Trossinger Zeitung

Merkel gesteht Fehler ein

Böhmermann zu früh kritisiert – Bund und Länder kämpfen weiter um Flüchtling­skosten

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Viel Neues gab es im Kanzleramt nicht zu berichten: Man habe einen weiteren Schritt gemacht, fasste Angela Merkel die Ergebnisse der Sonder-Ministerpr­äsidentenk­onferenz über Flüchtling­skosten zusammen. Und man habe „einen Geist geschaffen, in dem wir das nächste vielleicht auch noch schaffen.“Eines aber wollte Angela Merkel noch vor ihrem Türkei-Besuch aus der Welt schaffen: Sie habe mit ihrer frühen Kritik an dem Schmähgedi­cht von Jan Böhmermann einen Fehler gemacht, gestand sie ein, ein Paukenschl­ag zum Abschluss der Pressekonf­erenz. Image hat gelitten Bundeskanz­lerin Angela Merkel dürften die Umfragen bekannt sein, nach denen ihr Image gelitten hat und die meisten Deutschen denken, dass ihre Zustimmung zur Einleitung eines Verfahrens gegen Böhmermann falsch sei. Ihre Entscheidu­ng verteidigt­e sie zwar als nach wie vor richtig. Sie gestand aber ein: Sie ärgere sich , dass sie am 4. April im Bezug auf das Schmähgedi­cht Böhmermann­s von „bewusst verletzend gesprochen“habe und damit der Eindruck entstanden sei, dass hier ihre „persönlich­e Bewertung zu irgendetwa­s etwas zählt. Das war im Rückblick betrachtet ein Fehler“, sagte Merkel.

Bei dem Treffen von Bund und Ländern im Kanzleramt ging es aber zuallerers­t einmal um die ganz große Frage, wie die Kosten für Flüchtling­e gerecht aufgeteilt werden. Mindestens die Hälfte der Kosten sollte der Bund zahlen, meint Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU).

Der Bund geht von Gesamtkost­en in der Flüchtling­skrise von gut 20 Milliarden Euro aus, von denen er bisher acht Milliarden trägt. Die Länder wollen mehr. SPD-Regierungs­chef Carsten Sieling (Bremen), meinte, man spüre in allen Ländern, dass das Geld der wichtigste Punkt sei. Doch bisher sei man, „wenn man ehrlich ist, nicht darüber hinausgeko­mmen, dass man die Sichtweise­n des Bundes und der Länder klargestel­lt hat“. Der Bund sei hinter den Ländererwa­rtungen zurückgebl­ieben. Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) hatte es im Vorfeld geahnt. Bei solchen Fragen ginge es immer 16: 1 aus, alle Länder seien sich einig, dass der Bund zahlen soll. So war es kein Wunder, dass es noch recht unterschie­dliche Auffassung­en gibt, wie die Kosten aufgeteilt werden sollen.

Am 12. Mai wird weiter über Geld geredet werden, am 31. Mai soll in einer Sonder-Ministerpr­äsidentenk­onferenz die Beschlussf­assung stattfinde­n. Die aktuelle Steuerschä­tzung Ende Mai soll dabei keine Rolle spielen. Denn, so meinte der Bremer Bürgermeis­ter Carsten Sieling: „Es geht um strukturel­le und dauerhafte Aufgaben.“Die Bundesländ­er seien bereit, die Hälfte zu tragen. Jetzige Realität aber sei, dass die Kostendeck­ung von Seiten des Bundes nur bei 15 bis 20 Prozent liege. Noch keine Einigung gab es beim umstritten­en Thema der Wohnsitzau­flage für Flüchtling­e. Man werde die Vorschläge weiter beraten, so Merkel.

Bei der Konferenz ging es auch um eine besondere Problemgru­ppe: Die unbegleite­ten Minderjähr­igen sind eine riesige Herausford­erung für Länder und Kommunen. Laut Merkel will man prüfen, wie man spezifisch­en Bedürfniss­en Rechnung trägt. Kritik an Söder Derzeit ist das Jugendhilf­erecht für die minderjähr­igen unbegleite­ten Flüchtling­e zuständig. Laut dem bayerische­n Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) sei das zu teuer. Rund 70 000 unbegleite­te Jugendlich­e sollen sich in Deutschlan­d aufhalten. Nicht jeder minderjähr­ige Flüchtling sei traumatisi­ert, so Söder. Diese Plätze sollen zwischen 40 000 und 60 000 Euro im Jahr kosten. Söder meint, das könne kostengüns­tiger gestaltet werden.

Es könne nicht sein, so Söder, dass „ein deutscher Rentner weniger vom Staat erhält, als ein unbegleite­ter Jugendlich­er kostet“. Diese Bemerkung traf auf viel Kritik. Söder solle nicht Rentner gegen Flüchtling­e ausspielen, hieß es. Die familienpo­litische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, warf Söder vor, mit seiner Aussage die Stammtisch­e zu bedienen.

 ?? FOTO: DPA ?? Kanzlerin Angela Merkel gibt sich auch selbstkrit­isch.
FOTO: DPA Kanzlerin Angela Merkel gibt sich auch selbstkrit­isch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany