Mehr als nur Fassade: Kennen Sie dieses geheimnisvolle Trierer Gebäude?
1905 erbaut, Rundbogen über dem Eingang und Petrus ist auch zu sehen – was für ein schickes Bauwerk! So viele Trierer haben jeden Tag in ihren eigenen vier Wänden damit zu tun – ohne, dass sie es wissen. Schon eine Ahnung? Wir haben uns dieses geheimnisvo
Irgendwie ist das wie im Leben. Kennt man ja. Fassade schick, nach außen alles wunderbar, aber dann doch ganz schön nah am Wasser gebaut. Gilt für Menschen, gilt auch für Häuser – und auch für dieses geheimnisvolle Bauwerk, um das es hier gehen soll. Geheimnisvoll, ziemlich schön und noch dazu mit äußerst interessantem Inhalt.
Wäre das Bauwerk eine Wohnimmobilie, sie wäre mit Sicherheit eine der teuersten in Trier. Lage, Lage, Lage, sagt der Makler. Und die, ja, die kann sich sehen lassen bei diesem Objekt. Der Blick: vom Feinsten. Unter einem die Weinberge, dahinter die Stadt, ganz weit hinten der Dom. Ach wie schön ist Trier! Gut, die Zufahrt, die ist kompliziert. Wäre eine stattliche Aufgabe, Einkäufe, einen Kasten Wasser dorthin zu schleppen. Abgeschiedenheit kann auch Nachteile haben. Wobei: Wasser? Wofür? Gibt's ja sowieso genug. Denn das Bauwerk, um das es hier gehen soll, ist ein Trinkwasser-Hochbehälter der Stadtwerke Trier. Und damit, liebe Immobilienentwickler, Stifte weg, nichts für Sie.
Größter Hochbehälter der Stadtwerke Trier steht auf dem Petrisberg
Der Hochbehälter liegt versteckt oberhalb des Kreuzwegs, der von der Kurfürstenstraße im Stadtteil Mitte/Gartenfeld über zahlreiche Stufen hinaufführt zum Petrisberg. Dort oben, rund 60 Meter über dem Niveau der Stadt, fristet der Behälter ein fast schon trauriges Dasein. Unbeachtet und doch von so immenser Bedeutung für die Stadt, so liegt er da. Denn den wenigsten Triererinnen und Trierern dürfte das Bauwerk bekannt sein, die wenigsten dürften jemals überhaupt davon gehört haben. Dabei steckt so viel in ihm, auch im übertragenen Sinne. Was genau, das weiß keiner besser als Stefan Bauer. Der 59-Jährige ist Wassermeister bei den Stadtwerken Trier, er kennt sich aus, wenn's ums Trierer Trinkwasser geht. Für den Volksfreund hat Bauer den Schlüssel eingepackt, ist den engen Zufahrtsweg von der Sickingenstraße entlanggefahren, hat die Türen des Hochbehälters geöffnet und dann so manches Geheimnis gelüftet.
Das Bauwerk: Der SWT-Hochbehälter Kreuzweg, wie er korrekt heißt, feiert im nächsten Jahr seinen 120. Geburtstag. 1905 als sie das Gebäude errichteten, hatte Deutschland zwar noch einen Kaiser, Trier allerdings noch keine Kaiser-Wilhelm-Brücke. „Mit seinen 6000 Kubikmetern Fassungsvermögen ist er der größte Behälter der Stadtwerke“, erklärt Stefan Bauer. Es gibt zwar noch einen größeren im Stadtgebiet, den Behälter im Wasserwerk Kylltal mit 10.000 Kubikmetern, der allerdings gehört zum Zweckverband Wasserwerk Kylltal.
Die 6000 Kubikmeter Wasser, oder sechs Millionen Liter, verteilen sich über jeweils zwei gleich große Kammern. „Pro Behälterkammer“, berichtet Stefan Bauer, „sind es sieben einzelne Kammern, durch die das Wasser mäandert“. Die riesigen Behälter, sie sind 70 Meter breit und 20 Meter tief, fünf Meter hoch kann das Wasser darin stehen. Von links nach rechts verlaufen sie hinter der Fassade unter einer Wiese, hineingebaut in den Petrisberg. „Durch die Erdschichten darüber bleibt das Trinkwasser auch an heißen Sommertagen stets kühl“, so Bauer.
