Österreich wählt am Sonntag einen Präsidenten
Kandidat der FPÖ und ein ehemaliger Grüner haben die besten Chancen
WIEN (dpa) - Die Wahl des neuen Bundespräsidenten in Österreich steht in Zeiten der Flüchtlingskrise unter ganz besonderen Vorzeichen: Die jeweils sieggewohnten Sozialdemokraten (SPÖ) und die konservative ÖVP zittern. Erstmals drohen ihre Kandidaten zu scheitern. Der Bewerber der ausländer- und europakritischen FPÖ erhält laut Umfragen dagegen viel Zuspruch. Bremsen können ihn nur ein ehemaliger GrünenChef und eine unabhängige Kandidatin. 6,4 Millionen Österreicher ab 16 Jahren können am Sonntag ihr Staatsoberhaupt direkt wählen. Es wird ein echter Stimmungstest zwei Jahre vor den nächsten Parlamentswahlen. Hier einige Fragen und Antworten zur Wahl:
Warum sind die Aussichten der Kandidaten von SPÖ und ÖVP schlecht? Beide Volksparteien, seit Jahrzehnten an praktisch allen Schalthebeln der Macht, sind in den Augen vieler Bürger nur Garanten für ein „Weiter so“. Die Sehnsucht nach Aufbruch, Reformen, neuen Köpfen und Ideen scheint dagegen groß. Auch die ungewohnte rot-schwarze Geschlossenheit bei der Flüchtlingspolitik hilft SPÖ und ÖVP wenig. Zudem sind ihre Kandidaten, der ehemalige Sozialminister Rudolf Hundstorfer (64) und der Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol (74), ohne Charisma.
Was sind die zentralen Themen des Wahlkampfes? Neben der Flüchtlingspolitik spielte die Frage eine wichtige Rolle, wie aktiv das Staatsoberhaupt seine Befugnisse ausspielen wird. Nicht zuletzt der Kandidat der rechten FPÖ, Norbert Hofer, hat im Wahlkampf betont, er werde gegebenenfalls Bundeskanzler und Bundesregierung entlassen. Der von den Grünen unterstützte Bewerber Alexander Van der Bellen (72) will einen FPÖ-Kanzler möglichst nicht vereidigen, sondern so lange sondieren lassen, bis eine Regierung ohne FPÖ steht. Die unabhängige Kandidatin und Top-Juristin Irmgard Griss (69) hat mit einem „21Punkte-Plan“fast ein Regierungsprogramm vorgelegt.
Wer hat die besten Chancen am 24. April? Van der Bellen ist zwar seit Wochen „Umfrage-Kaiser“, aber zuletzt sah es nach einem Dreikampf um die Stichwahl aus. Der ehemalige Grünen-Chef kann mit 25 Prozent rechnen, Hofer mit 24 Prozent und Griss mit 22 Prozent. Hundstorfer und Khol liegen bei 15 und 11 Prozent. Niemand rechnet mit einer endgültigen Entscheidung am Sonntag. Vielmehr werden die beiden Bestplatzierten in die Stichwahl am 22. Mai gehen. Sollten SPÖ und ÖVP tatsächlich scheitern, wäre das eine historische Wahlniederlage.
Warum ist die rechte FPÖ in Österreich so stark? Die Flüchtlingskrise hat der ohnehin schon starken FPÖ zu noch größerer Popularität verholfen. Sie liegt in Umfragen zur bevorzugten Partei mit rund 32 Prozent konstant weit vor SPÖ und ÖVP. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache selbst bekommt als möglicher nächster Kanzler mehr Zustimmung als die jetzige Regierungsspitze. Die FPÖ ist auf dem europakritischen Kurs „Österreich zuerst“und warnt vor einer Islamisierung. Statt auf Antisemitismus setzt Strache auf eine Annäherung an Israel. Die FPÖ erfährt vor allem von Arbeitern und jungen Männern viel Zuspruch.