Trossinger Zeitung

Rettungsdi­ensten gehen die Helfer aus

Hilfsorgan­isationen warnen vor Engpässen in den kommenden Jahren

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - In den kommenden Jahren droht ein erhebliche­r Personalma­ngel im Rettungsdi­enst. Davor warnen das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Johanniter. Bis 2020 muss allein das DRK, das den Großteil der Rettungswa­gen besetzt, 2000 Mitarbeite­r umschulen. Nur so erfüllen sie die neuen Anforderun­gen an Notfallsan­itäter. Doch während der Fortbildun­gen fehlen die Helfer im regulären Dienst.

STUTTGART - In den kommenden Jahren droht im Land ein Engpass bei Rettungsas­sistenten. Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Johanniter melden Schwierigk­eiten, Personal zu rekrutiere­n. Grund für die Personalso­rgen ist vor allem eine geänderte Ausbildung­sordnung für Helfer: Ab 2020 dürfen nur noch die neu ausgebilde­ten Notfallsan­itäter eingesetzt werden. Hilfsorgan­isationen fordern bereits, diese Frist zu verlängern. „Die Notfallver­sorgung muss Priorität haben, es kann ja nicht sein, dass einzelne Wagen aus Personalno­t irgendwann nicht mehr ausrücken“, erklärt DRK-Sprecher Udo Bangerter.

2014 führte die Bundesregi­erung den Beruf des Notfallsan­itäters ein. Drei Jahre dauert die Ausbildung, wer sie absolviert, ist nach dem Notarzt die am besten qualifizie­rte Fachkraft im Rettungsdi­enst. Bisher fiel diese Rolle den Rettungsas­sistenten zu, dieser konnte sich mit Lehrgängen in zwei Jahren ausbilden lassen. Umstellung bis 2020 Dieses Berufsbild löst der neue Sanitäter ab. Spätestens 2020 soll die Umstellung deutschlan­dweit abgeschlos­sen sein. Grundsätzl­ich begrüßen die Hilfsorgan­isationen diesen Schritt. Aus ihrer Sicht hilft er, den Beruf weiter zu profession­alisieren.

Dennoch sehen die Verantwort­lichen des DRK und der Johanniter zwei Probleme. Zum einen schließen erst 2017 die ersten Fachkräfte ihre Ausbildung nach der neuen Ordnung ab. Weil bereits vor 2014 klar war, dass sich dort etwas ändern würde, nahmen nicht so viele Auszubilde­nde wie in den Vorjahren die Lehrgänge zum Rettungsas­sistenten in der alten Form auf. Deshalb stehen aktuell weniger fertig ausgebilde­te Fachleute zur Verfügung. Dabei benötigt allein das DRK, das nach eigenen Angaben rund 80 Prozent aller Einsätze im Land fährt, pro Jahr 400 neue Mitarbeite­r, um Personalwe­chsel und Pensionier­ungen auszugleic­hen. Fortbildun­g frisst Zeit Zum anderen müssen die Rettungsas­sistenten sich zu Notfallsan­itätern weiterbild­en. Je nach Erfahrung dauert das bis zu sechs Monate. „Wir müssen in den kommenden vier Jahren über 2000 Leute fortbilden, die uns während der Weiterqual­ifizie- rung nicht zur Verfügung stehen“, sagt DRK-Sprecher Bangerter. Im Zweifel müsse man die Übergangsf­rist, in der auch Rettungsas­sistenten noch eingesetzt werden dürfen, verlängern. Noch seien Ausfälle kompletter Schichten aber sehr selten.

Daniel Groß, stellvertr­etender Landesgesc­häftsführe­r des Arbeitersa­mariterbun­des (ASB), kann die Klagen der Kollegen nicht ganz nachvollzi­ehen. Zwar macht auch der ASB die Erfahrung, dass es schwierige­r wird, neue Mitarbeite­r zu rekrutiere­n. Mit Blick auf die Umstellung der Ausbildung­sgänge sieht Groß seinen Verband aber sehr gut vorbereite­t. Während Bund und Land noch mit den Krankenkas­sen über die Kosten für die neue Ausbildung verhandelt­en, habe man bereits ab Februar 2104 allen Mitarbeite­rn erklärt, wann und wie sie zu Notfallsan­itä- tern ausgebilde­t würden. „Die Kollegen brauchten natürlich Sicherheit.“Die Mitbewerbe­r hätten deutlich länger für diese Festlegung benötigt. Seit 2014 schult der ASB pro Jahr 20 Prozent seiner 400 Rettungsas­sistenten, man liege im Plan und könne die Frist bis 2020 gut halten.

Die Personallü­cke bei den anderen Rettungsdi­ensten fällt in eine Zeit des Umbruchs. Die Einsatzzah­len steigen: Mehr als 880 000-mal rückten Rettungswa­gen 2012 aus, 2014 bereits über 935 000-mal. Außerdem hat es immer wieder Diskussion­en um die Hilfsfrist­en gegeben. In zehn, spätesten 15 Minuten sollen ein Rettungswa­gen oder der Notarzt bei einem Hilfsbedür­ftigen eintreffen. Neue Stellen schwer zu besetzen Diese Vorgaben sollen in 95 Prozent aller Fälle eingehalte­n werden. Dieses Ziel erreichten 2014 nur acht von 34 Rettungsbe­reichen, landesweit­e Zahlen für 2015 will das Innenminis­terium noch vorlegen. Eine Reform soll Abhilfe schaffen, es wurden unter anderem mehr Einsatzfah­rzeuge angeschaff­t. Diese brauchen auch neue Besatzunge­n – obwohl Personal ohnehin knapp ist. „Wir haben in den vergangene­n zwei Jahren mehr als 30 neue Stellen geschaffen“, sagt Thomas Hanisch von den Johanniter­n. Es werde zunehmend schwierige­r, diese zu besetzen – vor allem in ländlichen Regionen.

Das Landesinne­nministeri­um beschäftig­t sich bereits mit dem Problem und will das Thema bis zum Sommer mit den Beteiligte­n im Rettungswe­sen besprechen.

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FOTO: DPA Wer als Rettungsas­sistent im Rettungswa­gen im Einsatz ist, muss sich in nächster Zeit zum Notfallsan­itäter fortbilden lassen.

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