Wie Peter Mertes in 100 Jahren mit „Weinen für alle“erfolgreich wurde
Niemand in Deutschland produziert so viel Wein wie die Kellerei Peter Mertes in Bernkastel-Kues. Das Motto des Betriebsgründers hat die aktuell aktive, vierte Familiengeneration nach jetzt 100 Jahren in ihrer DNA verankert: Weine für alle, so das Motto. W
Die Zugpferde und zugleich Bestseller heißen „Bree“in der Designflasche und „Maybach“in der sogenannten angefrosteten Glasflasche, aber auch Wein in der partytauglichen Bag-in-Box oder weinhaltige Cocktails in der Dose: Fast in jedem deutschen Supermarkt steht Wein von Peter Mertes und das für fast jeden Geschmack und Geldbeutel. „Weine für jeden“anzubieten, so das Motto von Firmengründer Peter
Mertes vor genau 100 Jahren, hat das Familienunternehmen in vierter Generation von der Mosel erst zu dem gemacht, was es im deutschen Weinmarkt ist: Deutschlands größte Weinkellerei mit einem geschätzten Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro, eine Marktmacht, die im Handel einiges zu sagen hat – die aber auch einiges in einem Jahrhundert für die Branche bewegt und inzwischen rund 400 Beschäftigte hat, davon mehr als 20 Auszubildende.
Michael Willkomm kann sich noch gut daran erinnern, dass er als Kind am ersten Firmensitz in Minheim mitten im Unternehmen gespielt und gewohnt hat, dass sich die Weinkisten auf dem Hof gestapelt haben. Zuvor hatte erst der Großvater den Betrieb gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg führte sein in die Familie eingeheirateter Vater Gustav Willlkomm die Familienvision weiter. Der 74-jährige Seniorchef selbst hat 2010 die Geschäftsleitung an Sohn Matthias und Georg Graf von Walderdorff weitergegeben.
In der Weinkellerei Peter Mertes in Bernkastel-Kues lagern bis zu 50 Millionen
Liter WeinIn einer Zeit, als Wein vor allem für die wohlhabende Elite und Bier alkoholisches Volksgetränk war, ist die Idee von Peter Mertes auch ein besonderes Versprechen an die lokalen Winzer: Die neue Kellerei kauft Trauben, Most oder Weine anhand fester Verträge auf, das Unternehmen bekommt gesichert die Rohware.
Und so ist es auch heute noch, wo rund 60 Prozent der Weine aus Deutschland stammen. „Wir kennen viele unserer Lieferanten seit Jahrzehnten, wir sind kein anonymer Saftladen, sondern stehen zur Weinbautradition“, sagt Michael Willkomm.
Wobei „Saftladen“ein wenig in die Irre führt: In den Edelstahltanks am 1969 neu bezogenen Domizil in Bernkastel-Kues lagern heute bis zu 50 Millionen Liter Wein.
Der Weinmarkt hat sich stark gewandelt: Insgesamt machen Genossenschaften oder industriell betriebene Kellereien wie Peter Mertes 70 Prozent des aktuellen deutschen Weinmarktes aus. Die klassischen Weingüter und Winzerbetriebe liefern gerade noch ein Drittel des deutschen Weinvolumens im Verkauf. „Wir stehen für einen Großteil der deutschen Weinbranche“, sagt Michael Willkomm selbstbewusst. Jahrelang agierte er jedoch lieber im Verborgenen, betreibt Understatement („mir liegt Protz nicht so“) und engagiert sich stattdessen in Bernkastel-Kues als Mäzen für sanierungsbedürftige alte denkmalgeschützte Gebäude.
Doch mit dem romantisierten Bild kleiner Schieferhäuschen mit Butzenfenstern und schwer arbeitenden Winzern im Mosel-Steilhang hat das Geschäft von Peter Mertes wenig zu tun. Pro Tag werden über eine Million Getränkeeinheiten gefüllt – in Glasflaschen aller Größen, Tetra Pak, Bag-in-Box und Dosen, neben Wein auch weinhaltige Cocktails. Und beim Verbraucher entscheidet neben Inhalt und Qualität auch der Preis über den Kauf.
