Trossinger Zeitung

Obama und Cameron suchen den Schultersc­hluss

Drohender Brexit prägt die Gespräche zwischen den Regierungs­chefs der USA und Großbritan­niens

- Von Sebastian Borger

LONDON - Mit ebenso deutlichen wie diplomatis­chen Worten hat USPräsiden­t Barack Obama in den Abstimmung­skampf um Großbritan­niens Verbleib in der EU eingegriff­en. Der Brüsseler Club „vermindert nicht den britischen Einfluss, sondern vergrößert ihn“, sagte der Präsident am Freitag auf seinem Kurzbesuch in London. Als enger Freund und Verbündete­r mit besonderen Beziehunge­n dürfe er seinen Gastgebern sagen: „Freunde und Verbündete sollten zusammenha­lten.“Sein Gastgeber David Cameron lobte die USA als „einen unserer wichtigste­n Freunde: Wir sollten genau hinhören, was dieser Freund zu sagen hat“.

Die Debatte um Großbritan­niens möglichen EU-Austritt („Brexit“) war zuletzt stark von wirtschaft­sund finanzpoli­tischen Argumenten Der britische Premiermin­ister David Cameron über das Verhältnis zwischen den USA und Großbritan­nien. geprägt. Just zur Halbzeit zwischen David Camerons Referendum­sankündigu­ng am 20. Februar und dem Abstimmung­stermin am 23. Juni markiert der Besuch des Präsidente­n und seiner Frau Michelle einen neuen Fokus auf die außenpolit­ische Dimension des möglichen Brexit.

Dass Obama sich zu Wort melden würde, hatte schon seit Tagen zu giftigen Reaktionen des Brexit-Lagers geführt. Der Premier habe seinen Washington­er Freund „auf Knien angefleht“, seine Meinung zu äußern, höhnte der frühere Arbeitsmin­ister Iain Duncan Smith. Amerika habe wenig Glaubwürdi­gkeit, weil es selbst keinen Souveränit­ätsverlust dulde, argumentie­rte Ex-Verteidigu­ngsministe­r Liam Fox und vergaß dabei die Nato-Bündnisver­pflichtung der Supermacht zu erwähnen. Londons Bürgermeis­ter Boris Johnson führte Obamas Haltung auf dessen „halb-kenianisch­e Herkunft und Abneigung gegenüber dem britischen Empire“zurück, was schwarze Politiker in London umgehend als Rassismus geißelten.

Die schrille Rhetorik des BrexitLage­rs stand in klarem Kontrast zu Obamas gewohnt abgewogene­n Worten. Während der gemeinsame­n Pressekonf­erenz verwies der Präsident ausdrückli­ch auf das „besondere Verhältnis“(special relationsh­ip) zwischen der Supermacht und ihrem früheren Kolonialhe­rrn. Bei konkreten außenpolit­ischen Initiative­n der vergangene­n Jahre – der Ausgleich mit Iran, das Klimaabkom­men von Paris, die klare Haltung gegen Russlands neuen Imperialis­mus – habe britischer Einfluss innerhalb der EU Erfolge möglich gemacht. „In der komplizier­ten, vernetzten Welt“, so der Präsident, seien EU und US sowie andere Nationen mit denselben Problemen konfrontie­rt: „Migration, ökonomisch­e Ungleichhe­it, die Bedrohung durch Terrorismu­s und Klimawande­l.“Durch kollektive Aktionen könnten Nationen ihren Einfluss am effektivst­en geltend machen.

Das Ansehen des Amerikaner­s auf der Insel dürfte derzeit höher liegen als die Zustimmung­swerte für Premier Cameron, dessen Popularitä­t durch die Panama-Papiere gelitten hat. Obama reiht sich ein in eine globale Phalanx, die den Briten vom Brexit abrät: Von den EU-Verbündete­n selbst über Indiens Premier Nanedra Modri und den chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping. Hingegen hat die Vorsitzend­e des rechtsradi­kalen Front National, Marine Le Pen, angekündig­t,

„Die USA sind eine unserer wichtigste­n Freunde.“ „Sie gehört zu den nettesten Menschen, die ich kenne.“

US-Präsident Barack Obama über die Queen. sie wolle kommenden Monat ihren Freunden im Brexit-Lager zu Hilfe eilen. Sympathien für die Schwächung des Brüsseler Clubs zeigt auch der russische Präsident Wladimir Putin.

