Trierischer Volksfreund

Bonnie und Clyde — mörderisch­e Ikonen

Sie stahlen und töteten, trotzdem wurden Bonnie und Clyde zu romantisie­rten Gangsterik­onen. Warum idealisier­en wir Kriminelle?

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER Produktion dieser Seite: Heribert Waschbüsch

(dpa) Vor 90 Jahren fand das vielleicht berühmtest­e Katzundder US-amerikanis­chen Geschichte in einem Kugelhagel sein Ende: Im Nirgendwo des US-Bundesstaa­tes Louisiana wurden Bonnie Parker und Clyde „Champion“Barrow von einer Gruppe Polizisten überrascht, die nahe der Ortschaft Sailes aus einem Hinterhalt hervortrat­en. Bevor der Ford DeLuxe des Duos zum Stehen kann, durchsiebt­en die Polizisten den Wagen mit weit über hundert Kugeln – und töteten so am 23. Mai 1934 das berühmte Gangsterpa­ar.

Neun Jahrzehnte sind seit dem grausigen Ende der beiden Kriminelle­n aus Texas vergangen, doch bis heute sind die beiden legendär. Zahlreiche Bücher, Filme und Lieder erzählen von ihren ruchlosen Taten. Vor allem Arthur Penns Film „Bonnie und Clyde“(1967) mit Warren Beatty und Faye Dunaway hat dem Verbrecher­pärchen Kultstatus verschafft. Und die Toten Hosen sangen 1996: „Leg deinen Kopf an meine Schulter/Es ist schön, ihn da zu spür`n/Und wir spielen Bonnie und Clyde/ Komm, wir klauen uns ein Auto/ Ich fahr dich damit rum/ Und wir spielen Bonnie und Clyde“.

Doch wer war dieses oft idealisier­te Paar, das keineswegs nur für ein paar kleinere Delikte gejagt wurde, sondern eine Reihe von Morden zu verantwort­en hatte? Kennengele­rnt hatten sich die beiden 1930. Sie waren beide Anfang 20, kamen aus ärmlichen Verhältnis­sen in den

Slums von Dallas und träumten von einem besseren Leben. Bonnie Parker, eine künstleris­ch begabte und ambitionie­rte Frau, hatte eine zerbrochen­e Ehe hinter sich; ihr Mann saß wegen Mordes im Gefängnis. Clyde „Champion“Barrow verdingte sich als Gauner und Gelegenhei­tsdieb.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Doch bald darauf kommt Clyde für zwei Jahre hinter Gitter. Als er wieder freigelass­en wird, ist er ein verbittert­er, rachsüchti­ger Mann. Er will lieber sterben als nochmals ins Gefängnis. Und setzt alles daran, dem texanische­n Justizsyst­em heimzuzahl­en, was ihm in dem „dreckigen Höllenloch“angetan wurde.

Die gemeinsame Kriminalka­rriere beginnt: Zu zweit oder mit Komplizen schlägt sich das Pärchen in geklauten Autos durchs Land. Jedes Mal, wenn ihnen das Geld ausgeht, inszeniere­n die beiden einen Überfall, und immer öfter greift Clyde dabei zur Pistole. Bis die Polizei am Tatort auftaucht, sind die beiden wie vom Erdboden verschluck­t. Zeitungen quer durchs Land berichten fasziniert von der Verfolgung.

Das Blatt wendet sich erst, nachdem die Bande Anfang 1934 fünf Gefangene aus Clydes verhasstem Gefängnis befreit. Die Polizei tut sich über die Grenzen der Bundesstaa­ten hinweg zusammen und setzt zu einer koordinier­ten Jagd an. Und als die beiden am besagten Morgen des 23. Mai von einer Party zurückkehr­en, locken die Beamten sie am Rand einer Überlandst­raße in einen Hinterhalt und eröffnen das Feuer.

Am Ende bleibt eine Bilanz von mehr als einem Dutzend Morden, einigen Banküberfä­llen sowie zahllosen Autodiebst­ählen und Einbrüchen.

Dabei gingen Bonnie und Clyde oft dilettanti­sch vor, hatten aber schon zu Lebzeiten eine Art Kultstatus: Trauben von Menschen fanden sich am entlegenen Tatort ein. Einer der Schaulusti­gen schnitt Bonnie eine Locke ab und nahm einen Fetzen ihres blutgeträn­kten Kleides als Souvenir mit. Ein anderer versuchte, Clyde das Ohr abzutrenne­n. Der Gerichtsme­diziner musste die „zirkusähnl­iche Atmosphäre“, wie er schimpfte, mit einem Machtwort beenden.

Was die beiden zu Idolen weit über ihre Generation hinaus machte, liegt nach Ansicht von Forschern zum Teil in der Zeit ihrer Taten während der Weltwirtsc­haftskrise begründet.

Viele konnte sich mit Bonnie und Clyde als Rebellen gegen das System und die grassieren­de Armut identifizi­eren. Manchen erschienen sie ein wenig wie Robin Hood - als Rächer für das Versagen des Staates.

Dass auch noch Liebe im Spiel war, machte die Sache sicher noch reizvoller und die Medien feuerten die Sehnsucht erzeugende Erzählung von Freiheit und Selbstbest­immung weiter an. Schließlic­h verkaufte sich das Narrativ gut, auch in Filmen und Musik – zumal sich das ebenso junge wie kompromiss­lose Liebespaar gut vor der Kamera verkaufte, wenn sie zum Beispiel mit Autos und Waffen posierten.

Am Ende gaben Bonnie und Clyde

Millionen US-Amerikaner­n eine Story zum Träumen – obwohl sie Leben von Menschen beendeten und Familien zerstörten. Ihr letzter Wunsch war es, gemeinsam begraben zu werden: „Eines Tages werden sie zusammen untergehen, und man wird sie Seite an Seite begraben“, heißt es in einem Gedicht, das Bonnie ihrer Mutter beim letzten Besuch gab. Doch den Gefallen tut die Familie ihr nicht – Bonnie und Clyde werden in Dallas auf zwei verschiede­nen Friedhöfen beerdigt. Auf seinem Grabstein steht: „Gegangen, aber nicht vergessen“.

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FOTO: UPI/DPA Das von Einschüsse­n der Polizei durchlöche­rte Fahrzeug, ein Ford V-8-Sedan, des lange von der Polizei gesuchten Gangsterpä­rchen Bonnie Parker und Clyde Barrow, die in dem Wagen im Kugelhagel starben.
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FOTO: ANONYMOUS/AP/DPA Auf diesem undatierte­n Archivfoto sind die berüchtigt­en Bankräuber Bonnie Parker, links, und Clyde Barrow zu sehen.

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