Erfolg bedeutet für die Weinkellerei Peter Mertes auch Innovation
Innovativ sind die Firmenpatriarchen immer schon: Peter Mertes baut den Betrieb auf. Gustav Willkomm setzt als Erster auf Weinkartons statt auf Holzkisten, um Transportgewicht zu sparen. Eine bahnbrechende Innovation gelingt ihm in den 1970erJahren, als Tante-Emma-Läden noch die Regel sind, und so arbeitet er als Erster mit der Metro und anderen Selbstbedienungsläden zusammen. Ein Wegbereiter also für die Discounter und Sohn Michael Willkomm, der weg vom reinen Wein geht und möglichst viele Produkte für möglichst viele Geschmäcker anbietet. „Es geht dabei um spannende Sortimente, die variieren müssen“, sagt der Vertriebsprofi.
Zudem: Statt „Oberföhringer Vogelspinne“oder „Klöbener Krötenpfuhl“, den die Weintester beim Humoristen Loriot süffeln, mag es der Kunde zunehmend knapp und praktisch – in Lizenz mit der Marke „Käfer“, in der Dose als meistverkaufte Marke mit „City“, preisgekrönt mit dem Designpreis Red-Dot-Award für „Bree“, als Spartenprodukt mit dem Biowein „Landlust“.
Überladene Etiketten spielen hier keine Rolle mehr, sondern das Wichtigste zum Weingenuss. „Wir waren der Branche meist einen Schritt voraus. Auch heute müssen wir Maßstäbe setzen und neue Märkte schaffen“, sagt der Stratege Willkomm, den die Wirtschaftswoche einmal als „Dieter Bohlen des Weins“betitelt hat, da er so erfolgreich den Massengeschmack trifft.
Peter Mertes exportiert in 60 Länder
Ob Eigenmarken, Handelsmarken, Lohnabfüllung oder die eigenen kleinen Weingüter an Saar und Mosel: Der Erfolg gibt Peter Mertes Recht. In einer Zeit, in der der Supermarktkunde schnell zum optisch wirkungsvollsten Produkt mit dem besten
Versprechen greift, ist alles andere überflüssiger Tinnef. Da zählen Design und Namen – und der Preis. Der durchschnittliche Preis einer Flasche Wein im Lebensmitteleinzelhandel lag im vergangenen Jahr laut dem Marktforschungsinstitut Circana bei 3,24 Euro. Und so ist der Discounter Aldi inzwischen zum größten Weinhändler Deutschlands geworden, der im Umkehrschluss Lieferanten wie die Großkellerei Peter Mertes braucht.
Denn das Unternehmen weiß, wie wichtig dennoch Qualität sein muss. So gibt es bei Peter Mertes schon früh ein eigenes Qualitätsmanagement, aber auch ein eigenes Labor, in dem vier Önologen und 13 Kellermeister innovativ arbeiten. „Wir müssen Bedürfnisse beim Kunden wecken und
ihm einen Schritt voraus sein, statt stets an Profit zu denken“, sagt Michael Willkomm. So ganz ohne Profit ist das Unternehmen Peter Mertes allerdings innerhalb eines Jahrhunderts nicht zur größten deutschen Weinkellerei geworden. Und im vergangenen Jahr sei die „Entwicklung weiterhin positiv, während der Weinmarkt insgesamt vor Herausforderungen stand“, heißt es, vor allem mit den deutschen Weinmarken Maybach und Bree.
Rund 60 Prozent der Produkte werden demnach im Inland getrunken, der Rest wird in mehr als 60 Länder exportiert. Und so ist der deutsche Weintrinker ein Peter-Mertes-Weintrinker – etwas, das dem Firmengründer gefallen hätte.