Die Fassade: „Wenn man ein solches Gebäude heute bauen würde, sähe die Fassade mit Sicherheit anders aus, sie würde nicht mehr so aufwendig gestaltet“, sagt der Wassermeister. In feinstem Gründerzeit-Chic prangt die Fassade hoch über dem Kreuzweg. „Wasserwerk der Stadt Trier“steht in großen Lettern über dem Eingang, darunter blickt Petrus auf die Stadt. Links und rechts der Eingangstür riesige Fenster, die allerdings vor Jahren verschlossen wurden.
Es könnte alles so schön sein – ist es aber nicht. Denn da ist etwas, das Wasser-Experte Stefan Bauer massiv stört: die zahlreichen Graffiti an den Mauern der historischen Fassade. Von oben bis unten ziehen sich große und kleine Schmierereien über die Mauern. Das sei, so findet der 59-Jährige, sehr ärgerlich. „Wir haben schon versucht, den Zugang zum Gelände weiter zu erschweren, aber es schaffen immer wieder Personen, die Zäune zu überwinden.“In der Tat fallen nicht nur die Graffiti auf, sondern auch unzählige Flaschen sowie Scherben, die vor dem Eingangsbereich herumliegen.
Die Funktion: Der Hochbehälter am Kreuzweg ist einer von 20 Trinkwasserbehältern im Stadtgebiet. Zusammen haben sie ein Fassungsvermögen von 32.000 Kubikmetern. Nachdem das Trinkwasser aus der Riveris Talsperre im Wasserwerk TrierIrsch aufbereitet worden ist, geht es weiter in Richtung Stadt – und zwar in einer Wasserleitung durchs Olewiger Tal mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern. Eben diese Leitung fließt am Behälter Kreuzweg vorbei, bevor es weiter abwärts in Richtung Innenstadt geht.
Zu Tageszeiten, an denen unten in der Stadt viel Wasser benötigt wird, zum Beispiel am frühen Morgen, wenn die Triererinnen und Trierer unter der Dusche stehen, dann läuft nicht nur Wasser aus Richtung Wasserwerk Irsch direkt zu den Haushalten, sondern dann kommt auch Trinkwasser aus dem 6000- Kubikmeter-Behälter am Kreuzweg dazu. Der Behälter, so klingt es im Fachjargon, „er speist dann zusätzlich aus“, wie Stefan Bauer erklärt. Nachts wiederum, wenn die Verbräuche gering sind, läuft Wasser aus Richtung Irsch kommend über eine 50-Zentimeter-breite Zuleitung wieder in den Behälter, füllt ihn auf. „Der Wasserspiegel dieses Behälters ist druckbestimmend für die gesamte Kernstadt“, so Stefan Bauer. Egal ob Pallien, Pfalzel oder Gartenfeld: Wenn jemand den Wasserhahn aufdreht, wird der Druck im Behälter Kreuzweg bereitgestellt. „Der Behälter liegt rund 60 Meter über der Stadt“, erklärt der Trierer, „das heißt, in der Stadt gibt's einen Wasserdruck in Höhe von sechs Bar“.
Umbau: 1989 standen große Bauarbeiten im Hochbehälter an. „Er musste komplett in Edelstahl ausgekleidet
werden“, erzählt Stefan Bauer. Es seien damals Setzungsrisse in den alten Böden und Wänden der Wasserbehälter entdeckt worden, Tagwasser sei eingedrungen, das kostbare Trinkwasser drohte zu verschmutzen. Eine Spezialfirma legte die Behälterdecke frei, schnitt einen riesigen Briefkastenschlitz hinein und ließ Edelstahlplatten hindurch, mit denen dann die Behälterwände verkleidet wurden. „Sechs Kilometer Schweißnähte waren nötig“, berichtet der Wassermeister.
Das Wasser: Das Wasser, das später im Hochbehälter landet, wird zuvor in rund 40 Meter Tiefe der Riveristalsperre entnommen. Daher liegt die Temperatur derzeit bei kühlen sechs bis neun Grad. Im Irscher Wasserwerk
erfolgt die Aufbereitung. Was dann im Hochbehälter ankomme, betont Stefan Bauer, sei bestes Trinkwasser. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, wird das im Behälter befindliche Wasser einmal pro Monat „beprobt“, wie Yannik Schneider, Mitarbeiter der SWT-Unternehmenskommunikation, berichtet. Wer im Hochbehälter von einem Podest in einen der Wassertanks blickt, der muss zwei-, vielleicht dreimal hinsehen, um zu erkennen, dass dort unten tatsächlich Wasser ist, so kristallklar erscheint es. „Ich kann das Trierer Wasser nur empfehlen“, betont Stefan Bauer, „es ist das bestkontrollierte Lebensmittel. Man kann es trinken, ein Leben lang“.