Baustelle an Baustelle entlang der B 311
Anwohner sind sauer – Umleitungen kosten Zeit und Geld
Das Fahren auf einer der wichtigsten Ost-WestAchsen in Baden-Württemberg, der B 311, kostet Zeit, Geld und Nerven. Wie hier bei Unlingen im Landkreis Biberach, wo eine Ortsumgehung gebaut wird, reiht sich Baustelle an Baustelle.
ULM - Knapp zwei Stunden dauert die Reise von Tuttlingen nach Ulm im Auto. Normalerweise. Derzeit aber sollte man für die gut 120 Kilometer auf der Bundesstraße 311 bis zu drei Stunden einrechnen. Denn vier zeitgleich eingerichtete, große Baustellen auf der südlichen West-OstAchse Baden-Württembergs behindern den Verkehr, die weitläufig eingerichteten Umleitungen führen über die Dörfer quer durchs Land. In den nächsten Jahren ist mit weiteren Baustellen zu rechnen – deutliche Verbesserungen aber dürfte es nicht geben.
„Sanierungsmaßnahmen sind zur Erhaltung von Straßen notwendig“, erklärt ein Sprecher des Regierungspräsidiums Tübingen. Der Zeitpunkt sei bewusst gewählt: „Aufgrund des erfahrungsgemäß geringeren Verkehrsaufkommens während der Sommerferien führt die Straßenbauverwaltung in dieser Zeit gerne Erhaltungsmaßnahmen durch, um die Beeinträchtigungen für die Verkehrsteilnehmer möglichst gering zu halten.“Saniert wird die Fahrbahn zwischen Heudorf und Meßkirch (Landkreis Sigmaringen) noch bis Mitte kommender Woche, die Bundesstraße ist auf einer Länge von 3,1 Kilometern gesperrt. Wer sich auskennt, fährt – geduldet – auf Schleichwegen durch die Innenstadt von Meßkirch. Wer sich nicht auskennt, muss weiträumig ausweichen und verliert 15 Minuten.
Bitter ist die Baustelle zwischen Meßkirch-Menningen und Krauchenwies-Göggingen für die Bewohner von Göggingen: Hier wird seit Monaten gebaut, 1,2 Kilometer sind gesperrt, die Umleitung über Sigmaringen-Laiz ist umständlich und kostet 20 Minuten. Immer wieder fahren Autos trotz des Verbotes durch die Baustelle und auch gerne durch Vorgärten, sodass Anwohner sich wehren: Sie stellen Hindernisse wie Tonnen oder Blumenkübel auf.
Und es geht um Geld: „Schlimm, schlimm, ganz schlimm!“40 Prozent Umsatzverlust verzeichnet Rosemarie Biehler, die gemeinsam mit ihrem Mann Peter ein Lebensmittelgeschäft in Göggingen betreibt: „Es gibt keine Entschädigung für unsere Verluste, das Finanzamt aber will trotz des niedrigen Umsatzes seine Vorsteuer wie gewohnt.“Die Kauffrau beobachtet auch, dass auf der Baustelle nur mit halber Kraft („wenn überhaupt so viel!“) gearbeitet wird: „Wo gibt’s denn heute noch so etwas, dass die Firmen wochenlang Urlaub machen!“
Weiter geht’s auf der B 311 in Richtung Ulm zur nächsten Baustelle, in Riedlingen. Die Fahrtrichtung von Tuttlingen nach Ulm gleicht am Ortsausgang von Riedlingen einer Slalomstrecke. Aber die Straße ist wenigstens befahrbar. Über Wochen wurde eine Lärmschutzwand gebaut, die in diesen Tagen fertig wird. Die Wand ist Teil einer großen Maßnahme zur Aufhebung des Bahnüberganges in der Eichenau. Dazu zählen die Verlängerung der Industriestraße, der Umbau des Knotenpunktes und die Lärmschutzwand. Die Kosten liegen bei 2,5 Millionen Euro. Das Regierungspräsidium schiebt die Verantwortung an die Stadt: „Die Baustelle an der B 311 im Bereich Daimlerstraße/Veringer Straße in Riedlingen liegt in der Verantwortung der Stadt Riedlingen.