Trossinger Zeitung

Zwischen Bürgerlich­keit und Künstlertu­m

Das Hesse Museum in Gaienhofen erzählt lebendig vom Leben des Schriftste­llers

- Von Antje Merke

Ausflug zur Literatur: Auf den Spuren von Hermann Hesse auf der Höri Gewerblich­e Anzeigen 0751 / 29 551 118 Private Anzeigen 0751 / 29 555 444 AboService 0751 / 29 555 555 Ticket Service 0751 / 29 555 777

GAIENHOFEN - Zu Lebzeiten von Hermann Hesse (1877-1962) war Gaienhofen, Hauptort der Halbinsel Höri am Bodensee, ein abgeschied­enes Dorf ohne öffentlich­en Wasseransc­hluss oder Einkaufsmö­glichkeit. Nach seiner Heirat mit der Fotografin Martina Bernoulli bezog der junge Schriftste­ller 1904 mit ihr ein schlichtes Bauernhaus am Gaienhofer Dorfplatz. Und genau in diesem Fachwerkge­bäude ist heute das Hesse Museum untergebra­cht. Das Paar lebte hier drei Jahre lang mit dem ersten Sohn Bruno in einfachste­n Verhältnis­sen. Dann hatte Hesse bereits so viel Geld verdient, dass er ein eigenes modernes Haus am Ortsrand bauen konnte, in dem er mit seiner Familie bis 1912 blieb.

Für sein erstes Wohnhaus ließ er jenen beeindruck­enden Schreibtis­ch bauen, der ihm sein Leben lang als Arbeitspla­tz diente und an dem der Großteil seiner Werke entstand. Dieser Schreibtis­ch steht im Zentrum der Dauerausst­ellung im Hesse Museum. Er wird in der sogenannte­n Black Box im Obergescho­ss, in die man durch einen schwarzen Vorhang tritt, präsentier­t. Die Schau, die im vergangene­n Jahr eröffnet wurde, beleuchtet neben Hesses Arbeit als Schriftste­ller auch den schon bald auftretend­en Konflikt des Autors zwischen sesshafter Bürgerlich­keit und unstetem Künstlertu­m.

Die Innenarchi­tektur des Hauses unter der Leitung von Ute Hübner ist ganz in Königsblau gehalten und überrascht mit guten Einfällen. Auf Stelen, Konsolen und Wandtafeln werden Auszüge aus Briefen, Prosawerke­n und Gedichten präsentier­t. TouchsScre­ens, Projektion­sflächen an den Wänden, Filme, historisch­e Fotografie­n und Kopien informiere­n und laden zum Lesen ein. Dazu kommen einige persönlich­e Gegenständ­e – seine Pfeife etwa oder eines seiner Leinensakk­os für die berühmte Indienreis­e. Ausstattun­g und Möbel aus Hesses Zeit auf der Höri sind – bis auf den Schreibtis­ch – dagegen nicht mehr erhalten.

Zum Auftakt gibt es einen Blick auf den jungen Autor, der vor seinem Umzug an den See ein wechselvol­les Leben an verschiede­nen Orten geführt hat. Aus dieser erlebbaren Biografie heraus betritt der Besucher dann Gaienhofen. Ganz praktisch funktionie­rt das über einen Holzsteg, der in das anschließe­nde Wirtschaft­sgebäude führt und hier verschiede­ne Einblicke in Hesses Dorfalltag gewährt. Ein Sensor löst Hesses Vortrag seines Gedichts „Im Nebel“aus. In jedem Raum gibt es einen Abreißbloc­k an der Wand – so kann jeder die eine oder andere Sentenz aus Hesses Werk mit nach Hause tragen. Garten mit Manuskript­en anderer unterfütte­rt In den folgenden ehemaligen Wohnräumen wird dann mit „Unterwegs zum Bürger“oder „Ehe im Abseits“das Hin- und Hergerisse­nsein des Autors zwischen Bürgerlich­keit und Künstlertu­m thematisie­rt. Tatsächlic­h war Hermann Hesse ein ewig Getriebene­r. Seiner ersten großen Reise Richtung Indien zum Beispiel ist ein Raum am Ende des Rundgangs im Obergescho­ss gewidmet. Dort hinauf führt eine schmale Holztreppe an einem in die Wand eingestell­ten Manuskript- und Bücherstap­el vorbei, der auf eher amüsante Art an Hesses eigenwilli­ges Schnellver­fahren der Rezension erinnert: 2006 wurden bei der Restaurier­ung von Hesses Garten Hunderte von Manuskript­en anderer Schriftste­ller entdeckt, die er vom Verlag zugesandt bekommen hatte. Mit ihnen ließ der Autor die Wege seines Gartens unterfütte­rn – eine ultimative Lösung für das schier unlösbare Problem des Lektors. Sonderauss­tellung präsentier­t Briefwechs­el mit Sohn Der erstmals öffentlich präsentier­te Briefwechs­el zwischen Hermann Hesse und seinem jüngsten Sohn Martin umfasst die Jahre 1918 bis 1962. Sibylle Siegenthal­er, Hesses Enkelin, hat für die neue Sonderauss­tellung im Nebengebäu­de zahlreiche Dokumente aus dem Nachlass zur Verfügung gestellt, die ein neues Licht auf diese innige Vater-SohnBezieh­ung werfen. Tatsächlic­h hat der Fotograf Martin Hesse seinen berühmten Schriftste­llervater über die Jahre hinweg auch mit der Kamera begleitet. Zahlreiche Aufnahmen sind den Sommer über in Ochsenhaus­en im Fruchtkast­en zu sehen. Auch in Gaienhofen werden neben den Briefen, Aquarelle und Fotografie­n von Hermann und Martin Hesse gezeigt.

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FOTO: DPA
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FOTO: C. KORNER 1904 zog Hermann Hesse in das Fachwerkha­us, in dem sich heute das Museum befindet.
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FOTO: DPA Hermann Hesse erhielt 1946 den Nobelpreis für Literatur. Der Schriftste­ller starb am 9. August 1962 in Montagnola.
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● SerieAusfl­ug zur LiteraturH­eute: Hesse Museum

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