Aktivist auf der Wahlliste: So rechtsextrem ist die AfD in Trier
Der AfD fällt es immer schwerer, rechtsextreme Tendenzen in der Partei zu leugnen. Neue Belege zeigen, dass ein Aktivist der „Revolte Rheinland“auf der Liste für die Stadtratswahl in Trier steht. Dabei wird die Organisation nicht nur vom Verfassungsschutz
Die Belege dafür, dass die AfD zumindest in Teilen eine rechtsextreme Partei ist, häufen sich immer mehr. Da wären etwa die Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten bei den Europawahlen, Maximilian Krah. Kürzlich verharmloste er in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica die Waffen-SS und musste daraufhin den Bundesvorstand der Partei verlassen.
Dann ist da das Gerichtsurteil gegen einen weiteren AfD-Spitzenpolitiker, den thüringischen Parteichef Björn Höcke. Er wurde kürzlich wegen des Verwendens von Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen verurteilt. Und der Richterspruch des Oberverwaltungsgerichts Münster gilt gar für die ganze Partei: Der Bundesverfassungsschutz darf die AfD demnach als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen und geheimdienstlich beobachten. Das Gericht sieht „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte“dafür, dass es in der Partei Bestrebungen gibt, „die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind“(siehe Info).
Aktivist auf AfDWahlliste
in Trier Das alles scheint weit weg von Trier zu sein. Doch auch in der rheinland-pfälzischen AfD pflegen die Mitglieder teils sehr enge Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen – etwa völkischen Burschenschaften. Gleich mehrere führende Politiker der Landespartei sind Mitglied in der Burschenschaft Germania Halle zu Mainz – darunter Sebastian Münzenmaier, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag.
Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz hat die Gruppe kürzlich zum Beobachtungsobjekt erklärt, weil es „verfassungsfeindliche Bestrebungen“gebe und eine „kontinuierliche rechtsextremistische und völkische Weltanschauung existiere. Und offenbar reichen solche Beziehungen zu extrem rechten Gruppierungen bis in die lokale Ebene Triers und Trier-Saarburgs hinein. Marcel Phillips etwa, Chef der Jungen Alternative Rheinland-Pfalz, der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Nachwuchsorganisation der Partei, führt die Liste im Kreis Trier-Saarburg an. In der Stadt steht mit Mirco Kos ebenfalls ein ehemaliger Funktionsträger der JA auf der Liste.
Wie Recherchen des Trierischen Volksfreunds nun ergeben haben, gehen die lokalen Beziehungen zwischen AfD und rechtsextremen Kreisen aber noch tiefer. Auf der AfD-Liste
zur Wahl des Trierer Stadtrats am 9. Juni steht nach Erkenntnissen der Redaktion unserer Zeitung auch ein Aktivist der Revolte Rheinland. Laut Verfassungsschutz gilt sie als Nachfolgeorganisation der rechtsextremen Identitären Bewegung in Rheinland-Pfalz. Unserer Redaktion liegen Fotos vor, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit diesen AfD-Mann für den Trierer Stadtrat bei mindestens zwei Aktionen der Revolte Rheinland zeigen. Bei einer Aktion, die von den Aktivisten im Juni 2023 selbst auf Telegram geteilt wurde, posieren drei teilweise vermummte Mitglieder vor einer schwarz-rot-goldenen sogenannten Odal-Rune – dem Logo der Revolte –, die sie an eine Wand in Trier gesprayt haben. Die Odal-Rune wurde laut Bundesverfassungsschutz zu Zeiten des Nationalsozialismus als Symbol für „Blut und Boden“verklärt.
White-Power-Zeichen Zwei Personen auf dem Foto – einer davon offensichtlich der Trierer Stadtratskandidat – zeigen im Anschluss an die Spray-Aktion triumphierend das White-Power-Zeichen. Das dem OK-Handzeichen ähnelnde Symbol steht in rechtsextremen Kreisen für die Vormacht der Weißen. Quellen aus professionellen Kreisen sowie aus dem erweiterten Umfeld des Kandidaten bestätigen im Gespräch mit dem Trierischen
nach Guerilla
Volksfreund die Identität des Mannes sowie die Übereinstimmung der persönlichen Merkmale auf Vergleichsfotos, obwohl der Mann bei der Aktion teilweise vermummt ist. Der Trierer AfD-Spitzenkandidat und ehemalige AfD-Landesvorsitzende Michael Frisch zeigte sich kürzlich mit dieser Person bei einem Wahlkampfstand der AfD in Trier.
