Österreich wählt Bundespräsidenten
Bei den österreichischen Präsidentschaftswahlen dürften die ehemaligen schwarzen und roten Großparteien zu den Verlierern gehören
BREGENZ (sz) - Österreich wählt an diesem Sonntag einen neuen Bundespräsidenten. Der amtierende Präsident Heinz Fischer (SPÖ) darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. In Umfragen liegt FPÖKandidat Norbert Hofer vorne. Den Bewerbern der traditionellen Volksparteien SPÖ und ÖVP werden dagegen nur geringe Chancen eingeräumt. Österreich steht somit vor einem politischen Umbruch.
BREGENZ - Wo sind denn die Wahlplakate? Nur vereinzelt fallen einige entlang der Bregenzer Seestraße auf. Wenn es bisher etwas zum Abstimmen gab, war dort immer alles völlig zugepflastert. Die Parteienwerbung konnte an der traditionellen Schauseite der Vorarlberger Landeshauptstadt am rot-weiß-roten Bodenseezipfel gar nicht groß genug sein. „Ja, richtig. Da ist nicht viel. Ist mir aber auch egal“, meint der Kellner im benachbarten Hafenrestaurant schnippisch. Dabei geht es um die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten.
An einer Straßenecke schlägt sogar die Werbung für den Auftritt Egerländer Musikanten das Politikgeschehen. Anderswo sticht das Poster eines Freizeitparks mit Namen Connyland hervor. Irritierend, weil die Österreicher bereits am Sonntag über ihr Staatsoberhaupt abstimmen. „Ich beachte das gar nicht weiter“, sagt die Frau im Kiosk zwischen Bodensee und Seestraße. Unklar bleibt, ob sie nun die Wahlen oder die spärlichen Wahlplakate oder beides meint. Der nächste Kunde ist wichtiger. Er will Zigaretten. Geringes Interesse Nun sind bereits die vergangenen Präsidentschaftswahlen auf ein eher geringes Interesse der Österreicher gestoßen. Gerade mal knapp 54 Prozent der Bürger stimmten im Jahr 2010 ab. Der als leutselig geltende Heinz Fischer durfte danach für eine zweite sechsjährige Amtszeit in der Wiener Hofburg bleiben. Nochmals darf er nicht antreten. Fischer wird damit bis auf Weiteres der Letzte seiner Art gewesen sein. Er stammt nämlich aus den Reihen der beiden früheren traditionellen Volksparteien des Landes. In seinem Fall ist es die SPÖ. Sozialdemokraten sowie die Konservativen der österreichischen Volkspartei ÖVP haben seit dem Zweiten Weltkrieg bestimmt, wer Staatsoberhaupt wird. Doch dies scheint vorbei zu sein. In den Umfragen stehen ihre Kandidaten auf Platz vier und fünf. Österreich erlebt einen politischen Umbruch.
Eigentlich, sollte man vermuten, müsste dies zu einer allgemeinen Aufgeregtheit führen. Zumindest in Bregenz bleibt die Suche danach aber vergeblich. So waren die meisten Spitzenkandidaten bereits im März auf Tour in Vorarlberg – lange vor dem Auftakt des heißen Wahlkampfs. Auf weitere Besuche haben sie verzichtet. FPÖ liegt vorne Vielleicht haben österreichweite Bestrebungen, die Wahlkampfkosten insgesamt zu senken, erstmals Wirkung gezeigt. Bei einer KandidatenRunde im Fernsehen zum Jahresanfang waren Sparabsichten ein Thema gewesen – ohne übrigens zu einer überparteilichen Einigung zu kommen. Dies fällt wiederum sogar an der Bregenzer Seestraße auf. Ein ein- ziges Großplakat gibt es dann doch. Es gehört der FPÖ, den rechtsstehenden sogenannten Freiheitlichen, mit 34 Prozent Zustimmung gegenwärtig mit Abstand die umfragenstärkste Partei in Österreich. Staatsmännische Pose Vaterländischer Pathos bestimmt ihr Plakat. „Deine Heimat braucht Dich jetzt“steht darauf. Mit staatsmännischer Pose schaut ein Mann namens Norbert Hofer herunter aufs Wählervolk. Außerhalb Österreichs kennt ihn kaum jemand. In Wien sitzt der 45-Jährige im Parlament, ist dritter Nationalratspräsident. Ein übliches FPÖ-Gewächs. Er kommt aus dem Milieu fechtender Studenten- und Schülerverbindungen. Dies tun viele in der FPÖ. So auch Partei-Chef Heinz-Christian Strache. Szenetypisch für Österreich ist Hofers Bund, eine Pennälerschaft, völkisch angehaucht.
