Die Hälfte von allem
Die Hälfte von Bildung, Gesundheit, Vermögen und Macht für die Frauen – das ist eine Forderung, der zumindest in den westlichen Industrieländern jeder zustimmen dürfte. Doch wenn es ums Verteilen geht, ist die Sache nicht mehr so einfach. Wie weit wir in Wahrheit noch davon entfernt sind, zeigt der jetzt veröffentlichte „Global Gender Gap Report 2016“. Auf die Erfüllung ihrer berechtigten Wünsche müssen Frauen weltweit gesehen noch 170 Jahre warten.
Noch schlimmer: Die Gleichberechtigung ist im Rückwärtsgang. 2015 trennten das weibliche Geschlecht noch 118 Jahre von diesem Ziel. Auch Deutschland scheint bei der Gleichstellung zurückzufallen. Im weltweiten Ranking sind wir seit 2006 von Platz fünf auf Platz 13 abgerutscht. Das heißt zunächst nur, dass andere im Vergleich aufgeholt haben. Wenn die Gleichstellung schon auf hohem Niveau ist, wird der Fortschritt mühsamer und muss in harter Kleinarbeit erkämpft werden. Vorgaben der Politik, Aufsichtsräte weiblicher zu besetzen oder Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern in den Betrieben offenzulegen, mögen unbequem sein, sind jedoch gerade deshalb wichtige Symbole.
Der Schlüssel liegt allerdings bei der Wirtschaft. Weil die Unternehmen Frauen als Fachkräfte brauchen, hat sich in den vergangenen Jahren bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie viel getan. Einzelne Konzerne wie Bosch und ZF rechnen ihren Mitarbeitern Familienzeiten als Karrierebausteine an. Soll sich Gleichberechtigung verwirklichen, müssen solche Maßnahmen die Regel werden. Eine Chance hierzu bietet der technologische Fortschritt. Die Digitalisierung ermöglicht die Auflösung starrer Arbeitszeiten und erleichtert das mobile Arbeiten. Eine Chance, die die Wirtschaft nutzen sollte, um mehr Frauen den beruflichen Aufstieg zu erleichtern, auch wenn sie Kinder haben. Teilzeit, auch in Führungspositionen, darf kein Nachteil sein. Gleichzeitig sollten auch Väter selbstverständlicher Familienaufgaben übernehmen können – die Hälfte davon. Damit auch Frauen die Hälfte bekommen, die ihnen zusteht.