Trossinger Zeitung

„Mich hat das Mysteriöse gereizt“

Als „Königin auf der Landstraße“war Theresa Amrehn für drei Jahre auf der Walz

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NEUHAUSEN OB ECK - Theresa Amrehn war drei Jahre lang auf der Walz. Über ihre Erlebnisse hat die gelernte Kirchenmal­erin nun ihr erstes Buch geschriebe­n. Am Sonntag, 24. April, wird sie von 15 Uhr an im Schafstall des Freilichtm­useums Neuhausen daraus vorlesen. Sie hat mit unserer Volontärin Maike Woydt gesprochen und einige Fragen zu ihrem Abenteuer beantworte­t. Wie kamen Sie auf die Idee, auf die Walz zu gehen? Mich hat das Mysteriöse gereizt, das die Wanderscha­ft begleitet. Warum sollte jemand ohne Geld und sicheren Schlafplat­z quer durch Europa reisen, das hört sich nach einem absurden und verrückten Leben an. Und es war so verrückt, dass es auch auf mich passte. Wie viele Handwerksg­esellen sind gerade in Europa auf Wanderscha­ft und wie viele davon sind Frauen? Es sind aktuell zwischen 400 und 600 Gesellen auf Wanderscha­ft. Die kommen aus Deutschlan­d, Österreich, der Schweiz und auch aus Frankreich, Dänemark und ich glaube, jetzt ist jemand aus Luxemburg los gegangen. Man kann so von zehn Prozent ausgehen, die weiblich sind. Hatten Sie eine geplante Reiseroute? Ich hatte vorher eine Route,von der ich gleich in der ersten Woche abge- wichen bin. Habe mich dann einfach treiben lassen und es auf mich zukommen lassen. Wenn ich arbeiten wollte, bin ich eher in die Regionen, wo ich Arbeit erwartet habe. Und wenn ich einfach nur reisen wollte, hatte es oft gereicht den Daumen raus zu halten und zu warten wo der Nächste hinfährt und mich mitnimmt. Welche Städte haben Sie besucht? Ich war in Freiburg, das ist mir bleibend in Erinnerung geblieben. In Deutschlan­d war ich außerdem noch in meinen Lieblingss­tädten: Berlin, Hamburg, Passau, Dresden, Leipzig und natürlich Bonn. Dort bin ich immer wieder hängen geblieben. Im europäisch­en Ausland habe ich mir London angeguckt und in Brighton war ich lange. Außerdem war ich auf der ganzen Insel Fuertevent­ura unterwegs. Wie sind Sie denn von Stadt zu Stadt gekommen? Man kann per Anhalter fahren oder den Schaffner fragen, ob man im Zug umsonst mitfahren kann. Ich habe dafür zum Beispiel im ganzen Zug Zeitungen eingesamme­lt und neue ausgeteilt. Wenn man gearbeitet hat, kann man sich von dem verdienten Geld einen Flug leisten. Was war ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Ich habe eine Schneideri­n kennengele­rnt und zusammen waren wir in Bad Kissingen. Wir dachten, wenn man auf Wanderscha­ft geht, ist alles vorbereite­t – Matilda, die Straße, sorgt schon dafür, dass es uns gut geht. Deshalb haben wir uns gedacht, wir gehen in die nächste Kneipe und warten bis uns einer einen Schlafplat­z anbietet, doch dort war niemand. Nach Kneipensch­luss haben wir auf der Straße einen Umzugscont­ainer gefunden. Da lagen zwei Matratzen, ein Ficus und ein Fernseher drinnen und dann haben wir uns das auf der Straße hingestell­t, wie in einem echten Schlafzimm­er. Nachts fing es an zu regnen. Wir sind in Schlafklei­dern durch Bad Kissingen geirrt und haben die Kneipe wieder gefunden, die davor ein Raucherzel­t stehen hatte. Da haben wir uns dann reingelegt. Wie haben Sie Geld verdient? Ich habe natürlich viel Kirchenmal­erei gemacht. Außerdem kann man sich als Gehilfe einstellen lassen, wenn ein befreundet­er Handwerker eine Anstellung findet. Dabei kann man in ein anderes Handwerk rein schnuppern und einiges dazulernen. Es ist übrigens ein Grundsatz der Reisenden, dass man nach dem ortsüblich­en Tarif gezahlt wird, um nicht den örtlichen Handwerker­n Konkurrenz zu machen.

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 ?? FOTO: PIPER VERLAG ?? „Königin der Landstraße“heißt das Buch, in dem Theresa Amrehn von den Erlebnisse­n auf ihrer Walz als Handwerksb­ursche.
FOTO: PIPER VERLAG „Königin der Landstraße“heißt das Buch, in dem Theresa Amrehn von den Erlebnisse­n auf ihrer Walz als Handwerksb­ursche.
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