Schäuble in der Defensive
EU wird wohl eine Schuldenerleichterung für Griechenland beschließen
AMSTERDAM - Die leichten Fragen sind die schwersten. Das weiß auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Am Ende seiner Pressekonferenz am Freitag in Amsterdam fragte ein Kinderreporter: „Wie wollen Sie künftigen Trubel verhindern?“. Dijssellboem lächelte und sagte: „Zuerst geht es darum, weitere Krisen zu vermeiden.“Am nächsten Donnerstag soll auf einem Treffen der Eurogruppe ein Deal erfolgen. Denn EU, IWF und Griechenland stehen vor einer Einigung im Schuldenstreit.
Noch hat Europa die Krise noch nicht überwunden. Dazu reicht der Blick nach Griechenland. Aber das große Drama ist vorüber. Europa ist noch zu erschöpft vom Schuldenstreit im Vorjahr. Nach zermürbenden Wochen hatten sich EU und Griechenland im Juli auf ein weiteres Hilfsprogramm von 86 Milliarden Euro geeinigt. Aber das gerät in Verzug. Die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras zögert mit Sparmaßnahmen bei den Renten, sie würde lieber die Steuern erhöhen. Der Währungsfonds IWF fürchtet, das schade Griechenlands Wirtschaft, mehr aber noch stuft er die Schuldenquote von rund 180 Prozent der Wirtschaftskraft als zu hoch ein.
Zu belastend auch für den IWF. Er stellte mit Blick auf die Schuldentragfähigkeit seine Mitarbeit am Rettungskurs infrage. Den Eurostaaten indes kam Tsipras’ Sparprogramm zu langsam voran. Der hoffte mit Blick auf die Lasten seines Landes in der Flüchtlingskrise auf einen Rabatt im Schuldenstreit.
Auf dem Treffen der Euro-Finanzminister in Amsterdam kam Bewegung in die Sache. Von konstruktiven Gesprächen sprach Dijsselbloem. So sah es auch IWF-Chefin Christine Lagarde. Eurostaaten und IWF hatten zuvor einen Stufenplan mit doppeltem Netz vereinbart. Auf ein Sparprogramm von drei Prozent der Wirtschaftskraft sollte sich Griechenland bis 2018 verpflichten. Reicht das nicht aus, greift ein zweites Programm über zwei Prozent der Wirtschaftskraft. „Gesetzlich abgesichert“, sagte Lagarde. Schließlich habe Griechenland schon so manches Versprechen nicht eingelöst. Kein Schuldenschnitt Wer so viel von Athen fordert, muss auch etwas bieten: Von Stundung der Zinszahlungen und längeren Tilgungslaufzeiten sprachen Dijsselbloem und Lagarde. „Einen nominellen Schuldenschnitt wird es nicht geben“, stellte Lagarde klar.
Klingt nicht gut für Tsipras, aber auch nicht gut für Wolfgang Schäuble (CDU). Der Finanzminister hatte vor der Sitzung in einer verquasten Formulierung Schuldenerleichterungen für Athen abgelehnt. Die könnten schon nächsten Donnerstag auf einem Sondertreffen kommen. Ein später Durchbruch. Manche hatten schon in Amsterdam auf einen Deal gehofft. Und auch Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos meldete späte Bedenken an. Ein, wie von Lagarde gefordert, gesetzlich abgesichertes zweites Sparpaket auf Vorrat werde es nicht geben. Der Donnerstag könne aus dem Tagungskalender gestrichen werden. Taktisches Geplänkel.
Griechenland hatte zuvor für 2015 eine Schuldenlast von 7,2 Prozent gemeldet. Das klingt viel, ist aber weniger als die erwarteten 7,6 Prozent. Es bewegt sich was, auch in Griechenland. Kommende Woche feiert das Land das orthodoxe Osterfest. Danach ruht der politische Betrieb. Auch deshalb hätte die EU das Problem gerne vorab gelöst – mit einem unorthodoxen Stufenpaket.
Im Juli lauert schon eine andere Krise für die EU: das Austritts-Referendum in Großbritannien. Auch deshalb will die EU den Deal mit Athen möglichst leise erreichen. Nur keine lästigen Störfeuer aus Brüssel für die EU-Befürworter auf der Insel.