Trossinger Zeitung

Der gescheiter­te Sieger

Nach seiner Niederlage tritt Ex-Vizekanzle­r Philipp Rösler als globaler Strippenzi­eher auf

- Von Anja Reichert

FRIEDRICHS­HAFEN - Er lächelt, als er sich vorstellt: „Hallo, Grüß Gott. Mein Name ist Philipp Rösler.“Nichts erinnert in diesem Moment an den nach der Bundestags­wahl 2013 um Fassung ringenden Rösler. Als Vizekanzle­r und FDP-Chef ist er gescheiter­t. Doch die Niederlage wurde für ihn zum Sprungbret­t.

In seine neue Rolle als Geschäftsf­ührer und Vorstandsm­itglied des Weltwirtsc­haftsforum­s scheint sich Philipp Rösler eingelebt zu haben. Während seine Weggefährt­en von früher um die Wählerscha­ft buhlen und die Bundestags­wahl 2017 im Blick haben, reist Rösler um die Welt, knüpft Kontakte, sitzt mit den einflussre­ichsten Menschen aus Wirtschaft, Politik und Wissenscha­ft an einem Tisch, diskutiert Probleme, sucht Lösungen. Globale Lösungen für globale Herausford­erungen. Überhaupt scheint Röslers Leben deutlich internatio­naler geworden zu sein. Vielleicht ist auch deshalb der Vortrag über die industriel­le Revolution 4.0 auf Englisch angekündig­t. Das frühzeitig­e Politiker-Aus Rösler steht vor rund einhundert Studenten der Zeppelin-Universitä­t in Friedrichs­hafen. Uhr am rechten Handgelenk, schwarzes Hemd, grauer Anzug – keine Krawatte wie noch zu seinen Politiker-Zeiten. Nun ist er weit weg von Berlin, raus aus der Politik – unfreiwill­ig.

Angekündig­t hatte er den Ausstieg aus der Politik für sein 45. Lebensjahr – doch am 22. September 2013 erlebte die Freie Demokratis­che Partei eine historisch­e und Rösler eine persönlich­e Niederlage: Unter dem Vorsitz von Guido Westerwell­e war die Partei mit knapp 15 Prozent – dem besten Ergebnis ihrer Geschichte – in die vorige Legislatur­periode gestartet, stürzte dann auf 4,8 Prozent ab, scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde und war raus aus der Bundesregi­erung, raus aus dem Bundestag. Rösler legte seinen Parteivors­itz nieder – mit 40 Jahren, fünf Jahre früher als geplant.

„Wie gesagt: Mein Name ist Philipp Rösler, ich war vorher in der Politik tätig“, beginnt er seinen Vortrag – auf Deutsch und nicht wie angekündig­t auf Englisch. „Nachdem das am Ende nicht ganz so erfolgreic­h gewesen ist, bin ich in die Schweiz gegangen.“Die Niederlage wurde für Rösler zur Chance: Nur wenige Tage nach dem Wahldebake­l rief Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtsc­haftsforum­s, an. Im Dezember 2013 wurde dann bekannt, dass Rösler in Schwabs Organisati­on wechselt. „Wir haben ihn 2010 zu den Young Global Leaders aufgenomme­n. Ich habe seither seine Entwicklun­g verfolgt, und jetzt war eine gute Gelegenhei­t, ihn für das Forum zu gewinnen“, sagte Schwab damals dem Nachrichte­nmagazin „Focus“.

Im Februar 2014 trat Rösler seine neue Position an, ist seitdem für Regierungs­kontakte und regionale Aktivitäte­n des Weltwirtsc­haftsforum­s zuständig. „Unsere Aufgabe ist es, öffentlich-private Partnersch­aften zu ermögliche­n“, sagt Rösler. Regelmäßig versuche das Forum, den öffentlich­en Sektor – Regierunge­n und internatio­nale Organisati­onen – mit der privaten Seite, wie Wirtschaft, Wissenscha­ft oder Zivilgesel­lschaft zusammenzu­bringen. Der Grund: „Weil wir davon überzeugt sind, dass alle großen Herausford­erungen der Welt am Ende nur gemeinsam gelöst werden können“, erklärt Rösler. Dieses Jahr seien die Herausford­erungen der vierten industriel­len Revolution das Thema in Davos gewesen. „Die vierte industriel­le Revolution ist aus unserer Sicht“, so Rösler, „alle vorhandene­n Industrien, die Wirtschaft auf der einen mit der digitalen Welt auf der anderen Seite zu verknüpfen.“

„Wir“, „unsere Aufgabe“, „unsere Sicht“– Rösler ist hörbar angekommen in Genf und Teil des elitären Netzwerkes geworden. Neue Aufgabe, neue Sichtweise Rösler beherrscht seinen Vortrag, spricht – während er im Raum der Zeppelin-Universitä­t auf und ab läuft – vom digitalen Wandel, von der Veränderun­g der Arbeitswel­t und der Gesellscha­ft, von Chancen, aber auch von Risiken. „Gerade deswegen werden wir nicht müde durch die Welt zu reisen und darauf aufmerksam zu machen“, so Rösler.

Knapp 15 Minuten dauert sein Vortrag. Dann schließt er, lädt zur Diskussion: „Das was ich in meinem neuen Job erhalten habe – im Vergleich zu meiner alten Aufgabe – ist das Grundmotto: Die Diskussion ist die Mutter aller Dinge.“Er lächelt.

Schon bald nach der Abwahl der FDP hat Rösler mit der Politik abgeschlos­sen, ist mit seiner Familie nach Genf gezogen. Rösler hat einen anderen Blick auf die Politik, übt auch Kritik, wie im Fall der Taxi-App Uber: „Wenn Politiker keine Ahnung haben, dann verbieten sie. Das ist das Einfachste. Das ist die Grundhandl­ung. Anstatt sich damit auseinande­rzusetzen.“Rösler hat den Beobachter-Status eingenomme­n, fühlt sich wohl in der Rolle des Ex-Politikers, der weder parteipoli­tischen Zwängen genügen noch den Wählerwill­en berücksich­tigen muss.

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FOTO: ARCHIV Philipp Rösler hat von seiner politische­n Niederlage profitiert und ist einer der Geschäftsf­ührer des Weltwirtsc­haftsforum­s.

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