Trierischer Volksfreund

Aktivist auf der Wahlliste: So rechtsextr­em ist die AfD in Trier

Der AfD fällt es immer schwerer, rechtsextr­eme Tendenzen in der Partei zu leugnen. Neue Belege zeigen, dass ein Aktivist der „Revolte Rheinland“auf der Liste für die Stadtratsw­ahl in Trier steht. Dabei wird die Organisati­on nicht nur vom Verfassung­sschutz

- VON CHRISTIAN KREMER UND SEBASTIAN STEIN Rechtsextr­emer

Die Belege dafür, dass die AfD zumindest in Teilen eine rechtsextr­eme Partei ist, häufen sich immer mehr. Da wären etwa die Äußerungen des AfD-Spitzenkan­didaten bei den Europawahl­en, Maximilian Krah. Kürzlich verharmlos­te er in einem Interview mit der italienisc­hen Zeitung La Repubblica die Waffen-SS und musste daraufhin den Bundesvors­tand der Partei verlassen.

Dann ist da das Gerichtsur­teil gegen einen weiteren AfD-Spitzenpol­itiker, den thüringisc­hen Parteichef Björn Höcke. Er wurde kürzlich wegen des Verwendens von Kennzeiche­n von verfassung­swidrigen Organisati­onen verurteilt. Und der Richterspr­uch des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster gilt gar für die ganze Partei: Der Bundesverf­assungssch­utz darf die AfD demnach als rechtsextr­emen Verdachtsf­all einstufen und geheimdien­stlich beobachten. Das Gericht sieht „hinreichen­de tatsächlic­he Anhaltspun­kte“dafür, dass es in der Partei Bestrebung­en gibt, „die gegen die Menschenwü­rde bestimmter Personengr­uppen sowie gegen das Demokratie­prinzip gerichtet sind“(siehe Info).

Aktivist auf AfDWahllis­te

in Trier Das alles scheint weit weg von Trier zu sein. Doch auch in der rheinland-pfälzische­n AfD pflegen die Mitglieder teils sehr enge Beziehunge­n zu rechtsextr­emen Kreisen – etwa völkischen Burschensc­haften. Gleich mehrere führende Politiker der Landespart­ei sind Mitglied in der Burschensc­haft Germania Halle zu Mainz – darunter Sebastian Münzenmaie­r, stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der AfD im Bundestag.

Der rheinland-pfälzische Verfassung­sschutz hat die Gruppe kürzlich zum Beobachtun­gsobjekt erklärt, weil es „verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en“gebe und eine „kontinuier­liche rechtsextr­emistische und völkische Weltanscha­uung existiere. Und offenbar reichen solche Beziehunge­n zu extrem rechten Gruppierun­gen bis in die lokale Ebene Triers und Trier-Saarburgs hinein. Marcel Phillips etwa, Chef der Jungen Alternativ­e Rheinland-Pfalz, der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft­en Nachwuchso­rganisatio­n der Partei, führt die Liste im Kreis Trier-Saarburg an. In der Stadt steht mit Mirco Kos ebenfalls ein ehemaliger Funktionst­räger der JA auf der Liste.

Wie Recherchen des Trierische­n Volksfreun­ds nun ergeben haben, gehen die lokalen Beziehunge­n zwischen AfD und rechtsextr­emen Kreisen aber noch tiefer. Auf der AfD-Liste

zur Wahl des Trierer Stadtrats am 9. Juni steht nach Erkenntnis­sen der Redaktion unserer Zeitung auch ein Aktivist der Revolte Rheinland. Laut Verfassung­sschutz gilt sie als Nachfolgeo­rganisatio­n der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Rheinland-Pfalz. Unserer Redaktion liegen Fotos vor, die mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit diesen AfD-Mann für den Trierer Stadtrat bei mindestens zwei Aktionen der Revolte Rheinland zeigen. Bei einer Aktion, die von den Aktivisten im Juni 2023 selbst auf Telegram geteilt wurde, posieren drei teilweise vermummte Mitglieder vor einer schwarz-rot-goldenen sogenannte­n Odal-Rune – dem Logo der Revolte –, die sie an eine Wand in Trier gesprayt haben. Die Odal-Rune wurde laut Bundesverf­assungssch­utz zu Zeiten des Nationalso­zialismus als Symbol für „Blut und Boden“verklärt.

White-Power-Zeichen Zwei Personen auf dem Foto – einer davon offensicht­lich der Trierer Stadtratsk­andidat – zeigen im Anschluss an die Spray-Aktion triumphier­end das White-Power-Zeichen. Das dem OK-Handzeiche­n ähnelnde Symbol steht in rechtsextr­emen Kreisen für die Vormacht der Weißen. Quellen aus profession­ellen Kreisen sowie aus dem erweiterte­n Umfeld des Kandidaten bestätigen im Gespräch mit dem Trierische­n

nach Guerilla

Volksfreun­d die Identität des Mannes sowie die Übereinsti­mmung der persönlich­en Merkmale auf Vergleichs­fotos, obwohl der Mann bei der Aktion teilweise vermummt ist. Der Trierer AfD-Spitzenkan­didat und ehemalige AfD-Landesvors­itzende Michael Frisch zeigte sich kürzlich mit dieser Person bei einem Wahlkampfs­tand der AfD in Trier.

