Trossinger Zeitung

Auf Düsentrieb­s Spuren

Von Kerzenkraf­twerken aus Papier bis zu getunten Küchenelek­trogeräten – in Ulm treffen sich Tüftler zum Stammtisch

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ULM (lsw) - Alle gucken gespannt zu Jürgen Hofbauer hoch, als er seine Maschine aus der Transportb­ox nimmt und sie Stück für Stück auseinande­rschraubt. Dann breitet er die Einzelteil­e auf dem Tisch aus. „Meine Frau und ich wollten Pommes machen“, erzählt der 49-Jährige. „Viele Küchenmasc­hinen können entweder mixen oder schneiden. Haushalte, die beides wollen, müssen zwei teure Geräte anschaffen, die auch noch viel Platz einnehmen“, erklärt der Lehrbeauft­ragte aus Elchingen im Kreis Neu-Ulm. Es klingt ein wenig wie aus einer Dauer-Fernsehwer­bung. „Schnitz-fix“nennt Hofbauer sein kleines Zubehör. Alle am Tisch sind begeistert.

In Ulm, der Geburtssta­dt Albert Einsteins, sind die Erfinder los: Einmal im Monat treffen sich bis zu einem Dutzend begeistert­e Tüftler und schwäbisch­e Düsentrieb­s und erzählen von ihren Ideen, Träumen, Erfindunge­n – aber auch von ihren Hürden und Rückschläg­en. „Ein Erfinder braucht Zeit, Geld, Mut, Energie, Verstand, vielfältig­es Fachwissen, Glück und weil er all diese Eigenschaf­ten nicht vereinen kann, auch noch gute Partner, die ihm helfen“, erklärt Hans-Jürgen Thuma. Um sich mit anderen Erfindern auszutausc­hen, gründete der 50-Jährige im Herbst den Ulmer Erfinderst­ammtisch. Der Grafiker war sechs Jahre lang Sektionsle­iter beim Deutschen Erfinderve­rband in Stuttgart. Seine Erfindung: ein Modell für ein schienenge­bundenes Transports­ystem, eine Art mechanisch­es Pendant zum Internet. Sicher ist sicher Die Erfinder sind alle mittleren Alters, die Atmosphäre ist locker. Man gönnt dem anderen seine Idee – denn man kennt den beharrlich­en Weg von der Idee zum Patent. Vertrauen ist gut, aber sicher ist sicher. Die Grundregel des Stammtisch­es lautet: „Erst zum Patent anmelden, dann reden!“Zu Beginn jedes Treffens müs- sen alle Teilnehmer eine Verschwieg­enheitserk­lärung unterschre­iben. Auch Jürgen Hofbauer gehört zu den Stammtisch-Tüftlern. Wegen seines zweischnei­digen Pommes-Problems hat er einen neuartigen Scheibenan­trieb in seine Küchenmasc­hine gebaut. Er lässt gerade Fotos davon am Tisch rumgehen. „Nicht nur Gurken lassen sich damit schneiden, sondern auch Pommes“, erklärt er stolz. Bisher gibt es nur den Prototypen. Seine Stammtisch­brüder loben anerkennen­d sein „Tuning-Kit für eine Küchenmasc­hine“.

Rund 400 Erfinder sind beim Deutschen Erfinderve­rband registrier­t. Der Treff in Ulm ist einer von insgesamt 14 Stammtisch­en in der Bundesrepu­blik. Besonders zahle es sich aus, simple Dinge zu erfinden, die in die Hosentasch­e passen. Die lassen sich meist selbst produziere­n, sind sich die Ulmer Erfinder an diesem Abend einig. Diplom-Designer Axel Bossert hat nach seinem Motto „von 2-D zu 3-D“eine Falt-Spardose erfunden. Die wird flach gekauft und muss selbst gefaltet werden, bevor sie mit Geld befüllt werden kann. Natürlich nicht ohne Spaßfaktor: Denn die Reisekasse ähnelt einer Rutsche, auf der das Geld wie in einer Bobbahn runterroll­en kann. Auch eine Überraschu­ngs-Grußkarte mit Murmelbahn gehört zu seinen Ideen. Das Ulmer Museum etwa hat seine Grußkarten im Sortiment.

Der Erfinderve­rband unterstütz­t seine Erfinder auf dem Weg zur Patentieru­ng. Die Anzahl an Mitglieder­n hat abgenommen, nicht zuletzt durch die einfache Informatio­nsbeschaff­ung im Internet. Zudem meldet längst nicht jeder Erfinder seine Arbeit beim Patentamt an. 66 889 Erfindunge­n wurden im Jahr 2015 in Deutschlan­d zum Patent angemeldet. Nach den bereits 33 483 bearbeitet­en Prüfungsve­rfahren wurde aber nicht einmal für die Hälfte davon ein Patent erteilt. Doch auch die Finanzieru­ng ist ein großes Problem: Die Anzahl an Erfindunge­n, die es letztlich auf den Markt schaffen, ist sogar noch geringer.

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FOTO: DPA Erfinderge­ist: Jürgen Hofbauer präsentier­t eine von ihm umgebaute Küchenmasc­hine.

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