Macron will Partnerschaft mit Berlin stärken
Zu Arbeitsbesuchen sind französische Präsidenten häufig in Deutschland. Der letzte Staatsbesuch ist aber 24 Jahre her. Jetzt klappt er im zweiten Anlauf.
(dpa) Mit dem ersten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit 24 Jahren will Emmanuel Macron neuen Schwung in die deutsch-französischen Beziehungen bringen. Nach seiner Ankunft in Berlin zusammen mit seiner Frau Brigitte betonte er am Sonntag, welche Bedeutung die Zusammenarbeit beider Länder für Europa hat. „Europa kann sterben“, bekräftigte er wie schon vor einigen Wochen in seiner viel beachteten Rede an der
Pariser SorbonneUniversität. „Die deutsch-französischen Beziehungen sind für Europa unabdingbar und wichtig.“
Macron widersprach auch dem Eindruck, dass der deutsch-französische Motor Europas ins Stottern gekommen sei. „Das stimmt nicht. Wir schreiten voran“, sagte der Präsident laut offizieller Übersetzung.
Macron und sein Gastgeber, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, besuchten am Sonntag zunächst gemeinsam das Demokratiefest im Regierungsviertel zur Feier von 75 Jahren Grundgesetz. „Wir wollen diesen Besuch zu einem wirklichen Fest machen“, sagte Steinmeier dort. „Wir wollen gemeinsam die Demokratie feiern.“
An diesem Montag will Macron eine Europa-Rede vor der Frauenkirche
in Dresden halten und am Dienstag wird er in Münster mit dem Internationalen Preis des Westfälischen Friedens geehrt – bevor er auf Schloss Meseberg bei Berlin mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mehreren Mitgliedern beider Regierungen zusammenkommt. Dabei soll es um die europäische Verteidigungsund Wettbewerbspolitik gehen.
Französische Präsidenten kommen zwar recht häufig zu politischen Gesprächen nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesuch hatte aber Präsident Jacques Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesuch dauert anders als ein Arbeitsbesuch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegten Protokoll, zu dem beispielsweise ein Staatsbankett und der Besuch an mindestens einem Ort außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als Präsident eins der fünf ostdeutschen Bundesländer neben Berlin besuchen. Im Juli vergangenen Jahres hatte Macron den Staatsbesuch wegen Unruhen in Frankreich verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.
Der Besuch soll aus Sicht von Gastgeber Steinmeier die Einzigartigkeit der deutsch-französischen Freundschaft herausstellen und feiern. Deshalb habe Steinmeier Macron auch als einzigen ausländischen Gast zu den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes eingeladen, heißt es im Bundespräsidialamt.
Außerdem wollen er und Macron den Besuch nutzen, um die Menschen in Deutschland zu ermuntern, in zwei Wochen bei der Europawahl wählen zu gehen. Auf dem Demokratiefest in Berlin rief
„Die deutsch-französischen Beziehungen sind für Europa unabdingbar und wichtig.“Emmanuel Macron Französischer Präsident
Macron bereits dazu auf. Dahinter steckt nicht zuletzt die Sorge, dass eine niedrige Wahlbeteiligung erfahrungsgemäß rechten Parteien in die Hände spielt. Bei der Europawahl 2019 lag die Beteiligung in Deutschland bei 61,4 Prozent.
So gut die beiden Staatsoberhäupter miteinander können – auf Regierungsebene gelten die Beziehungen zwischen Berlin und Paris gerade als schwierig. Bei Schlüsselthemen knirscht es immer wieder zwischen beiden Hauptstädten. Das gilt für die Unterstützung für die Ukraine ebenso wie etwa für
die wirtschaftspolitische Ausrichtung gegenüber den Konkurrenten USA und China. Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesuch bei einem deutsch-französischen Ministerrat am Dienstagnachmittag in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung, nördlich von Berlin erörtert werden.
So predigt Macron eine größere europäische Autonomie mit eigener Verteidigungsstrategie und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz aus China und den USA. Kanzler Scholz hingegen hält an seiner transatlantischen Orientierung
und dem wichtigen Handelspartner China fest. Und im Ukraine-Konflikt überraschte Macron Scholz mit seinen Überlegungen zum Entsenden von Bodentruppen, was Scholz kategorisch ablehnt.
Auch eine Lieferung von weitreichenden Taurus-Marschflugkörpern an das von Russland angegriffene Land lehnt Scholz ab. Frankreich hingegen stellt seine Scalp-Raketen schon seit längerer Zeit bereit. Berlin wirft Paris im Gegenzug vor, als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU insgesamt viel zu wenig für die Ukraine zu tun.
Im vergangenen April hatte Macron gewarnt, es gebe ein großes Risiko, dass Europa im nächsten Jahrzehnt „geschwächt oder sogar deklassiert“werde. Er forderte eine europäische Verteidigungsstrategie mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und eine über Fonds der EU finanzierte beschleunigte Aufrüstung, um der Bedrohung Russlands gewachsen zu sein. Scholz kommentierte die Rede auf der Plattform X mit den Worten, gemeinsames Ziel Frankreichs und Deutschlands sei es, „dass Europa stark bleibt“.