“Diese Baustelle in Riedlingen ist für Autofahrer, die in Gegenrichtung von Ulm nach Tuttlingen reisen, ärgerlich: Denn die B 311 ist zwischen Unlingen und Riedlingen in Fahrtrichtung Tuttlingen voll gesperrt. Hier Die Bundesstraße 311 zwischen Geisingen (Landkreis Tuttlingen) und Ulm zählt heute zu den wichtigsten Ost-West-Verbindungen in Baden-Württemberg und ist dementsprechend stark befahren. Vor allem Lkw, die zwischen dem Großraum München und Frankreich unterwegs sind, belasten die Strecke: Sie zahlen keine Maut, die auf den Autobahnen 8 und 5 fällig würde. In den vergangenen Jahren sind einige Teilabschnitte (vor allem Steigungsstrecken) dreispurig ausgebaut worden, um sichere Überholmöglichkeiten zu schaffen. (mö) erfordert die Umleitung besondere Geduld, führt sie doch über enge Landstraßen ohne Überholmöglichkeiten. Wer dann einen Lkw vor sich hat, braucht mit 20 Minuten viel Zeit, bis er in Riedlingen wieder auf die B 311 kommt. Nur ein Vorgeschmack Wenige Kilometer weiter wird der Autofahrer wieder aufgehalten: Zwischen dem kleinen Ort Unlingen und Obermarchtal ist eine kurze Umleitung eingerichtet. Dort wird die vier Kilometer lange Ortsumfahrung für Unlingen gebaut. Kosten: 16 Millionen Euro. Bis zur Freigabe dürfte es Herbst 2017 werden.
Die aktuellen Baustellen sind nur ein Vorgeschmack auf geplante Projekte in den kommenden Jahren. Denn im neuen Bundesverkehrswegeplan ist der Bau mehrerer Ortsumfahrungen für Riedlingen (Kreis Biberach, vier Kilometer für 23,9 Millionen Euro), Obermarchtal (AlbDonau-Kreis, 2,6 Kilometer für 11,7 Millionen Euro) und Deppenhausen (Alb-Donau-Kreis, 1,9 Kilometer für 9,9 Millionen Euro) sowie Immendingen (Kreis Tuttlingen, 3,6 Kilometer für 19,8 Millionen Euro) im vordringlichen Bedarf aufgelistet. Dies würde die B 311 als Verkehrsachse insgesamt stärken. Doch ist der Baubeginn ungewiss, die Finanzierung bisher völlig unklar.
In weite Ferne gerückt ist auch die sogenannte Nordtrasse im Landkreis Sigmaringen, die die alte B 311 mit der wegen ihrer Kurven gefürchteten Ortsdurchfahrt von Krauchenwies ersetzen und auf 13,6 Kilometern Mengen mit dem kleinen Ort Engelswies direkt anbinden könnte. Die Kosten belaufen sich nach groben Schätzungen auf gut 100 Millionen Euro.
Diese Lösung würde neun Ortschaften zwischen Mengen, Sigmaringen und Meßkirch vom Durchgangsverkehr, das sind 12 000 Fahrzeuge pro Tag, entlasten. Im Bundesverkehrswegeplan ist diese Trasse nur als „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ausgewiesen, mit dem Bau ist in den nächsten zehn oder sogar 20 Jahren nicht zu rechnen. Bedeutung für Unternehmen „Die Region kämpft mit einer Stimme für den Ausbau der B 311“, hatte die Sigmaringer Landrätin Bürkle im Dezember 2015 gesagt. Einen wichtigen Mitstreiter hat Bürkle im Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ulm, Otto Sälzle: „Mancher Tunnel ist so teuer wie alle 13 Ortsumfahrungen zusammen.“Für Unternehmen sei die Straße von entscheidender Bedeutung. Sälzle nennt gerne als Beispiel den Liebherr-Standort in Ehingen: Der Kranbauer habe wegen der schlechten Anbindung ein massives Problem, Kunden für einen Besuch in Ehingen zu begeistern und die neueste Technologie vor Ort zu testen.