Mit Sicherheit Wahlkampf
CDU-Minister aus Schwerin und Berlin geben sich als Hardliner – Dort wird bald gewählt
BERLIN - Der Streit über die muslimische Vollverschleierung hat die Unionsinnenminister entzweit. Die wahlkämpfenden Hardliner aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, Lorenz Caffier und Frank Henkel, mussten am Donnerstag um Gesichtswahrung ringen, denn ihre Rufe nach dem Totalverbot von Burka und Niqab stießen selbst in CDUReihen auf Ablehnung.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will aber das „Gebot“durchsetzen, sein „Gesicht zu zeigen“: Hinterm Steuer, beim Standesoder Meldeamt soll die Vollverschleierung verschwinden. Das soll in der „Berliner Erklärung“zur Inneren Sicherheit aufgegriffen werden, auf die sich die Ressortchefs der Unionsländer bis heute mit de Maizière (CDU) einigen wollen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich, die Sicherheitsdebatte von der Flüchtlingskrise abzukoppeln: Der islamistische Terrorismus sei „nicht durch die Flüchtlinge zu uns gekommen“, sagte sie bei einer Wahlkampfveranstaltung in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern, bei der sie Caffier den Rücken stärkte. In gut zwei Wochen wird dort gewählt. Und der CDU-Spitzenkandidat versucht mit markigen Sprüchen potenzielle AfD-Sympathisanten zu erreichen, um ein Wahldebakel zu verhindern: Die Burka „gehört nicht ins Straßenbild“, mit einem Verbot müsse auch das „Sicherheitsgefühl“der Menschen berücksichtigt werden, fordert er. Von den Innenministerkollegen ist aber nur noch der Berliner Henkel auf seiner Seite, für den die Burka ein „Käfig aus Stoff“ist und verboten gehört. Mit seiner harten Haltung hat er sich längst von den potenziellen Koalitionspartnern in Berlin entfremdet. Nur ein Bündnis „jenseits der Henkel-CDU“könne Berlin voranbringen, meint SPD-Bürgermeister Michael Müller. Kompromiss zeichnet sich ab Die Schwergewichte unter den Unionsinnenministern pfeifen Henkel und Caffier zurück: „Die Burka ist kein Sicherheitsproblem in unserem Land“, beschied Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) kühl.
Gleichwohl gehen Caffier und Henkel nicht ganz mit leeren Händen aus dem Ringen hervor. De Maizière skizzierte den sich abzeichnenden Kompromiss. Es soll nach Wegen gesucht werden, das Gebot „Gesicht zu zeigen“durchzusetzen, wo es notwendig sei. Ein Verbot der Vollverschleierung an sensiblen Orten hält auch die SPD für grundgesetzkonform, wie Partei-Vize Ralf Stegner wissen ließ. Auch Merkel signalisierte in einem Interview mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland Unterstützung für diesen Ansatz. „Aus meiner Sicht hat eine vollverschleierte Frau in Deutschland kaum eine Chance, sich zu integrieren“, betonte sie.
Unstrittig ist die Aufstockung der Polizeikräfte – auch das wird in der „Berliner Erklärung“verlangt – und schon seit Langem von der SPD gefordert. Zur personellen Aufstockung müssten zudem „mehr Eingriffsmöglichkeiten“etwa im Internet kommen, schaltete sich die Kanzlerin in die Debatte ein. Merkel ist dafür, die herkömmliche Videoüberwachung durch Möglichkeiten der Gesichtserkennung weiterzuentwickeln. Der Vorschlag findet sich auch im Maßnahmenkatalog, den Thomas de Maizière vor einer Woche präsentierte. Daraus und aus der „Berliner Erklärung“soll ein „Gesamtpaket“zur Inneren Sicherheit geschnürt werden, kündigte die Kanzlerin an.
Noch ist unklar, wie die Abschiebungsregeln verändert werden sollen, um radikalisierte oder straffällige Asylbewerber schneller ins Flugzeug setzen zu können. Dass es oft nicht an den Regeln liegt, sondern an der Umsetzung, machte eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken deutlich: Seit Anfang 2015 wurden 600 Flugzeug-Abschiebungen im letzten Moment gestoppt. In 330 Fällen war der Grund, dass sich die Betroffenen heftig wehrten. In 160 Fällen weigerten sich Piloten oder Fluglinien, die abgelehnten Asylbewerber außer Landes zu bringen. Nur in 37 Fällen weigerten sich die Zielstaaten, die Menschen aufzunehmen. Was mit den Betroffenen nach der gestoppten Abschiebung geschehen ist, teilte das Bundesinnenministerium nicht mit.