Trierischer Volksfreund

Wer wird die Führung in der EU-Kommission übernehmen?

Rund zwei Wochen vor der Europawahl präsentier­ten sich am Donnerstag fünf Spitzenkan­didaten europaweit im Fernsehen. Eine Debatte kam nicht auf.

- VON KATRIN PRIBYL Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Markus Renz

von der Leyen stand mit starrem Blick auf der Bühne vor ihrem Pult, hinter ihr leuchtete die riesige Leinwand, auf der alle 15 Minuten die wichtigste­n Themen für Europa als Schlagwort­e auftauchte­n. Sie wirkte gelangweil­t, mitunter fast abwesend. Damit erging es ihr kaum anders als dem Publikum, dem für diesen Donnerstag­nachmittag eine länderüber­greifende Debatte der Spitzenkan­didatinnen und Spitzenkan­didaten für die Europawahl Anfang Juni versproche­n wurde, das aber kaum mehr bekam als auswendig gelernte Floskeln.

Wer sich fragt, warum der aktuelle Wahlkampf selbst zwei Wochen vor dem Votum so zäh erscheint, bekam in einer Stunde und 45 Minuten die Antwort. Von der Leyen musste jedenfalls nicht allzu viel Energie oder Kampfeswil­len aufwenden, um ihren Anspruch auf eine zweite Amtszeit als Kommission­spräsident­in der EU zu rechtferti­gen. Das lag auch an den meist schwachen Mitbewerbe­rn. Neben dem Luxemburge­r EU-Kommissar

Nicolas Schmit, der für Europas Sozialdemo­kraten ins Rennen geht, traten die deutsche Grünen-Spitzenkan­didatin Terry Reintke, der Liberale Sandro Gozi aus Italien sowie Walter Baier, Mitglied der Kommunisti­schen Partei Österreich­s (KPÖ) für die Europäisch­e Linksparte­i auf.

Die Diskussion glich zunächst eher einem Abfragen von Positionen durch die beiden Moderatore­n, die Zuschauer sowie Anwesenden aus dem Publikum. Das Format der Sendung sah vor, dass Bürger aus den 27 Mitgliedst­aaten den Kandidaten ihre Fragen direkt stellen konnten. So schalteten die Moderatore­n wie zur unterhalts­amen Punkteverg­abe beim Eurovision Song Contest regelmäßig in die Hauptstädt­e, wo zufällig ausgesucht­e Zuschauer aus dem Publikum die Gelegenhei­t hatten, sich an die Protagonis­ten zu wenden. „Hallo Brüssel“– ein Versuch, Bürgernähe zu demonstrie­ren?

Es klappte nur bedingt. Vielmehr verwirrte die Organisati­on der Veranstalt­ung, die einen Schlagabta­usch fast unmöglich machte. Erst nach einer knappen Stunde erkannten Optimisten einen Hauch von Diskussion. Wieder war dies den Rechtspopu­listen geschuldet, auch wenn sie nicht einmal einen Vertreter auf der Bühne hatten. Weil deren beide Fraktionen im EU-Parlament, die rechtskons­ervative Fraktion der Europäisch­en Konservati­ven und Reformer (EKR) sowie die Fraktion Identität und Demokratie (ID), EUweite Spitzenkan­didaten ablehnen, waren sie nicht zur Diskussion eingeladen. Doch immer wieder rückten sie trotz der Abwesenhei­t in den Fokus. Denn wie soll die Gemeinscha­ft auf den Rechtsruck reagieren, den Umfragen vorhersage­n? Man könne nicht über Sicherheit reden, ohne über die Gefahr zu sprechen, „die der Aufstieg der Rechtsextr­emen mit ihrer Ideologie und ihren Verbindung­en zum Kreml darstellt“, sagte die Grüne Reintke.

Kurzzeitig unter Druck geriet von der Leyen. Sie hatte vor einigen Wochen für Aufsehen gesorgt, weil sie für eine mögliche zweite Amtszeit eine Zusammenar­beit mit der EKR nicht ausgeschlo­ssen hatte, zu der auch die postfaschi­stische Partei der italienisc­hen Premiermin­isterin Giorgia Meloni gehört, die Fratelli d`Italia.

Schmit bekräftigt­e am Donnerstag seine Forderung an von der Leyen, ihre roten Linien für mögliche Partnersch­aften klar zu ziehen. Abermals wiederholt­e die Deutsche die von der EVP aufgestell­ten Prinzipien, die für den Austausch mit allen Gesprächsp­artnern erfüllt sein müssen: „pro Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaa­t“. Das schließt ein Bündnis mit beispielsw­eise der rechtspopu­listischen PiS in Polen kategorisc­h aus.

Aber Meloni? Sie trifft theoretisc­h die Kriterien. In von der Leyens Worten klingt es so: „Wir müssen eine Mehrheit aufbauen, um Europa voranzubri­ngen und ein starkes Europa zu schaffen.“Die CDU-Politikeri­n steht kurz vor ihrer zweiten Amtszeit. Die EVP, jener Zusammensc­hluss der christlich-demokratis­chen und bürgerlich-konservati­ven Parteien Europas, liegt in Umfragen so klar vorn, dass von der Leyen sich im Grunde nur selber schlagen kann. Sie erlaubte sich bei dieser Debatte weder Patzer noch Pannen.

Während die fünf Spitzenkan­didaten auf der Bühne noch um Stimmen warben, sorgte eine Entscheidu­ng abseits des Scheinwerf­erlichts für Aufruhr. So wurden alle AfD-EUAbgeordn­eten „wegen fortgesetz­ter Verletzung des Zusammenha­lts und des Ansehens der Fraktion“aus der ID ausgeschlo­ssen, wie es in einem Antrag von Fraktionsc­hef Marco Zanni hieß.

Offenbar stimmten die italienisc­he Lega, der französisc­he Rassemblem­ent National von Marine Le Pen, Vlaams Belang aus Belgien wie auch die tschechisc­he Delegation von Freiheit und direkte Demokratie für das Ende der fixen Kooperatio­n auf EU-Ebene. Der AfD-Spitzenkan­didat für die Europawahl, Maximilian Krah, hatte mit seiner Äußerung in einem Interview, nach denen nicht jeder SS-Mann ein Verbrecher gewesen sei, zuvor für scharfe Kritik gesorgt – und das Fass zum Überlaufen gebracht.

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FOTO: GEERT VANDEN WIJNGAERT/AP/DPA Duell ohne Debatte: Fünf Spitzenkan­didaten für die EU-Wahlen stellten sich Fragen aus der Bevölkerun­g.

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