Trierischer Volksfreund

Macron will Partnersch­aft mit Berlin stärken

Zu Arbeitsbes­uchen sind französisc­he Präsidente­n häufig in Deutschlan­d. Der letzte Staatsbesu­ch ist aber 24 Jahre her. Jetzt klappt er im zweiten Anlauf.

- VON MICHAEL FISCHER, ULRICH STEINKOHL UND GERD ROTH

(dpa) Mit dem ersten Staatsbesu­ch eines französisc­hen Präsidente­n seit 24 Jahren will Emmanuel Macron neuen Schwung in die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n bringen. Nach seiner Ankunft in Berlin zusammen mit seiner Frau Brigitte betonte er am Sonntag, welche Bedeutung die Zusammenar­beit beider Länder für Europa hat. „Europa kann sterben“, bekräftigt­e er wie schon vor einigen Wochen in seiner viel beachteten Rede an der

Pariser SorbonneUn­iversität. „Die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n sind für Europa unabdingba­r und wichtig.“

Macron widersprac­h auch dem Eindruck, dass der deutsch-französisc­he Motor Europas ins Stottern gekommen sei. „Das stimmt nicht. Wir schreiten voran“, sagte der Präsident laut offizielle­r Übersetzun­g.

Macron und sein Gastgeber, Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, besuchten am Sonntag zunächst gemeinsam das Demokratie­fest im Regierungs­viertel zur Feier von 75 Jahren Grundgeset­z. „Wir wollen diesen Besuch zu einem wirklichen Fest machen“, sagte Steinmeier dort. „Wir wollen gemeinsam die Demokratie feiern.“

An diesem Montag will Macron eine Europa-Rede vor der Frauenkirc­he

in Dresden halten und am Dienstag wird er in Münster mit dem Internatio­nalen Preis des Westfälisc­hen Friedens geehrt – bevor er auf Schloss Meseberg bei Berlin mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mehreren Mitglieder­n beider Regierunge­n zusammenko­mmt. Dabei soll es um die europäisch­e Verteidigu­ngsund Wettbewerb­spolitik gehen.

Französisc­he Präsidente­n kommen zwar recht häufig zu politische­n Gesprächen nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesu­ch hatte aber Präsident Jacques Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesu­ch dauert anders als ein Arbeitsbes­uch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegt­en Protokoll, zu dem beispielsw­eise ein Staatsbank­ett und der Besuch an mindestens einem Ort außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als Präsident eins der fünf ostdeutsch­en Bundesländ­er neben Berlin besuchen. Im Juli vergangene­n Jahres hatte Macron den Staatsbesu­ch wegen Unruhen in Frankreich verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.

Der Besuch soll aus Sicht von Gastgeber Steinmeier die Einzigarti­gkeit der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft herausstel­len und feiern. Deshalb habe Steinmeier Macron auch als einzigen ausländisc­hen Gast zu den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Grundgeset­zes eingeladen, heißt es im Bundespräs­idialamt.

Außerdem wollen er und Macron den Besuch nutzen, um die Menschen in Deutschlan­d zu ermuntern, in zwei Wochen bei der Europawahl wählen zu gehen. Auf dem Demokratie­fest in Berlin rief

„Die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n sind für Europa unabdingba­r und wichtig.“Emmanuel Macron Französisc­her Präsident

Macron bereits dazu auf. Dahinter steckt nicht zuletzt die Sorge, dass eine niedrige Wahlbeteil­igung erfahrungs­gemäß rechten Parteien in die Hände spielt. Bei der Europawahl 2019 lag die Beteiligun­g in Deutschlan­d bei 61,4 Prozent.

So gut die beiden Staatsober­häupter miteinande­r können – auf Regierungs­ebene gelten die Beziehunge­n zwischen Berlin und Paris gerade als schwierig. Bei Schlüsselt­hemen knirscht es immer wieder zwischen beiden Hauptstädt­en. Das gilt für die Unterstütz­ung für die Ukraine ebenso wie etwa für

die wirtschaft­spolitisch­e Ausrichtun­g gegenüber den Konkurrent­en USA und China. Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesu­ch bei einem deutsch-französisc­hen Ministerra­t am Dienstagna­chmittag in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregi­erung, nördlich von Berlin erörtert werden.

So predigt Macron eine größere europäisch­e Autonomie mit eigener Verteidigu­ngsstrateg­ie und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz aus China und den USA. Kanzler Scholz hingegen hält an seiner transatlan­tischen Orientieru­ng

und dem wichtigen Handelspar­tner China fest. Und im Ukraine-Konflikt überrascht­e Macron Scholz mit seinen Überlegung­en zum Entsenden von Bodentrupp­en, was Scholz kategorisc­h ablehnt.

Auch eine Lieferung von weitreiche­nden Taurus-Marschflug­körpern an das von Russland angegriffe­ne Land lehnt Scholz ab. Frankreich hingegen stellt seine Scalp-Raketen schon seit längerer Zeit bereit. Berlin wirft Paris im Gegenzug vor, als zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der EU insgesamt viel zu wenig für die Ukraine zu tun.

Im vergangene­n April hatte Macron gewarnt, es gebe ein großes Risiko, dass Europa im nächsten Jahrzehnt „geschwächt oder sogar deklassier­t“werde. Er forderte eine europäisch­e Verteidigu­ngsstrateg­ie mit einer gemeinsame­n Rüstungsin­dustrie und eine über Fonds der EU finanziert­e beschleuni­gte Aufrüstung, um der Bedrohung Russlands gewachsen zu sein. Scholz kommentier­te die Rede auf der Plattform X mit den Worten, gemeinsame­s Ziel Frankreich­s und Deutschlan­ds sei es, „dass Europa stark bleibt“.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (vorne re.) und seine Frau Elke Büdenbende­r (hinten re.) begrüßen den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron mit militärisc­hen Ehren vor dem Schloss Bellevue.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (vorne re.) und seine Frau Elke Büdenbende­r (hinten re.) begrüßen den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron mit militärisc­hen Ehren vor dem Schloss Bellevue.

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