Trossinger Zeitung

Baustelle an Baustelle entlang der B 311

Anwohner sind sauer – Umleitunge­n kosten Zeit und Geld

- FOTO: THOMAS WARNACK

Das Fahren auf einer der wichtigste­n Ost-WestAchsen in Baden-Württember­g, der B 311, kostet Zeit, Geld und Nerven. Wie hier bei Unlingen im Landkreis Biberach, wo eine Ortsumgehu­ng gebaut wird, reiht sich Baustelle an Baustelle.

ULM - Knapp zwei Stunden dauert die Reise von Tuttlingen nach Ulm im Auto. Normalerwe­ise. Derzeit aber sollte man für die gut 120 Kilometer auf der Bundesstra­ße 311 bis zu drei Stunden einrechnen. Denn vier zeitgleich eingericht­ete, große Baustellen auf der südlichen West-OstAchse Baden-Württember­gs behindern den Verkehr, die weitläufig eingericht­eten Umleitunge­n führen über die Dörfer quer durchs Land. In den nächsten Jahren ist mit weiteren Baustellen zu rechnen – deutliche Verbesseru­ngen aber dürfte es nicht geben.

„Sanierungs­maßnahmen sind zur Erhaltung von Straßen notwendig“, erklärt ein Sprecher des Regierungs­präsidiums Tübingen. Der Zeitpunkt sei bewusst gewählt: „Aufgrund des erfahrungs­gemäß geringeren Verkehrsau­fkommens während der Sommerferi­en führt die Straßenbau­verwaltung in dieser Zeit gerne Erhaltungs­maßnahmen durch, um die Beeinträch­tigungen für die Verkehrste­ilnehmer möglichst gering zu halten.“Saniert wird die Fahrbahn zwischen Heudorf und Meßkirch (Landkreis Sigmaringe­n) noch bis Mitte kommender Woche, die Bundesstra­ße ist auf einer Länge von 3,1 Kilometern gesperrt. Wer sich auskennt, fährt – geduldet – auf Schleichwe­gen durch die Innenstadt von Meßkirch. Wer sich nicht auskennt, muss weiträumig ausweichen und verliert 15 Minuten.

Bitter ist die Baustelle zwischen Meßkirch-Menningen und Krauchenwi­es-Göggingen für die Bewohner von Göggingen: Hier wird seit Monaten gebaut, 1,2 Kilometer sind gesperrt, die Umleitung über Sigmaringe­n-Laiz ist umständlic­h und kostet 20 Minuten. Immer wieder fahren Autos trotz des Verbotes durch die Baustelle und auch gerne durch Vorgärten, sodass Anwohner sich wehren: Sie stellen Hinderniss­e wie Tonnen oder Blumenkübe­l auf.

Und es geht um Geld: „Schlimm, schlimm, ganz schlimm!“40 Prozent Umsatzverl­ust verzeichne­t Rosemarie Biehler, die gemeinsam mit ihrem Mann Peter ein Lebensmitt­elgeschäft in Göggingen betreibt: „Es gibt keine Entschädig­ung für unsere Verluste, das Finanzamt aber will trotz des niedrigen Umsatzes seine Vorsteuer wie gewohnt.“Die Kauffrau beobachtet auch, dass auf der Baustelle nur mit halber Kraft („wenn überhaupt so viel!“) gearbeitet wird: „Wo gibt’s denn heute noch so etwas, dass die Firmen wochenlang Urlaub machen!“

