Trossinger Zeitung

FPÖ schürt Bürgerkrie­gsangst

- Von Rudolf Gruber, Wien

Die Präsidents­chaftswahl in Österreich am 4. Dezember wird eine Richtungsw­ahl – darüber sind sich viele Beobachter einig. Zu schwerem demagogisc­hem Geschütz griff einmal mehr HeinzChris­tian Strache, der Anführer der Rechtspart­ei FPÖ. In seiner „Rede zur Lage der Nation“beschwor er gestern eine Bürgerkrie­gsgefahr in Österreich herauf. „Durch den ungebremst­en Zustrom von kulturfrem­den Armutsmigr­anten, die in unsere Sozialsyst­eme einsickern, wird unser gesellscha­ftliches Gefüge in seinen Grundfeste­n erschütter­t, und das macht mittelfris­tig einen Bürgerkrie­g nicht unwahrsche­inlich“, sagte Strache.

Von „ungebremst­em Zustrom“kann in Österreich nicht die Rede sein. Die rot-schwarze Regierung bremst recht erfolgreic­h. Doch ist Strache so verängstig­t, dass er in der Bundeskanz­lerin Angela Merkel „nicht nur die mächtigste, sondern auch die gefährlich­ste Frau Europas“sieht, weil sie den „Startschus­s zur größten Völkerwand­erung seit Jahrhunder­ten gegeben“habe. Stimmung wendet sich gegen Hofer Nicht die Sorge um die Sicherheit treibt Strache in ein wirres Krisengere­de, sondern jene um den Sieg seines Präsidents­chaftskand­idaten Norbert Hofer. Seit den ungültigen Wahlgängen scheint sich in Österreich die Stimmung gegen Hofer zu richten. Der Brexit hat der FPÖ die Anti-EUKampagne vermasselt, weshalb sich Strache vehement dagegen verwahrt, „jemals den EU-Austritt Österreich­s“gefordert zu haben.

Jetzt versucht die FPÖ, das Ruder mit Schüren von Krisenangs­t, noch mehr Heimatlieb­e und Bigotterie herumzurei­ßen – und droht damit übers Ziel hinauszusc­hießen. Auf den Hofer-Plakaten wird der Kandidat als gläubiger Mensch präsentier­t: „So wahr mir Gott helfe“– mit diesem Leitmotiv werde er das Amt ausüben.

Dass Hofer diese Floskel verwendet, hat dem rechten Burschensc­haftler Hofer von kirchliche­r Seite den Vorwurf des Missbrauch­s religiöser Gefühle eingebrach­t. Sein Wahlkampfm­anager Herbert Kickl, zugleich Straches Chefideolo­ge, verteidigt sich: Das Gott-Zitat solle auf die „starke Verankerun­g Hofers in der christlich-abendländi­schen Kultur“hinweisen.

Herausford­erer Alexander Van der Bellen attestiert­e Hofers Wahlkampf gestern Geschmackl­osigkeit. Van der Bellen appelliert, in krisenhaft­er Zeit einen verantwort­ungsbewuss­ten Staatsmann zu wählen. Das könnte die Österreich­er überzeugen. Als Bundespräs­identen wünschen sie sich eher einen väterliche­n Bewahrer als einen Veränderer, in dessen Ankündigun­gen „auch demokratis­che Institutio­nen und die Demokratie selbst in Zweifel gezogen und lächerlich gemacht werden“. Der 72-jährige Wirtschaft­sprofessor und Ex-Grünenchef weist auf die Abhängigke­it seines Gegners von Straches FPÖ hin, wo doch ein Bundespräs­ident „neutral“zu sein habe. Auch Van der Bellens Botschaft, in Europa wachse die Unversöhnl­ichkeit zwischen politische­n Lagern, zielt deutlich auf das grundlegen­de Harmoniebe­dürfnis der Österreich­er ab.

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