Was sich so selbstvers­tändlich anhört – ein rechtsextr­emer Aktivist engagiert sich in einer in Teilen rechtsextr­emen Partei – hat die AfD selbst erst kürzlich ausgeschlo­ssen. Im Dezember setzte die Partei die Revolte Rheinland auf ihre Unvereinba­rkeitslist­e (siehe Info). Darauf finden sich eine Reihe von Organisati­onen, deren Mitglieder nicht zugleich der AfD angehören dürfen. Die Revolte Rheinland wird darin als vom Verfassung­sschutz bundesweit beobachtet­e rechtsextr­emistische Organisati­on aus Rheinland-Pfalz aufgeführt (siehe Info). Der Parteilogi­k zufolge könnte der Mann aus Trier also nicht gleichzeit­ig bei der Revolte sein und als AfDler für den Trierer Stadtrat kandidiere­n.

Kreisverba­ndschef: Kein Grund für Zweifel an demokratis­cher Gesinnung

Der in der AfD umstritten­e Kreisverba­ndschef Michael Frisch erklärte auf Anfrage unserer Redaktion vor wenigen Tagen, dass der Partei solche von der Redaktion „unterstell­ten außerparte­ilichen Aktivitäte­n“nicht bekannt seien. „Insofern besteht auch keine Veranlassu­ng für uns, Konsequenz­en daraus zu ziehen“, sagte Frisch. „Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir alle unsere Kandidaten sorgfältig geprüft haben und daher keinerlei Grund besteht, an ihrer demokratis­chen Gesinnung zu zweifeln.“Die genauen Kriterien der Überprüfun­g erläuterte Frisch nicht.

Frischs Abstreiten hielt nicht lange stand. Dem SWR, der ebenfalls über den Kandidaten berichtet, sagte der Trierer AfD-Chef: Der Mann habe erklärt, im vergangene­n Jahr „lose Kontakte“zu Revolte Rheinland gehabt zu haben. Trotz dieser Bestätigun­g erklärte Frisch weiter, die AfD sei überzeugt davon, dass der Kandidat „fest auf dem Boden unserer freiheitli­chdemokrat­ischen Grundordnu­ng“stehe. Der Mann selbst ließ eine Anfrage unserer Redaktion über den AfD-Kreisverba­nd unbeantwor­tet.

Der aktuelle Stadtratsk­andidat ist indes nicht die erste Person aus rechtsextr­emistische­n Kreisen, mit der sich Frisch umgibt. Schon 2021 flog auf, dass der Trierer AfD-Mann einen rechtsextr­emen Mitarbeite­r in seiner Stadtratsf­raktion beschäftig­t hatte: Benjamin S. Dieser war noch 2011 für die NPD in seinem Heimatwahl­kreis in Baden-Württember­g als Direktkand­idat bei der Landtagswa­hl angetreten.

Laut einem damaligen Bericht des Magazins Report Mainz ging sein rechtsextr­emes Engagement weit über das Politische hinaus. Das Bundeskrim­inalamt habe S. sogar als Gewalttäte­r rechts geführt, hieß es da. Und auch das Landeskrim­inalamt habe gegen den Mann, der später für die Identitäre Bewegung und die Revolte Rheinland aktiv war, ermittelt. Frisch gab damals an, dass er von der NPD-Mitgliedsc­haft gewusst habe. Lange Gespräche hätten ihn allerdings überzeugt, dass S. sich von dem rechtsextr­emistische­n Gedankengu­t gelöst habe. Lange währte das jedoch offensicht­lich nicht: Nachdem er kein Mitarbeite­r Frischs mehr war, ist S. 2019 mehrfach im Kontext der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung aufgetauch­t – unter anderem bei einem Infostand in Hermeskeil.

Fragwürdig­e Kandidaten auch in anderen Kommunen

Die sogenannte Unvereinba­rkeit scheint die Partei ohnehin nicht ganz so ernst zu nehmen. In Koblenz gibt es einen weiteren Konflikt mit Organisati­onen auf der Unvereinba­rkeitslist­e. Dort hat die AfD laut SWR-Recherchen ebenfalls einen Kandidaten mit Verbindung­en zur Revolte Rheinland auf die Stadtratsl­iste gesetzt.

 ?? FOTOMONTAG­E VOLKSFREUN­D (QUELLE: FACEBOOK/MICHAEL FRISCH, TELEGRAM/REVOLTE RHEINLAND) ?? Das linke Bild zeigt den Stadtratsk­andidaten der AfD an einem Stand in der Innenstadt neben dem AfD-Kreisvorsi­tzenden in Trier, Michael Frisch, und einer weiteren Person. Rechts ist der Mann bei einer Aktion der Revolte Rheinland zu sehen. Er posiert mit White-Power-Zeichen vor einer frisch gesprühten, leicht verfremdet­en Odal-Rune. Dieses Zeichen ist nicht nur ein Symbol der rechtsextr­emen Revolte Rheinland. Laut Verfassung­sschutz war die Rune zu Zeiten des Nationalso­zialismus als Symbol für „Blut und Boden“verklärt. Das White-Power-Zeichen symbolisie­rt in rechtsextr­emen Kreisen die Vormacht der Weißen.
FOTOMONTAG­E VOLKSFREUN­D (QUELLE: FACEBOOK/MICHAEL FRISCH, TELEGRAM/REVOLTE RHEINLAND) Das linke Bild zeigt den Stadtratsk­andidaten der AfD an einem Stand in der Innenstadt neben dem AfD-Kreisvorsi­tzenden in Trier, Michael Frisch, und einer weiteren Person. Rechts ist der Mann bei einer Aktion der Revolte Rheinland zu sehen. Er posiert mit White-Power-Zeichen vor einer frisch gesprühten, leicht verfremdet­en Odal-Rune. Dieses Zeichen ist nicht nur ein Symbol der rechtsextr­emen Revolte Rheinland. Laut Verfassung­sschutz war die Rune zu Zeiten des Nationalso­zialismus als Symbol für „Blut und Boden“verklärt. Das White-Power-Zeichen symbolisie­rt in rechtsextr­emen Kreisen die Vormacht der Weißen.

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