Gesichtsverlust
Der Nachfolger des Mercedes GLK heißt GLC – Statt der Kanten des Vorgängers bietet er ein Übermaß an Komfort
ine Liebe auf den ersten Blick ist das nicht. Man muss SUVs ja nicht mögen, aber der ältere Bruder dieses Mercedes GLC 250 war noch ein echtes Gesicht in der Menge der hochgebockten Allradler. Er hieß GLK und hatte Ecken und Kanten, sein Blick war ernsthaft, und er erweckte den Eindruck, dass er sich im Falle eines Falles gern auf Krawall bürsten ließ. Und der hier? Steht da wie eine Mischung aus Nissan Qashqai, Audi Q 5, Renault Irgendwas und Breitmaulfrosch. Dass vorne ein fetter Stern in der Haube prangt, ist dringend nötig, um des Fahrers Depressionen wegen Gesichtsverlusts seines Kumpels abzumildern. Was die Designer da wohl geritten haben mag?
Ganz einfach: Der GLC sollte sich eben nicht mehr abheben von der neuen Mercedes-Kleiderordnung, die klassenübergreifend Gültigkeit hat. Das drückt auch die Nomenklatur aus. Das C hinter dem GL signalisiert seinen direkten Stammbaum, der dünnere Verwandte heißt logischerweise GLA, der nächst dickere GLE. Wer sich nolens volens mit dieser neuen Uniform abgefunden hat, der kann dann mal ins Innere des Autos klettern. Erster Eindruck: Man sitzt in einer Burg – rechts eingemauert von der hohen Mittelkonsole, die hinten geschwärzten Scheiben, das schwarze Gestühl in Ledernachbildung, das ganze dunkelgraue Ambiente wecken Assoziationen an ein modernes Verlies. Luftig wirkt hier nichts.
Aber dann, wenn der Zündschlüssel sich im Schloss gedreht hat, wird alles anders. Es folgt Überraschung auf Überraschung der angenehmen Art. Erstens: Die Phon, die der kleine Zweiliter-Benziner (die Zahl 250 am Heck ist üble Aufschneiderei) an den Arbeitsplatz des Fahrers übermittelt, sind kaum messbar. Lange ist es noch nicht her, dass allenfalls die Reihensechszylinder von BMW so leise und sanft waren wie dieses Maschinchen, aus dem die Ingenieure immerhin 211 PS gekitzelt haben. Um es vorwegzunehmen: Daran ändert sich auch im Fahrbetrieb nichts. Nur bei sehr abrupter Beschleunigung und hohen Drehzahlen wird der Betrieb ein wenig aufgeregter.
Zweitens: Im Vergleich mit der ersten Serie der M-Klasse, die wir in grauer Vorzeit mal ausprobiert haben, verhält sich dieser GLC wie eine Badewanne zur Rennyacht. Hervorragende Sitze, luftgefedertes Fahrwerk, Bremsen, die Neungang-Automatik, es ist wirklich alles vom Feinsten. Wobei: Bisweilen reagiert die Schaltungselektronik etwas nervös. Selbst bei geplant sanftem Anfahren kann das Auto einen ungeplanten Satz nach vorne machen, warum und wann es so reagiert, bleibt das Geheimnis der Software-Ingenieure.
Drittens: All die elektronischen Helferlein, von denen man so leichtfertig sagt, kein Mensch brauche sie, versüßen den Aufenthalt an Bord sehr. Zuallererst gilt das für den Tempomaten mit Abstandsradar – auf Autobahnfahrten mit Tempolimit ist das unterstützte Gleiten sehr entspannend. Und wer sich erst mal daran gewöhnt hat, dass der GLC sich in teilautonomem Fahren übt, der weiß auch dies schnell zu schätzen. Um leichte Kurven steuert das Dickschiff selbstständig, nur wenn das Lenkrad eine gewisse Zeit nicht mehr berührt wurde, kommt die Ermahnung in Form zweier rot leuchtender Hände und eines anschließenden Gebimmels. So ganz allein will er halt doch noch nicht. Angenehm leise Motorisierung, bequeme Ausstattung, komfortables Fahrwerk, nützliche Assistenzsysteme
Hervorragend auch das Head-upDisplay: Die wichtigsten üblicherweise im Armaturenbrett angesiedelten Fahrdaten leuchten dezent in der Frontscheibe vor dem Fahrer. Ein Kollege fand zudem die Sprachsteuerung von Navi, Radio & Co. richtig klasse. Wir weniger. Den Versuch, in Italien eine deutsche Adresse einzugeben, quittierte der komische Apparat mehrfach mit der Frage „Wie bitte?“. Möglicherweise reagiert die Linguatronic in Italien nur auf italienische Befehle. Überhaupt: Die Bedienung – ob manuell oder mündlich – all der technischen Raffinessen ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Der mittige Drehschalter dreht sich, er lässt sich nach links, nach rechts, nach vorne und hinten rucken, und dauernd tut sich was Anderes: Es braucht schon seine Zeit, bis der Pilot in diesem Cockpit heimisch ist. Uneingeschränktes Lob verdienen dagegen das Digitalradio sowie die von ihm abgesonderten Klänge. Dasselbe gilt für die LED-Leuchten inklusive Kurvenlicht.
Der Zweiliter-Benziner markiert preislich den Einstieg ins GLC-Vergnügen. Aber trotz seiner genannten Vorzüge würden wir von dieser Motorisierung abraten. Der Grund ist einfach: Das Kerlchen da vorne beliebt zu saufen. Bei gemächlicher Fahrt durch die Schweiz, wo sich nur Wahnsinnige trauen, schneller als 120 zu fahren, sowie in Italien, wo es auch nicht viel schneller voranging, waren hin und zurück 9,8 Liter Super fällig. Das ist einfach zu viel. Eine SKlasse mit doppelter Zylinderzahl hat vor Jahren auf derselben Strecke auch keinen größeren Durst entwickelt. Die ganze Downsizing-Geschichte aller Hersteller deucht uns sowieso in die Tasche gelogen. Kurz: Wir würden bei diesem Auto zu einem Diesel raten – auch wenn der leichter gebaute Kollege in der Lage war, das Gaspedal so zu streicheln, dass der GLC sich mit 8,6 Litern Super begnügte. Hoher Verbrauch, verwechselbares Design, Bedienung gewöhnungsbedürftig, lange Aufpreisliste
Und dann noch ein Nachwörtchen zu den Preisen. Zu den rund 44 000 Euro Grundpreis für unseren Testwagen gesellen sich rund 22 000 Euro für die Annehmlichkeiten. So ist das halt in dieser Fahrzeugklasse. Dass aber für eine Laderaumabdeckung 60 Mäuse extra fällig sind oder für das Trennnetz im Gepäckraum derer 110, das wirkt ein wenig wunderlich. Das Exterieur namens Exclusive kostet 850 Euro zusätzlich, das Interieur AMG Line 1050. Beides war nicht überlebenswichtig.