Leistung statt Lautstärke: Profi-Köchin Sarah Bau
Sarah Bau findet, dass Frauen heutzutage für die Spitzengastronomie mindestens genauso viel zu leisten imstande sind wie ihre männlichen Kollegen und erklärt auch warum. Wir stellen die Sous- Chefin des Drei-Sterne-Restaurants Victor’s in unserer Reihe üb
Es geht hoch her an diesem Freitagnachmittag in der Küche des Restaurants Victor`s im Schloss Berg bei Perl-Nennig. Die neun Köchinnen und Köche arbeiten unter Volldampf an der Mise en Place, den Vorbereitungen für den abendlichen Service im Drei-Michelin-Sterne Haus, einem der besten Restaurants der Welt.
Da sind sich alle Restaurant-Guides einig, Christian Bau gehört zur absoluten Elite der Künstler am Herd. Ohne seine Brigade, das betont er immer wieder, wäre er allerdings nichts und die wird angeführt von seiner – ihm frisch angetrauten – Sous-Chefin Sarah Bau.
Trotz höchster Anspannung, denn die perfekte Vorbereitung ist mehr als die halbe Miete für das Gelingen der allabendlich gefragten Meisterleistung, nimmt sich Sarah Zeit für den Volksfreund-Reporter. Zu wichtig ist ihr das Thema, die Frage, warum Frauen in solchen Jobs auch heute noch unterrepräsentiert sind. Dass man es nämlich – mit Geduld und Spucke – schaffen kann, das beweist die aus Remscheid in Nordrhein-Westfalen stammende 30-Jährige jeden Tag aufs Neue.
Das liegt auch daran, dass sich in den vergangenen rund 20 Jahren nicht nur der Koch-Stil erneuert hat, die Produkte, die internationalen Einflüsse, sondern auch der Stil des Umgangs miteinander im Allgemeinen und mit Frauen im Speziellen.
Es wird einfach weniger gebrüllt in den Küchen, man gibt den Mitarbeitenden eine höhere Wertschätzung. Das heißt aber nicht, dass weniger Druck herrscht. Denn: Die Hierarchien müssen funktionieren, damit die Abläufe präzise passen, damit die Speisen gleichzeitig und auf höchstem Niveau fertig sind. Eine Herkulesaufgabe.
„Da wird der Chef auch schon mal laut und deutlich, aber es geht immer um die Sache, das wissen die Kollegen auch“, sagt Sarah Bau. Ihre Aufgabe als rechte Hand ihres Mannes sei es dann, die Brigade auf „weibliche“Art zu pushen. Mit Verständnis, guter Kommunikation und Empathie ließe sich da einiges ausrichten.
In Sachen Qualität wird allerdings nicht diskutiert, in der ChampionsLeague darf man sich keine Fehler erlauben. Alle haben ihre definierten Aufgaben und wissen, was zu tun ist. Im Service, wenn Teller auf Teller und Tisch auf Tisch geschickt werden muss, hilft jeder jedem. Wenn die Vorspeisen angerichtet werden, hilft dem zuständigen Gardemanger auch schon mal die Patissière, wenn
die Süßspeisen später dran sind, ist es umgekehrt.
Diesen Teamspirit aufrechtzuerhalten, das ist eine der Aufgaben der Sous-Chefin. Einmal am Tag essen alle zusammen eine gute, warme Mahlzeit, gerne Hausmannskost, einen Eintopf, ein Gulasch oder einen Leberkäse.
Die elterliche Gaststätte war einst der Grundstein für die außergewöhnliche Köchin. Dort ging es quasi rund um die Uhr zur Sache und die junge Sarah durfte mithelfen. Durfte? Ja, „durfte“, sagt sie, sie habe das mit Stolz getan. Und das Taschengeld verbesserte sich natürlich auch. Nach dem Fach-Abi war für die Gastronomen-Tochter aus dem Bergischen klar: Es muss eine Kochlehre sein.