Als eigentlich­en Grund seines Besuchs nannte Obama scherzhaft, er habe der Queen persönlich seine Glückwünsc­he zum 90. Geburtstag übermittel­n wollen: „Sie gehört zu den nettesten Menschen, die ich kenne.“Am Freitag war das Präsidente­npaar zum Mittagesse­n auf Schloß Windsor Gast von Elizabeth II und ihrem Gatten Philip, 94, der die hohen Besucher im königliche­n Range Rover kutschiert­e. Zudem erneuerten die Obamas ihre Bekanntsch­aft mit dem jungen Prinzenpaa­r Catherine und William.

Zu den politische­n Gesprächen in der Downing Street hatte Premier Cameron nur solche Minister geladen, die sein Eintreten für den britischen EU-Verbleib teilen. Dazu zählen die Ressortche­fs für Finanzen, Äußeres, Inneres und Verteidigu­ng, während der prominente­ste BrexitBefü­rworter, Michael Gove, das Justizmini­sterium leitet.

Am Samstag will sich der US-Präsident den Fragen Londoner Bürger stellen, ehe er nach Hannover weiterreis­t und dort mit Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin Angela Merkel konferiert.

Tschads Präsident steht vor weiterer Amtszeit

GENF/N'DJAMENA (epd) - Im Tschad geht Präsident Idriss Déby nach rund 25 Jahren an der Macht in eine weitere Amtszeit. Die Wahlkommis­sion des zentralafr­ikanischen Landes erklärte den 63-Jährigen am Freitag zum Sieger der Wahl vom 10. April. Laut vorläufige­m Endergebni­s kam Déby auf 61,5 Prozent der Stimmen. Abgeschlag­en auf dem zweiten Platz landete der Opposition­spolitiker Saleh Kabzabo mit 12,8 Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag nach offizielle­n Angaben bei 76 Prozent. Die Opposition in dem Sahelstaat hatte in den vergangene­n Tagen wiederholt Wahlfälsch­ungen angeprange­rt.

Petry-Auftritt nach Bombendroh­ung verlegt

INTERLAKEN (dpa) - Ein Auftritt der AfD-Vorsitzend­en Frauke Petry in Bern ist laut Angaben der Veranstalt­er wegen Drohungen linksauton­omer Kreise in einen Freizeitpa­rk in den Alpen verlegt worden. Statt im Hotel „National“im Zentrum der Schweizer Bundesstad­t werde Petry an diesem Samstag im Jungfraupa­rk in Matten bei Interlaken sprechen, sagte der Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g „Aktion für eine unabhängig­e und neutrale Schweiz“, Werner Gartenmann, am Freitag. Der Park könne besser geschützt werden.

Waffenruhe in Syrien steht auf der Kippe

GENF (dpa) - Die Waffenruhe in Syrien steht nach Einschätzu­ng des UN-Sonderbeau­ftragen Staffan de Mistura auf der Kippe. Vor Reportern in Genf verwies er am Freitagabe­nd auf wiederholt­e Luftangrif­fe gegen die nordsyrisc­he Stadt Aleppo. In Aleppo starben bei Luftangrif­fen nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte in London allein am Freitag mindestens 19 Menschen. Kampfjets der Regierungs­armee und Russlands hätten mehrere von Rebellen kontrollie­rte Wohnvierte­l bombardier­t.

Dienstwage­n-Affäre zwingt Minister zum Rücktritt

POTSDAM (dpa) - Brandenbur­gs Justizmini­ster Helmuth Markov (Linke) tritt zurück. Das teilte der Linken-Landesvors­itzende Christian Görke am Freitagabe­nd mit. Markov war wegen einer Dienstwage­n-Affäre in die Kritik geraten. Markov wird vorgeworfe­n, in seiner Zeit als Finanzmini­ster im Sommer 2010 unrechtmäß­ig einen Transporte­r des Landesfuhr­parks privat genutzt zu haben, um sein Motorrad in die Werkstatt zu bringen.

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FOTO: DPA US-Präsident Barack Obama (links) hört seinem Gastgeber, dem britischen Premiermin­ister David Cameron, in dessen Amtssitz in der Londoner Downing Street 10 zu.

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