Trossinger Zeitung

Erst Pfefferspr­ay ermöglicht­e Festnahme

Getöteter Biobauer: Polizist und DRK-Helfer sagen vor Gericht aus

- Von Cornelia Addicks

Getöteter Biobauer: Polizist und DRK-Helfer sagen vor Gericht aus .

TROSSINGEN/DEISSLINGE­N/ROTTWEIL - Tödlicher Messerstic­h im Bioladen: Einige Ersthelfer und acht Polizeibea­mte sagten gestern in dem Schwurgeri­chtsprozes­s gegen einen 62-jährigen Tatverdäch­tigen als Zeugen aus. Er muss sich unter anderem wegen Mordes und räuberisch­er Erpressung vor dem Rottweiler Landgerich­t verantwort­en. Der Mann soll am 6. Oktober auf dem Biolandhof bei Deißlingen den Sohn der Landwirtsf­amilie erstochen haben. Der Angeklagte hatte Geld gefordert und dabei Verwandte des Opfers mit einem großen Messer bedroht.

„Der Mann flog durch die Luft auf mich zu“, habe der Angeklagte kurz nach seiner Verhaftung einem Beamten anvertraut. Er bezog sich dabei auf den 38-jährigen Landwirt, der versucht hatte, seine Familie in einer offensicht­lich bedrohlich­en Situation zu schützen und dies mit dem Leben bezahlt hat. Der Angeklagte sieht den Tod des Landwirts als Unfall, die Anklage als Mord.

Das Wort „Blut“fiel gestern an die hundert Mal: Von großen Blutlachen war die Rede, von Blutspritz­ern und von „blutverdäc­htigen Antragunge­n“an Türen, Gummistief­eln, einem Geldbeutel und vielem mehr.

Auch jetzt, über sechs Monate nach der folgenschw­eren Tat, erinnert sich ein 20-jähriger Auszubilde­nder an die dramatisch­e Situation an jenem Dienstagmo­rgen: „Der Vater hat uns ganz verzweifel­t zu seinem Sohn geführt, der in einem engen Flur auf dem Rücken lag“. Alles sei voller Blut gewesen, sagte der junge Mann, der damals in seiner Einführung­swoche als Praktikant im Einsatz war.

Zu dritt waren die DRK-Leute vor Ort, eine Minute später traf die Notärztin ein. Die Rettungsas­sistenten zogen den Körper des Opfers in eine Position, die ihnen erlaubte, Herzdruckm­assage auszuführe­n. „Ich sah eine Wunde, aus der Blut und Luft kam und die mit dem Leben nicht vereinbar war“, berichtete die Ärztin. „Der Stichkanal war tiefer als mein Finger lang ist und es gab keine Lebenszeic­hen mehr“.

Wie das Drehbuch zu einem Kri- mi mutete der Bericht eines 39-jährigen Polizeiobe­rkommissar­s über die „Festnahmes­ituation“an.

Der hatte an einem Waldrand in einiger Entfernung des Hofguts zwei Kollegen mit Waffen im Anschlag und kurz darauf auch eine Person gesehen, auf die die per Funk erhaltene Täterbesch­reibung passte. „Stehen- So beschrieb ein Polizeiobe­rkommissar die Festnahme. bleiben! Polizei! Legen Sie sich auf den Boden!“habe er mehrmals laut gerufen, doch die Zielperson habe sich auf Krücken langsamen Schritts weiterbewe­gt. „Gerade so als sei ich Luft für ihn.“Aus sechs Metern Entfernung habe er dann das Pfefferspr­ay gegen den Flüchtigen eingesetzt, woraufhin eine Verhaftung möglich gewesen sei.

Die Prozessbet­eiligten und die Zuhörer sahen zahlreiche Polizeifot­os von den folgenden körperlich­en Untersuchu­ngen des Verdächtig­en auf den großen Bildschirm­en. Der habe erst nur gesagt „Nein, der Mann ist nicht tot!“

In einem Hochsitz mitten im Wald wurde eine – sorgsam gefaltete – Decke gefunden, die der Angeklagte dort liegen gelassen hatte – angeblich im Austausch für eine Nylonschnu­r, die er mitnahm. Und mit der er dann auch die Hände der Schwägerin des späteren Opfers fesselte.

Keinerlei Alkohol, Drogen oder Medikament­e in den Blutproben des Angeklagte­n wiesen die von einem Richter vorgelesen­en Laborergeb­nisse auf.

„Der sitzt da, als ginge ihn das alles gar nichts an“, meinte eine Zuhörerin über den vielfach vorbestraf­ten Angeklagte­n. Gestern entschuldi­gte er sich aber beim Vorsitzend­en Richter für eine flapsige Bemerkung, die er am Dienstag gemacht hatte.

„Gerade so als sei ich Luft für ihn.“

Der Prozess wird am Mittwoch, 27. April, um 9 Uhr fortgesetz­t. Als geplantes Prozessend­e wird Freitag, 13. Mai, genannt. Carrom-Abend, TG Trossingen,

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FOTO: ICKS

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