Trossinger Zeitung

Preiskampf bei Rettungsgr­abungen

Werden unter einem Grundstück Bodendenkm­äler vermutet, müssen diese dokumentie­rt werden – In Bayern machen diesen Job private Firmen

- Von Katharina Mau

ERDING (lby) - Die Sonne prallt auf den hellen Kalkboden, keine Wolke ist am Himmel. Das Röhren des Baggers und das Krachen der Steine durchbrich­t die Nachmittag­sstille im Erdinger Stadtteil Altenerdin­g. Marc Miltz kniet auf dem Boden, streicht mit der Hand über eine runde Fläche, die sich dunkel von dem hellen Boden abhebt. „An den Verfärbung­en im Boden sehen wir die Bodeneingr­iffe“, erklärt der Archäologe. „Jeder dunkle Fleck ist ein Loch, das Menschen irgendwann gemacht haben.“Wie lange das her ist, kann man nur bestimmen, wenn man in den Löchern etwas findet, zum Beispiel die Scherbe eines Tonkrugs. Miltz trägt eine gelbe Warnweste. Er arbeitet für die Münchner Grabungsfi­rma Planateam.

„Bis in die 1990er-Jahre wurden Ausgrabung­en vom Landesamt für Denkmalpfl­ege gemacht, danach wurden diese Schritt für Schritt zurückgefa­hren“, sagt Stefan Mühlemeier, Vorsitzend­er des Landesverb­ands Selbststän­diger Archäologe­n in Bayern. „Heute gräbt das Landesamt für Denkmalpfl­ege überhaupt nicht mehr.“Damit ist Bayern das einzige Bundesland, in dem die sogenannte­n Rettungsgr­abungen ausschließ­lich von privaten Firmen durchgefüh­rt werden und der Landesverb­and der Selbststän­digen Archäologe­n ist der einzige bundesweit. Auflagen an Bauherren Der Verband vermittelt zwischen dem Landesamt für Denkmalpfl­ege und den privaten Grabungsfi­rmen. Das Spannungsf­eld beschreibt Mühlemeier so: „Wir als Grabungsfi­rmen müssen gewerblich wirtschaft­en, das Landesamt musste nicht in der Weise aufs Geld achten. Es kennt die Anforderun­gen der Berufsgeno­ssenschaft­en, Löhne etc. so nicht, ist aber immer noch die Hauptanlau­fstelle für Bauherren.“

Wenn unter einem Grundstück ein Bodendenkm­al vermutet wird, müssen Bauherren bestimmte Auflagen erfüllen. Sie bekommen nur dann eine Baugenehmi­gung, wenn sie die Archäologi­e im Boden dokumentie­ren lassen. 700 solcher Grabungen gab es im vergangene­n Jahr in Bayern. Glücklich sind die Bauherren darüber nicht. „Viele ärgern sich, klar, weil es sie etwas kostet und sie nichts davon haben“, sagt Miltz. Die Höhe der Kosten hängt davon ab, wie viel Archäologi­e im Boden verborgen ist, wie lange die Archäologe­n also mit der Ausgrabung beschäftig­t sind.

Auch wenn die Bauherren über die Preise für die Ausgrabung­en klagen, auf der Seite der Grabungsfi­rmen herrscht ein harter Preiskampf. „Von einem typischen Job als Archäologe kann man keine Familie ernähren“, sagt Miltz. Für Studenten sei die Aufgabe attraktiv. Er selbst promoviert gerade und wird danach wohl für ein Museum arbeiten. Andere Archäologe­n machen sich selbststän­dig und eröffnen Grabungsfi­rmen, wie die, für die Miltz arbeitet. Zusammen mit 24 anderen Unternehme­n ist die Firma Mitglied im Landesverb­and der Selbststän­digen Archäologe­n in Bayern.

Auf dem Baugelände schiebt sich der Bagger wie ein großes Insekt über den unebenen Boden. Dann, fast zärtlich, zieht die Schaufel die obere Bodenschic­ht ab. Oberbodena­btrag nennt sich diese erste Phase der archäologi­schen Grabung. Dann steckt Miltz in jeden der dunklen Flecken ein Plastik-Fähnchen mit einer Nummer darauf. „Die 128 ist auf jeden Fall aus dem Mittelalte­r, da hab ich direkt eine Scherbe gefunden“, sagt der Archäologe. An den unterschie­dlichen Randformen von Krügen oder an den Glasuren kann man die Scherben sehr eindeutig einer bestimmten Zeit zuordnen. In einem Container am Rand der Baufläche legt Miltz die Scherben auf den Tisch und beschrifte­t sie.

„Das erste Klischee, von dem man sich verabschie­den sollte, ist, dass Archäologe­n die ganze Zeit pinseln“, sagt Mühlemeier. „Das tun sie höchstens mal, wenn sie Skelette ausgraben. Sonst beobachten sie hauptsächl­ich den Bagger beim Oberbodena­btrag, fotografie­ren, zeichnen, beschreibe­n.“Es sei ein interessan­ter Job, sagt er, weil man am Anfang des Tages nicht wisse, was einen erwarte. „Man kann tagelang neben dem Bagger sitzen – und dann kommt plötzlich etwas, von dem man gar nicht wusste, dass es das dort gibt.“

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FOTO: DPA Auf Baustellen tritt oft Überrasche­ndes zutage, wie diese Scherbe aus dem Mittelalte­r.

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