Was sich so selbstverständlich anhört – ein rechtsextremer Aktivist engagiert sich in einer in Teilen rechtsextremen Partei – hat die AfD selbst erst kürzlich ausgeschlossen. Im Dezember setzte die Partei die Revolte Rheinland auf ihre Unvereinbarkeitsliste (siehe Info). Darauf finden sich eine Reihe von Organisationen, deren Mitglieder nicht zugleich der AfD angehören dürfen. Die Revolte Rheinland wird darin als vom Verfassungsschutz bundesweit beobachtete rechtsextremistische Organisation aus Rheinland-Pfalz aufgeführt (siehe Info). Der Parteilogik zufolge könnte der Mann aus Trier also nicht gleichzeitig bei der Revolte sein und als AfDler für den Trierer Stadtrat kandidieren.
Kreisverbandschef: Kein Grund für Zweifel an demokratischer Gesinnung
Der in der AfD umstrittene Kreisverbandschef Michael Frisch erklärte auf Anfrage unserer Redaktion vor wenigen Tagen, dass der Partei solche von der Redaktion „unterstellten außerparteilichen Aktivitäten“nicht bekannt seien. „Insofern besteht auch keine Veranlassung für uns, Konsequenzen daraus zu ziehen“, sagte Frisch. „Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir alle unsere Kandidaten sorgfältig geprüft haben und daher keinerlei Grund besteht, an ihrer demokratischen Gesinnung zu zweifeln.“Die genauen Kriterien der Überprüfung erläuterte Frisch nicht.
Frischs Abstreiten hielt nicht lange stand. Dem SWR, der ebenfalls über den Kandidaten berichtet, sagte der Trierer AfD-Chef: Der Mann habe erklärt, im vergangenen Jahr „lose Kontakte“zu Revolte Rheinland gehabt zu haben. Trotz dieser Bestätigung erklärte Frisch weiter, die AfD sei überzeugt davon, dass der Kandidat „fest auf dem Boden unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung“stehe. Der Mann selbst ließ eine Anfrage unserer Redaktion über den AfD-Kreisverband unbeantwortet.
Der aktuelle Stadtratskandidat ist indes nicht die erste Person aus rechtsextremistischen Kreisen, mit der sich Frisch umgibt. Schon 2021 flog auf, dass der Trierer AfD-Mann einen rechtsextremen Mitarbeiter in seiner Stadtratsfraktion beschäftigt hatte: Benjamin S. Dieser war noch 2011 für die NPD in seinem Heimatwahlkreis in Baden-Württemberg als Direktkandidat bei der Landtagswahl angetreten.
Laut einem damaligen Bericht des Magazins Report Mainz ging sein rechtsextremes Engagement weit über das Politische hinaus. Das Bundeskriminalamt habe S. sogar als Gewalttäter rechts geführt, hieß es da. Und auch das Landeskriminalamt habe gegen den Mann, der später für die Identitäre Bewegung und die Revolte Rheinland aktiv war, ermittelt. Frisch gab damals an, dass er von der NPD-Mitgliedschaft gewusst habe. Lange Gespräche hätten ihn allerdings überzeugt, dass S. sich von dem rechtsextremistischen Gedankengut gelöst habe. Lange währte das jedoch offensichtlich nicht: Nachdem er kein Mitarbeiter Frischs mehr war, ist S. 2019 mehrfach im Kontext der rechtsextremen Identitären Bewegung aufgetaucht – unter anderem bei einem Infostand in Hermeskeil.
Fragwürdige Kandidaten auch in anderen Kommunen
Die sogenannte Unvereinbarkeit scheint die Partei ohnehin nicht ganz so ernst zu nehmen. In Koblenz gibt es einen weiteren Konflikt mit Organisationen auf der Unvereinbarkeitsliste. Dort hat die AfD laut SWR-Recherchen ebenfalls einen Kandidaten mit Verbindungen zur Revolte Rheinland auf die Stadtratsliste gesetzt.