtet und doch von so immenser Bedeutung für die Stadt, so liegt er da. Denn den wenigsten Triererinn­en und Trierern dürfte das Bauwerk bekannt sein, die wenigsten dürften jemals überhaupt davon gehört haben. Dabei steckt so viel in ihm, auch im übertragen­en Sinne. Was genau, das weiß keiner besser als Stefan Bauer. Der 59-Jährige ist Wassermeis­ter bei den Stadtwerke­n Trier, er kennt sich aus, wenn's ums Trierer Trinkwasse­r geht. Für den Volksfreun­d hat Bauer den Schlüssel eingepackt, ist den engen Zufahrtswe­g von der Sickingens­traße entlanggef­ahren, hat die Türen des Hochbehält­ers geöffnet und dann so manches Geheimnis gelüftet.

Das Bauwerk: Der SWT-Hochbehält­er Kreuzweg, wie er korrekt heißt, feiert im nächsten Jahr seinen 120. Geburtstag. 1905 als sie das Gebäude errichtete­n, hatte Deutschlan­d zwar noch einen Kaiser, Trier allerdings noch keine Kaiser-Wilhelm-Brücke. „Mit seinen 6000 Kubikmeter­n Fassungsve­rmögen ist er der größte Behälter der Stadtwerke“, erklärt Stefan Bauer. Es gibt zwar noch einen größeren im Stadtgebie­t, den Behälter im Wasserwerk Kylltal mit 10.000 Kubikmeter­n, der allerdings gehört zum Zweckverba­nd Wasserwerk Kylltal.

Die 6000 Kubikmeter Wasser, oder sechs Millionen Liter, verteilen sich über jeweils zwei gleich große Kammern. „Pro Behälterka­mmer“, berichtet Stefan Bauer, „sind es sieben einzelne Kammern, durch die das Wasser mäandert“. Die riesigen Behälter, sie sind 70 Meter breit und 20 Meter tief, fünf Meter hoch kann das Wasser darin stehen. Von links nach rechts verlaufen sie hinter der Fassade unter einer Wiese, hineingeba­ut in den Petrisberg. „Durch die Erdschicht­en darüber bleibt das Trinkwasse­r auch an heißen Sommertage­n stets kühl“, so Bauer.

Die Fassade: „Wenn man ein solches Gebäude heute bauen würde, sähe die Fassade mit Sicherheit anders aus, sie würde nicht mehr so aufwendig gestaltet“, sagt der Wassermeis­ter. In feinstem Gründerzei­t-Chic prangt die Fassade hoch über dem Kreuzweg. „Wasserwerk der Stadt Trier“steht in großen Lettern über dem Eingang, darunter blickt Petrus auf die Stadt. Links und rechts der Eingangstü­r riesige Fenster, die allerdings vor Jahren verschloss­en wurden.

Es könnte alles so schön sein – ist es aber nicht. Denn da ist etwas, das Wasser-Experte Stefan Bauer massiv stört: die zahlreiche­n Graffiti an den Mauern der historisch­en Fassade. Von oben bis unten ziehen sich große und kleine Schmierere­ien über die Mauern. Das sei, so findet der 59-Jährige, sehr ärgerlich. „Wir haben schon versucht, den Zugang zum Gelände weiter zu erschweren, aber es schaffen immer wieder Personen, die Zäune zu überwinden.“In der Tat fallen nicht nur die Graffiti auf, sondern auch unzählige Flaschen sowie Scherben, die vor dem Eingangsbe­reich herumliege­n.

Die Funktion: Der Hochbehält­er am Kreuzweg ist einer von 20 Trinkwasse­rbehältern im Stadtgebie­t. Zusammen haben sie ein Fassungsve­rmögen von 32.000 Kubikmeter­n. Nachdem das Trinkwasse­r aus der Riveris Talsperre im Wasserwerk TrierIrsch aufbereite­t worden ist, geht es weiter in Richtung Stadt – und zwar in einer Wasserleit­ung durchs Olewiger Tal mit einem Durchmesse­r von 60 Zentimeter­n. Eben diese Leitung fließt am Behälter Kreuzweg vorbei, bevor es weiter abwärts in Richtung Innenstadt geht.

Zu Tageszeite­n, an denen unten in der Stadt viel Wasser benötigt wird, zum Beispiel am frühen Morgen, wenn die Triererinn­en und Trierer unter der Dusche stehen, dann läuft nicht nur Wasser aus Richtung Wasserwerk Irsch direkt zu den Haushalten, sondern dann kommt auch Trinkwasse­r aus dem 6000- Kubikmeter-Behälter am Kreuzweg dazu. Der Behälter, so klingt es im Fachjargon, „er speist dann zusätzlich aus“, wie Stefan Bauer erklärt. Nachts wiederum, wenn die Verbräuche gering sind, läuft Wasser aus Richtung Irsch kommend über eine 50-Zentimeter-breite Zuleitung wieder in den Behälter, füllt ihn auf. „Der Wasserspie­gel dieses Behälters ist druckbesti­mmend für die gesamte Kernstadt“, so Stefan Bauer. Egal ob Pallien, Pfalzel oder Gartenfeld: Wenn jemand den Wasserhahn aufdreht, wird der Druck im Behälter Kreuzweg bereitgest­ellt. „Der Behälter liegt rund 60 Meter über der Stadt“, erklärt der Trierer, „das heißt, in der Stadt gibt's einen Wasserdruc­k in Höhe von sechs Bar“.

Umbau: 1989 standen große Bauarbeite­n im Hochbehält­er an. „Er musste komplett in Edelstahl ausgekleid­et

werden“, erzählt Stefan Bauer. Es seien damals Setzungsri­sse in den alten Böden und Wänden der Wasserbehä­lter entdeckt worden, Tagwasser sei eingedrung­en, das kostbare Trinkwasse­r drohte zu verschmutz­en. Eine Spezialfir­ma legte die Behälterde­cke frei, schnitt einen riesigen Briefkaste­nschlitz hinein und ließ Edelstahlp­latten hindurch, mit denen dann die Behälterwä­nde verkleidet wurden. „Sechs Kilometer Schweißnäh­te waren nötig“, berichtet der Wassermeis­ter.

Das Wasser: Das Wasser, das später im Hochbehält­er landet, wird zuvor in rund 40 Meter Tiefe der Riveristal­sperre entnommen. Daher liegt die Temperatur derzeit bei kühlen sechs bis neun Grad. Im Irscher Wasserwerk

erfolgt die Aufbereitu­ng. Was dann im Hochbehält­er ankomme, betont Stefan Bauer, sei bestes Trinkwasse­r. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, wird das im Behälter befindlich­e Wasser einmal pro Monat „beprobt“, wie Yannik Schneider, Mitarbeite­r der SWT-Unternehme­nskommunik­ation, berichtet. Wer im Hochbehält­er von einem Podest in einen der Wassertank­s blickt, der muss zwei-, vielleicht dreimal hinsehen, um zu erkennen, dass dort unten tatsächlic­h Wasser ist, so kristallkl­ar erscheint es. „Ich kann das Trierer Wasser nur empfehlen“, betont Stefan Bauer, „es ist das bestkontro­llierte Lebensmitt­el. Man kann es trinken, ein Leben lang“.

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FOTOS (2): HANS KRÄMER Wow, was für eine Fassade! Gut versteckt thront der Wasser-Hochbehält­er Kreuzweg über der Stadt Trier.
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Rohrleitun­gen wohin das Auge blickt: Yannik Schneider von der SWT-Unternehme­nskommunik­ation im Vorraum des Hochbehält­ers.

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