Trierischer Volksfreund

Was die Teenies begeistert

„Tote Mädchen lügen nicht“, „ Sex Education“, „Young Royals“, derzeit „ Maxton Hall“– Zuschaueri­nnen und Zuschauer stellen Schulserie­n oft ein gutes Zeugnis aus. Warum sind Teenie-Stoffe so ein Renner?

- VON GREGOR THOLL Produktion dieser Seite: Heribert Waschbüsch

(dpa) Schmachten­de Blicke auf dem Schulflur, Cliquen, Küsse, Intrigen, Identitäts­findung, Mobbing, Ehrgeiz, erste Liebe, große Gefühle: Das scheinen die Zutaten zu sein, die Serien-Drehbücher heute brauchen, um global ein Streaming-Hit zu werden. Derzeit beweist das die deutsche College-Serie „Maxton Hall - Die Welt zwischen uns“mit Harriet HerbigMatt­en (20) und Damian Hardung (25). In der Startwoche erzielte die Ufa-Produktion „die größte globale Zuschauerz­ahl eines nicht-amerikanis­chen Titels“in der Geschichte von Prime Video, sie war in mehr als 120 Ländern auf Platz eins der Prime-Video-Charts.

„„Maxton Hall“ist eine romantisch­e Fantasie, die Serie zelebriert Genrekonve­ntionen anstatt sie zu unterlaufe­n“, sagt der Medienwiss­enschaftle­r Moritz Stock von der Universitä­t Siegen. Das Vertraute, bewusst Unwirklich­e und Übertriebe­ne macht den Reiz aus.“Am besten bräuchten solche Serienprod­uktionen dann noch Szenen und Momente, die in kurzen Clips auf Plattforme­n wie Tiktok funktionie­ren, „sonst kommen sie heute beim jungen Publikum nur schwer an“. Serien versuchten, eine Wechselbez­iehung herzustell­en. Das sei hier gelungen. Einzelne Szenen aus „Maxton Hall - Die Welt zwischen uns“wurden oft über Tiktok geteilt.

Bei der Serie, in der Niedersach­sen zum Teil als England verkauft wird (als fiktive Privatschu­le Maxton Hall fungiert Schloss Marienburg in Pattensen bei Hannover), die aber auch in Oxford gedreht wurde, wissen Zuschauend­e schnell, was sie erwartet. Doch so berechenba­r die Lovestory des arroganten Millionärs­sohns James Beaufort und der bodenständ­igen schlauen Ruby Bell zu sein scheint, so liebevoll ist die Serie gemacht - gute Cliffhange­r etwa begünstige­n das Binge-Watching.

Moritz Stock ist Mitherausg­eber des Jugendseri­en-Sammelband­s „Teen TV“. Der Fachmann für Teenagerun­d Schulserie­n erklärt: „Jugendseri­en sind figurenzen­trierte Erzählunge­n, also weniger auf spannende Plot-Entwicklun­gen und überrasche­nde Wendungen angelegt.“Wichtiger als komplexe Dramaturgi­e seien Ensemble,

Nähe zu Figuren, die Schauspiel­er. Seit es den transnatio­nalen Streamingm­arkt gibt, haben zielgruppe­norientier­te Serien an Bedeutung gewonnen, wie Stock erläutert.

Leute, die nicht mehr ans klassische Fernsehen gebunden sind, seien für Streaminga­nbieter wie Amazon, Disney und Netflix besonders wichtig. „Jugendseri­en sind für ein junges Publikum anschlussf­ähig und schnell vertraut. Auch wenn sie aus verschiede­nen Ländern kommen, haben sie universell­e Gemeinsamk­eiten: Jungsein, Freundscha­ft, dazu gehören wollen, erste romantisch­e und sexuelle Erfahrunge­n, Zukunftsge­staltung.“

Gleichzeit­ig ziehen solche Serien auch Ältere an. „Jugendseri­en können prinzipiel­l immer die Sehnsucht eines erwachsene­n Publikums nach einer verlorenen Jugend erfüllen, manche Serien eignen sich dafür besser als andere“, sagt Stock. Besonders klug codiert sei zum Beispiel „Stranger Things“- die Serie orientiere sich einerseits an der Ikonografi­e und den Genrekonve­ntionen der Popkultur der 80er, spreche aber über die Figurenkon­stellation und den Retro-Charme auch ein jüngeres Publikum an.

Jugendseri­en haben im Kern viel Verbindend­es, weisen aber dennoch eine große Bandbreite auf: die aufkläreri­sche Serie „Sex Education“über realistisc­he Jugendprob­leme ist anders als die Horror- und Mysteryser­ie „Wednesday“oder melodramat­isch zugespitzt­e Dramen mit Krimi-Elementen wie „Élite“und „Tote Mädchen lügen nicht“(Originalti­tel: „13 Reasons Why“). Und die sind wiederum anders als „The Umbrella Academy“, „Euphoria“, „How to Sell Drugs Online (Fast)“oder „Der Sommer, als ich schön wurde“. Auch historisch betrachtet liegen von der Genre-Kombinatio­n her oft Welten zwischen „Beverly Hills, 90210“, „Dawson's Creek“, „O.C., California“, „Gossip Girl“, „Skins“oder „Glee“.

Doch zurück zu „Maxton Hall“, dem Überraschu­ngserfolg nach dem Roman „Save me“der deutschen Schriftste­llerin Mona Kasten. Amazons Streamingd­ienst bestellte schon kurz nach der Veröffentl­ichung des Sechsteile­rs eine zweite Staffel. Damian Hardung („Club der roten Bänder“) und Harriet HerbigMatt­en („Bibi & Tina – Die Serie“) werden damit gerade Weltstars. Sie reihen sich damit ein in eine Riege von Darsteller­innen und Darsteller­n, die durch Coming-of-AgeStoffe bei Streamingd­iensten zum Schwarm von Millionen weltweit geworden sind, darunter Jenna Ortega („Wednesday“), Emma Mackey („Sex Education“), Edvin Ryding („Young Royals“) und Kit Connor („Heartstopp­er“).

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PRIME VIDEO/DPA FOTO: STEPHAN RABOLD/© James Beaufort (Damian Hardung) und Ruby Bell (Harriet Herbig-Matten) in der Kulisse der AmazonSeri­e „Maxton Hall“.

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