Weiter geht’s auf der B 311 in Richtung Ulm zur nächsten Baustelle, in Riedlingen. Die Fahrtricht­ung von Tuttlingen nach Ulm gleicht am Ortsausgan­g von Riedlingen einer Slalomstre­cke. Aber die Straße ist wenigstens befahrbar. Über Wochen wurde eine Lärmschutz­wand gebaut, die in diesen Tagen fertig wird. Die Wand ist Teil einer großen Maßnahme zur Aufhebung des Bahnüberga­nges in der Eichenau. Dazu zählen die Verlängeru­ng der Industries­traße, der Umbau des Knotenpunk­tes und die Lärmschutz­wand. Die Kosten liegen bei 2,5 Millionen Euro. Das Regierungs­präsidium schiebt die Verantwort­ung an die Stadt: „Die Baustelle an der B 311 im Bereich Daimlerstr­aße/Veringer Straße in Riedlingen liegt in der Verantwort­ung der Stadt Riedlingen.“Diese Baustelle in Riedlingen ist für Autofahrer, die in Gegenricht­ung von Ulm nach Tuttlingen reisen, ärgerlich: Denn die B 311 ist zwischen Unlingen und Riedlingen in Fahrtricht­ung Tuttlingen voll gesperrt. Hier Die Bundesstra­ße 311 zwischen Geisingen (Landkreis Tuttlingen) und Ulm zählt heute zu den wichtigste­n Ost-West-Verbindung­en in Baden-Württember­g und ist dementspre­chend stark befahren. Vor allem Lkw, die zwischen dem Großraum München und Frankreich unterwegs sind, belasten die Strecke: Sie zahlen keine Maut, die auf den Autobahnen 8 und 5 fällig würde. In den vergangene­n Jahren sind einige Teilabschn­itte (vor allem Steigungss­trecken) dreispurig ausgebaut worden, um sichere Überholmög­lichkeiten zu schaffen. (mö) erfordert die Umleitung besondere Geduld, führt sie doch über enge Landstraße­n ohne Überholmög­lichkeiten. Wer dann einen Lkw vor sich hat, braucht mit 20 Minuten viel Zeit, bis er in Riedlingen wieder auf die B 311 kommt. Nur ein Vorgeschma­ck Wenige Kilometer weiter wird der Autofahrer wieder aufgehalte­n: Zwischen dem kleinen Ort Unlingen und Obermarcht­al ist eine kurze Umleitung eingericht­et. Dort wird die vier Kilometer lange Ortsumfahr­ung für Unlingen gebaut. Kosten: 16 Millionen Euro. Bis zur Freigabe dürfte es Herbst 2017 werden.

Die aktuellen Baustellen sind nur ein Vorgeschma­ck auf geplante Projekte in den kommenden Jahren. Denn im neuen Bundesverk­ehrswegepl­an ist der Bau mehrerer Ortsumfahr­ungen für Riedlingen (Kreis Biberach, vier Kilometer für 23,9 Millionen Euro), Obermarcht­al (AlbDonau-Kreis, 2,6 Kilometer für 11,7 Millionen Euro) und Deppenhaus­en (Alb-Donau-Kreis, 1,9 Kilometer für 9,9 Millionen Euro) sowie Immendinge­n (Kreis Tuttlingen, 3,6 Kilometer für 19,8 Millionen Euro) im vordringli­chen Bedarf aufgeliste­t. Dies würde die B 311 als Verkehrsac­hse insgesamt stärken. Doch ist der Baubeginn ungewiss, die Finanzieru­ng bisher völlig unklar.

In weite Ferne gerückt ist auch die sogenannte Nordtrasse im Landkreis Sigmaringe­n, die die alte B 311 mit der wegen ihrer Kurven gefürchtet­en Ortsdurchf­ahrt von Krauchenwi­es ersetzen und auf 13,6 Kilometern Mengen mit dem kleinen Ort Engelswies direkt anbinden könnte. Die Kosten belaufen sich nach groben Schätzunge­n auf gut 100 Millionen Euro.

Diese Lösung würde neun Ortschafte­n zwischen Mengen, Sigmaringe­n und Meßkirch vom Durchgangs­verkehr, das sind 12 000 Fahrzeuge pro Tag, entlasten. Im Bundesverk­ehrswegepl­an ist diese Trasse nur als „Weiterer Bedarf mit Planungsre­cht“ausgewiese­n, mit dem Bau ist in den nächsten zehn oder sogar 20 Jahren nicht zu rechnen. Bedeutung für Unternehme­n „Die Region kämpft mit einer Stimme für den Ausbau der B 311“, hatte die Sigmaringe­r Landrätin Bürkle im Dezember 2015 gesagt. Einen wichtigen Mitstreite­r hat Bürkle im Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer Ulm, Otto Sälzle: „Mancher Tunnel ist so teuer wie alle 13 Ortsumfahr­ungen zusammen.“Für Unternehme­n sei die Straße von entscheide­nder Bedeutung. Sälzle nennt gerne als Beispiel den Liebherr-Standort in Ehingen: Der Kranbauer habe wegen der schlechten Anbindung ein massives Problem, Kunden für einen Besuch in Ehingen zu begeistern und die neueste Technologi­e vor Ort zu testen.

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FOTO: THOMAS WARNACK Die Baustelle für die vier Kilometer lange Ortsumfahr­ung, die Unlingen (Landkreis Biberach) vom Durchgangs­verkehr auf der Bundesstra­ße 311 und damit etwa 12 000 Autos pro Tag entlasten soll. Die Kosten betragen 16 Millionen Euro. Die Freigabe ist für Herbst 2017 geplant.
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