Die erste Adresse dafür war damals in der Gegend das Michelin-besternte Restaurant Heldmann. Handwerklich, produktfokussiert wurde (und wird) dort gekocht, Fonds und Jus selbst angesetzt, wie sich das gehört. Sarah kam gut zurecht in der kleinen Küche, durfte früh Verantwortung übernehmen, wurde nach der Ausbildung mit Kusshand übernommen. Eine Küche ohne Schnörkel, damals. „Keine kleinen Elemente“, wie sie in Drei-Sterne-Häusern heute zelebriert werden, so nennt Sarah Bau das. Wenn sie nun Gurkenstrukturen oder die berühmten Meeresfrüchte in der Stabmuschel anrichtet, ist schon mehr filigranes Feingefühl gefragt. Ihr war schon in der bergischen Heimat klar: Danach muss noch etwas kommen, ich kann und ich will mehr. Auf Instagram fiel ihr ein Post des Victor's von Christian Bau auf, der schon seit 2005 drei Sterne hält. Es waren noch andere Restaurants im Focus der jungen Köchin, doch nach dem Vorstellungsgespräch an der Obermosel war klar: Das ist es.
Mittlerweile ist sie über acht Jahre im Victor's, Christian Bau erkannte und förderte das Talent und machte Sarah schließlich zu seiner Sous-Chefin. Auf vielen Dienstreisen durch die ganze Welt, beispielsweise nach Hongkong oder Bangkok, war sie
seine rechte Hand. So unlängst bei einem Höhepunkt ihrer beider Karriere: Ein Dinner in der deutschen Botschaft von Paris zu Ehren des Jahrhundertkochs Alain Ducasse. Aus dem Anlass hat der saarländische Rundfunk die Baus und ihre Mannschaft nach Paris begleitet und eine hochinteressante Doku gedreht, die in der Mediathek abrufbar ist. Eins noch zur Einordnung: Christian und Sarah Bau sind immer in ihrer Küche. Gastspiele oder sogenannte Four-Hands-Dinner mit Gegenbesuchen von und bei bekannten Kollegen finden ausschließlich an den Schließungs-Tagen des Restaurants statt. Darauf legen die beiden Wert, dem Restaurant-Gast gebührt die ganze Aufmerksamkeit der Chefs.
Und so verbringen die beiden viel Zeit miteinander und da hat es dann offensichtlich irgendwann gefunkt. Sie verlieben sich ineinander, werden ein Paar und heiraten schließlich. Happy – End nicht abzusehen. Sie sagt, sie habe seine kulinarische Experimentierfreude nochmal gepusht. Es gehört tatsächlich ein bisschen Mut dazu, in den Straßen von Honkong oder Bangkok aus den Töpfen der offenen Garküchen zu essen. Da muss sie schmunzeln. Die knappe Freizeit verbringen sie in Ruhe, ab und zu mit Wellness und Sauna. Oder ebenfalls in der Champions-League, beim FC Bayern. Da zieht dann auch schon mal der Promi-Bonus, um an Karten zu kommen. Seit Starköchinnen zurecht selbst prominent sind, ist das möglich.
Heutzutage sei es kein Kriterium mehr, ob man sich in einer Küchenbrigade als Mann oder als Frau bewerbe. Wichtig seien allein die Motivation, der Eigenantrieb, der aus einem selbst kommen müsse, sagt Sarah Bau. In Perl habe es schon Zeiten gegeben, als die Hälfte der Mitarbeitenden in der Küche Frauen waren. Für die zähle Leistung statt Lautstärke, zudem hätten Frauen eine andere Art zu kommunizieren als mancher vom Testosteron gesteuerte Mann. Frauen sorgen für ein gutes Betriebsklima, weiß sie.
Manch` anderer Souschef versuche mittels Lautstärke dem Chef zu zeigen,
dass er die Lage im Griff habe, sie habe das nicht nötig. Mit Frauen seien auch die Gespräche in der Küche anders. Und die männlichen Kollegen, vom Zwang zum Gegockel befreit, erwiesen sich durchaus als Gentlemen: „Wenn es etwas Schweres aus den unteren Geschossen zu holen gilt, machen das selbstverständlich die Männer“, sagt die zierliche Frau.
Eine private Frage noch, Sarah Bau: Wie kann es denn sein, dass eine Frau sich ausgerechnet in den Typen verliebt, der vorne am Pass steht und ihr permanent Druck macht? Da muss sie noch mal lachen und gibt die zwar erwartete, aber ganz offensichtlich ehrliche Antwort: „Privat ist er ganz anders!“
Und dann, der Nachmittag ist schon fortgeschritten, ist die Zeit um. Sie muss wieder in die Küche, ungeduldig erwartet vom Chef und Ehemann. Die Gäste haben Priorität vor der Publicity.