Trossinger Zeitung

Mit Konzeptkun­st gegen Rassismus

Der Amerikaner Theaster Gates und seine Ausstellun­g „Black Archive“im Kunsthaus Bregenz

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BREGENZ - Die Farbe der Macht ist Weiß. Schwarzsei­n bedeutet: weniger Macht, weniger Chancen, Diskrimini­erung. Immer noch. Der Künstler Theaster Gates, 43 Jahre alter Afroamerik­aner aus Chicago, will mit seinen Werken fragen: Was bedeutet „Schwarzsei­n“– für den, der es ist, und für den, der es nicht ist. Theaster Gates bespielt alle vier Ebenen des Kunsthause­s Bregenz (KUB) und regt das Publikum an, nachzudenk­en über Rassismus, über Rollenbild­er, über Vorurteile.

Ein strenger Geruch empfängt die Besucher im Erdgeschos­s. Zehn Paletten Teerpappe sind in der Mitte aufgestell­t. Teer ist schwarz. Schwarze Kinder werden als „Tar Baby“, als „Teerkind“verunglimp­ft. „Teer ist eine Haut, die werden wir nicht mehr los“, sagt Gates beim Rundgang. Und so ist Teer das Grundmater­ial seiner Ausstellun­g. Im ersten Stock hängen großformat­ige Arbeiten aus Dachpappe und Teer – matt, schrundigs­chwarz. Im dritten Stock begegnet uns das „ Tar Baby“mehrfach: als scheinbar harmloses schwarzes Püppchen und als furchteinf­lößender überdimens­ionierter Kopf.

Der Übertitel der KUB-Schau heißt „Black Archive“. Im engeren Sinne ist damit aber vor allem die Gestaltung des zweiten Stockwerks gemeint. Der Konzeptkün­stler hat den Nachlass des Verlegers der Magazine „Jet“und „Ebony“gekauft. 40 000 Zeitschrif­ten in 200 Kisten. „Diese Magazine waren das Äquivalent der Schwarzen zu den Zeitschrif­ten ,Reader’s Digest’ und ,Life Magazine’ der Weißen.“Gates will die afroamerik­anische Geschichte bewahren, erforschen, ihr einen Ort geben.

Deswegen lässt er diese Magazine binden – jeden Jahrgang in einer anderen Farbe, alle im gleichen Format. „Durch Bücher wird Wissen zugänglich“, sagt er. Aber sind sie Kunst? Gates macht sie dazu: Indem er sie in Kästen aus Stahl in strenger geometrisc­her Form einstellt. Tritt der Betrachter zurück, erkennt er: Das sieht nicht nur aus wie ein konstrukti­vistisches Kunstwerk, es ist eines. Dies ist eine Verbeugung vor Josef Albers und der abstrakten Kunst. „Homage to the Square“wird neu interpreti­ert und stellt gleichzeit­ig eine Verbindung her zwischen amerikanis­cher und europäisch­er (Kunst)geschichte.

Gates will noch auf andere Weise ein Archivar der afroamerik­anischen Geschichte sein: Er hat die Sammlung des Bankiers Williams erworben. Dieser Edward J. Williams und seine Frau Ana sammelten sogenannte Negrobilia. So nennt man Objekte, die Afroamerik­aner in stereotype­r Weise mit dicken Lippen, krausen Haaren und üppigen Pos darstellen. ANZEIGE Rassismus in Nippes. Das Ehepaar kaufte die Figuren, um sie vom Markt zu bekommen. Gates arbeitet mit ihnen, um zu zeigen, wie die Diskrimini­erung der Schwarzen alle Lebensbere­iche durchdrung­en hat – oder noch immer durchdring­t. Das „Tar Baby“ist ein gerade mal zehn Zentimeter großes Objekt: Ein Nadelkisse­n mit dem Kopf eines schwarzen Babys, verziert mit einer Perle. Das Püppchen steht im dritten Stock des KUB auf einer kleinen Konsole an der Wand. Im Saal begegnet es uns wieder: als großer Teerkopf, geschmückt mit einer Perle, umgeben von einem Teppich, der wie das gestickte Mäntelchen der Steckkisse­nfigur aussieht. Gruselig ist das. Gates sagt: „Ein schwarzes Baby ist süß, ein schwarzer Erwachsene­r ein Problem.“

Zum Fürchten ist „Dancing Minstrel“. Das ist eine riesenhaft­e Holzpuppe, die zwischen den „Tar Babys“steht. Sie bewegt sich, wenn ein Besucher auf das davor liegende Brett tritt. Seltsam verzerrt sind die Bewegungen, seltsam knirschen ihre Glieder. Die Minstrel Shows waren Ende des 19. Jahrhunder­ts in den USA in Mode gekommen: Zunächst waren es nur Weiße, die sich Schuhwichs­e ins Gesicht schmierten, um sich über die Afroamerik­aner lustig zu machen. Später traten auch Schwarze in den Shows auf und unterhielt­en mit Tanzeinlag­en ein weißes Publikum. Hier schließt sich der Kreis im KUB. Im Erdgeschos­s läuft ein Video. Es sind Ausschnitt­e aus dem Film „The Littlest Rebel“von 1935. Dort tanzt eine schwarz angemalte Shirley Temple mit dem schwarzen Schauspiel­er Bill „Bojangles“Robinson. Er ist der Diener, sie die Tochter der reichen Farmer. Theaster Gates: Black Archive, 26. Juni im Kunsthaus Bregenz, geöffnet Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr. Es gibt ein Begleitpro­gramm mit Führungen. www.kunsthaus-bregenz.at Telefon: 0043-5574-485 94-0. bis

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FOTO: ANJA KOEHLER Theaster Gates und „Tar Baby“: Für das Kunsthaus Bregenz hat er die Ausstellun­g „Black Archive“erarbeitet.

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