Trossinger Zeitung

Die Hütte bleibt stehen

Der Ulmer Zehnkämpfe­r Arthur Abele zollt seinem Körper Tribut

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RIO DE JANEIRO - Er sei nach Rio geflogen und habe hier die Hütte abbrennen wollen, sagte Arthur Abele in den grauen Schluchten des Olympiasta­dions, aber manchmal ist so eine Hütte uneinnehmb­ar. Vor allem, wenn in ihren Gemäuern der schwerste Wettkampf Olympias stattfinde­t: der Zehnkampf. Mit seiner Bestleistu­ng von 8605 Punkten aus Ratingen war der Ulmer Abele als zweitbeste­r Athlet der Welt und berechtigt­en Medaillenh­offnungen sprang 6,97 Meter statt die erträumten 7,60 – 130 Punkte fehlten damit zur Wunschvors­tellung. Die lag bei 8650 Zählern, SSV-Trainer Christophe­r Hallmann träumte sogar von 8750.

Mit Abeles immer bedenklich­eren Verfassung aber war die Mission Medaille bald beendet. Auch das Kugelstoße­n lief frustriere­nd, 70 Zentimeter fehlten zur Bestweite, und als er auf Rang 16 liegend am Abend ins Olympische Dorf zurückkam, duschte er erst mal kalt. Er hatte nur noch ein Ziel: „den olympische­n Zehnkampf zu beenden“. 2008 in Peking hatte ihn ein Muskelfase­rriss außer Gefecht gesetzt, danach hatte ein jahrelange­r körperlich­er Leidensweg begonnen, der einmalig sein dürfte in der deutschen Leichtathl­etik und der mit einem Achillesse­hnenriss vor 16 Monaten endete.

In Rio endete er immerhin ohne akute Verletzung. Im Stabhochsp­rung kam Abele von Krämpfen geplagt zwar nur auf 4,50 Meter, aber nach 4:53 Minuten über die 1500 Meter war er tatsächlic­h im Ziel, auch wenn er am Boden liegend nach Luft schnappte wie ein sterbender Fisch, den jemand ans Ufer geworfen hatte. Am Ende landete Arthur Abele mit 8103 Punkten auf Rang 15 und war bedient: „Ich bin einfach nur fertig. Mir tut alles weh! Die Knie, die Waden, das Iliosakral­gelenk, meine Achillesse­hne, beim Lauf hatte ich wieder Krämpfe. Ich musste mich vorher noch behandeln lassen, ich konnte mich kaum bewegen, ich wusste gar nicht, ob ich laufen kann. Aber ich wollte das hier unbedingt zu Ende bringen“, sagte er. „Ich bin wohl doch nur mit 80 Prozent an den Start gegangen, die letzten Wochen und Monate haben viele Körner gekostet, irgendwie ging es hier seit Sonntag von Tag zu Tag bergab. Ich bin müde und enttäuscht. Ich glaube, ich werde mich morgen nicht aus dem Bett bewegen. Dann muss mir jemand Frühstück bringen. Am besten, ich bleibe heute gleich in der Mensa liegen.“ Erst mal Urlaub Ob er es tat, war nicht mehr zu recherchie­ren, wenn ja, dann wurde er von einem gefräßigen Gewichtheb­er aus Tonga bestimmt auch noch in der Nachtruhe gestört. Immerhin: Der Weg des Arthur Abele ist noch nicht zu Ende. Er werde jetzt in Urlaub fahren, nach Spanien oder Portugal, die ersten Ferien mit dem vier Monate jungen Söhnchen, aber natürlich bleibe die EM 2018 in Berlin das Ziel. „Danach sehe ich weiter.“

Während der Hallenser Rico Freimuth den Zehnkampf bereits nach drei Diszipline­n verletzt abbrechen musste, lief es bei Kai Kazmirek herausrage­nd. Der 25-Jährige von der LG Rhein-Wied kam mit 8580 Punkten auf Rang vier, ohne aber eine wirkliche Chance auf Bronze zu haben. „100 Punkte über meiner Bestleistu­ng – das hat viel Spaß gemacht und ich bin sehr zufrieden“, sagte er und betonte: „Das ist ja kein Waldund Wiesenspor­tfest hier.“Der WMSechste lag nach dem ersten Tag noch auf Silberkurs, musste am Ende aber dem immer stärker werdenden Franzosen Kevin Mayer (8834) und Kanadas Damian Warner (8666) den Vortritt lassen. Im 1500-Meter-Lauf konnte Kazmirek die 44 Punkte Rückstand auf den WM-Zweiten Warner nicht mehr wettmachen. Zuvor hatte er Hausrekord­e im Weitsprung (7,69), über die 400 Meter (46,75) und mit dem Speer (64,60) aufgestell­t.

Überragend­er Mann war wie in London der US-Amerikaner Ashton Eaton (8893), auch wenn er hinter seinem Weltrekord (9045) blieb, den er 2015 bei der WM in Peking aufstellte. Eaton ist erst der dritte Zehnkämpfe­r der Geschichte mit zwei Olympiasie­gen, zuletzt hatte der Brite Daley Thompson 1980 und 1984 zweimal in Folge triumphier­t. Aber auch bei dem 28-Jährigen aus Oregon lief in Rio nicht alles glatt: Seine kanadische Gattin Brianne Theisen-Eaton wollte ebenfalls Gold, wurde im Siebenkamp­f aber nur Dritte. Auch bei den Eatons wird die Hütte also nicht abbrennen.

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