Trossinger Zeitung

Mit zwei lachenden Augen

Horst Hrubesch hat die Olympia-Fußballer ins Finale gegen Brasilien geführt – Sein letztes Spiel als DFB-Trainer ist „eine riesige Geschichte“

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RIO DE JANEIRO (SID/dpa) - Auf eine wilde Party hat Horst Hrubesch keine Lust, schon wegen seines Rückens nicht. „Mir fehlt eine Bandscheib­e. Am Ende kann ich dann zwei Tage nicht mehr laufen“, sagt der 65-Jährige und zwinkert mit den Augen. Für sein letztes großes Spiel erhofft sich der DFB-Trainer daher den eher klassische­n Jubel: „Ich nehme lieber die Bierdusche.“

Gefeiert wird Hrubesch nach dem Olympiafin­ale gegen Brasilien am heutigen Samstag (22.30 MESZ) so oder so. Der Einzug ins Endspiel ist bereits mehr, als erwartet worden war, und der scheidende Coach hat an diesem Erfolg großen Anteil. „Er ist ein geiler Typ. Wir sind sehr froh, ihn zu haben“, sagt nicht nur Mittelfeld­spieler Julian Brandt.

Ein Hauch Wehmut war dann auch spürbar, als Hrubesch im MaracanãSt­adion zur Abschluss-Pressekonf­erenz schritt. „Ich erlebe das alles hier sehr bewusst, vielleicht mit einem weinenden, aber eher mit zwei lachenden Augen“, sagte Hrubesch und betonte: „Ich wusste immer, dass der Weg enden wird. Für mich ist das kein Abschied.“

Für die Spieler indes schon. Immer wieder betont die Mannschaft, den Trainer unbedingt mit Gold beschenken zu wollen. „So ein letztes Spiel zu haben, ist für ihn ein Riesending“, sagt Niklas Süle. Der Leverkusen­er Brandt denkt schon einen Schritt weiter: „Wenn wir dieses Finale gewinnen sollten, ist er uns wahrschein­lich ewig dankbar. Er lebt dieses Turnier komplett.“

Genau genommen lebt Horst Hrubesch nicht nur Olympia, sondern Fußball insgesamt. Noch heute schwärmen die wenigen Zaungäste davon, wie Hrubesch 2015 bei der U21-EM im Training den Ball aus 40 Metern in den Winkel gehämmert hatte. Und dann, weil kaum jemand zugeschaut hatte, das Kunststück zehn Sekunden später mit gleicher Präzision und Wucht wiederholt­e, ohne mit der Achsel zu zucken. „Ich habe bis jetzt selten einen Trainer erlebt, der den Fußball so lebt, der trotz seines Alters am liebsten noch selbst auf den Platz gehen möchte und Tore schießen will. Das ist unfassbar“, sagt Brandt: „Ich glaube, dass wir uns und Horst Hrubesch über die deutsche Marschrout­e gegen Brasilien insbesonde­re ihm bislang einen Riesengefa­llen getan haben.“

Gold gegen Brasilien wäre der krönende Abschluss. Die Tageszeitu­ng „Folha de São Paulo“stellte ihren Lesern den deutschen Trainer am Donnerstag als „Monstro do Cabeceio“vor, als ehemaliges Kopfball-Ungeheuer also. Dabei schwang eine Menge Respekt mit vor dem Mann, der dem Topfavorit­en aus Südamerika die Goldmedail­le klauen will.

Für heute hat Hrubesch sich vorgenomme­n, das Finale einfach nur zu genießen. Als Kind saß er fasziniert vor dem Fernseher und träumte von einer Olympiatei­lnahme, nun kämpft er im Maracanã mit seiner Mannschaft um Gold. „Für mich ist das eine riesige Geschichte, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich freue mich unglaublic­h auf das Spiel“, sagt Hrubesch. Und ein kleines bisschen wohl auch auf die Party danach. Die voraussich­tliche deutsche Startelf: Horn - Toljan, Ginter, Süle, Klosterman­n - Sven Bender - Brandt, Lars Bender, Meyer, Gnabry - Selke.

„Wir werden offensiv spielen. Wir werden das spielen, was wir im Turnier gezeigt haben. Wir können uns nicht hinten reinstelle­n.“

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FOTO: DPA Versilbert ist sein Abschied bereits: Horst Hrubesch.

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