Während seine Partei UmfrageKönigin ist, liegt Hofer selbst nur an zweiter Stelle. 24 Prozent wollen für ihn stimmen. Aufgefallen ist Hofer im Wahlkampf, indem er beispielsweise Flüchtlinge als „Invasoren“bezeichnete. Seinen härtesten Konkurrenten diffamierte er als „grünen, faschistischen Diktator“. Gemeint ist der 72-jährige Alexander Van der Bellen. Der langjährige Vorsitzende der österreichischen Grünen hat momentan den meisten Zuspruch. Umfragen sehen ihn bei 25 Prozent. Nur die Jodler fehlen Van der Bellen wirbt auf einem seiner klein gehaltenen Wahlplakate mit „Heimat braucht Zusammenhalt“. Bergidylle bildet den Hintergrund der Werbung. Es fehlen nur die Jodler. Aber auch so ist die Anmutung ziemlich konservativ. Darauf legt der Wirtschaftsprofessor inzwischen Wert. Er will Bodenständigkeit vermitteln. Wer die politische Welt in Baden-Württemberg beobachtet, dem fallen sofort Parallelen zum dortigen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann auf.
Dass sich FPÖ’ler mit Grünen schwer tun, liegt in der ideologischen Natur der Sache. Dass der ansonsten mit seinen Gegnern eher konziliant umgehende Hofer ausgerechnet Van der Bellen autoritäre Absichten unterstellt, besitzt einen speziellen Hintergrund: Der Grüne hat angekündigt, im Falle seiner Wahl zum Bundespräsidenten die FPÖ auflaufen zu lassen. Sollte sie bei den nächsten Parlamentswahlen gewinnen, will er ihren Chef Strache nicht als Kanzler vereidigen. Ähnlich wie in Deutschland hat Österreichs Bundespräsident in erster Linie repräsentative Aufgaben. Die Politik gestaltet in beiden Ländern der Kanzler. Doch dieser braucht zumindest für seine Ernennung den jeweiligen Präsidenten.
Van der Bellen redet also nicht einfach so daher. Ein Kaltstellen der FPÖ mag Van der Bellen zwar viel Beifall vor allem von linker Seite einbringen. Österreich stünde aber vor einer ernsthaften Verfassungskrise. In vergangenen Zeiten, als ÖVP und SPÖ fast uneingeschränkt dominierten, war mit so etwas nicht zu rechnen gewesen. Gegenwärtig stellen sie zwar noch die Koalitionsregierung in Wien. Deren Beliebtheit sinkt jedoch stetig. Für viele Durchschnittsösterreicher gelten beide Parteien als abgewirtschaftet. Jüngere Wähler zieht es überproportional zur FPÖ.
Sinnigerweise wirken sogar die Kandidaten der ÖVP und SPÖ verstaubt. Der bleichgesichtige Andreas Khol, Jahrgang 1941, ist der konservative Vertreter. Gegenwärtiges Amt: Obmann des Seniorenbundes der ÖVP. Für die SPÖ hat sich der 64-jährige Rudolf Hundstorfer nominieren lassen – ein typischer Apparatschik mit Gewerkschaftsvergangenheit. Zuletzt war er Arbeitsminister in der Bundesregierung. Große Töne Beide liegen in Umfragen abgeschlagen hinten. Hundstorfer macht sich noch Mut, meint: „Abgerechnet wird am Wahltag.“Khol tönt: „Wenn jemand kommt, der nicht Khol oder Hundstorfer heißt, haben wir im Herbst Neuwahlen.“Er will damit sagen, dass die Große Koalition in Wien dann am Ende wäre. Aber Khol und Hundstorfer kommen in den Umfragen selbst an Irmgard Griss nicht vorbei, der einzigen Kandidatin ohne konkrete Parteibindung, die ernst zu nehmen ist.
Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes kann gegenwärtig rund 21 Prozent auf sich vereinen – dritter Platz. Zuletzt fiel sie als Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission im Jahr 2014 auf. Es ging um den jüngsten österreichischen Bankenskandal. Griss konnte sich als Aufklärerin profilieren. Eine starke Empfehlung in der von Affären geplagten Republik. Lugner gewinnt Lacher Außer ihr existiert aber noch ein Kandidat ohne Parteibindung – ein altbekannter in diesem Fall: Richard Lugner, genannt „Mörtel“. Als Baumeister zu Reichtum gekommen, kennt man ihn vor allem durch farbige Auftritte während des Wiener Opernballs. Er lädt gerne aufgedonnerte weibliche B-Prominenz in seine Loge ein.
Gegenwärtig schmückt sich der 84-Jährige mit einer 57 Jahre jüngeren Ehefrau, dem Playmate Cathy „Spatzi“Schmitz. Mit ihr zusammen grinst er von einem Plakat an der Bregenzer Post. Die Aufnahme wirkt fast wie ein Comicstrip. Außer einigen Lachern kann Lugner nichts gewinnen.