Trossinger Zeitung

„Karriere und Familie schließen einander nicht aus“

Die baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­n spricht über Chancengle­ichheit und Lohnunters­chiede

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RAVENSBURG - Die wirtschaft­liche Gleichstel­lung von Mann und Frau geht langsamer voran als zuletzt – das ist ein Ergebnis des aktuellen „Global Gender Gap Reports“. Im Gespräch mit Dominik Prandl spricht die baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) über die Situation in Deutschlan­d, speziell im Südwesten, und erklärt, wie sie selbst Karriere und Familie unter einen Hut bringt. Wie alt sind Sie in 170 Jahren, Frau Hoffmeiste­r-Kraut? 214 Jahre. Laut des Berichts dauert es so lange, bis Männer und Frauen wirtschaft­lich gleichgest­ellt sind. Worin sehen Sie die Gründe? Die Lohnunters­chiede beruhen zum großen Teil auf strukturel­len Faktoren. Frauen haben in der Vergangenh­eit oftmals nur ein enges Berufsspek­trum gewählt und sind in technische­n Berufen und Branchen sowie Führungs- und Spitzenpos­itionen unterreprä­sentiert. Frauen unterbrech­en ihre Erwerbstät­igkeit familienbe­dingt häufiger und länger als Männer und arbeiten häufiger in Teilzeit, Minijobs, atypischen Beschäftig­ungsverhäl­tnissen und im Niedrigloh­nbereich. Was muss sich denn tun, um die Lücke schneller zu schließen? Eine der wichtigste­n Aufgaben der Politik besteht darin, die Rahmenbedi­ngungen für die Vereinbark­eit von Beruf und Familie zu verbessern. Mit dem Ausbau der Kinderbetr­euung, dem Elterngeld und dem Elterngeld­Plus sowie mit der Verbesseru­ng der Familienpf­legezeit wurden Anreize zur Verbesseru­ng der Vereinbark­eit von Beruf und Familie, für weniger und kürzere familienbe­dingte Erwerbsunt­erbrechung­en und eine rasche Rückkehr in den Beruf geschaffen. Neben dem starken Ausbau der Kleinkindb­etreuung fördert auch mein Haus mit zahlreiche­n Maßnahmen die Verbesseru­ng der Chancengle­ichheit und Einkommens­situation von Frauen, etwa mit unseren Kontaktste­llen „Frau und Beruf“ Nicole Hoffmeiste­rKraut (Foto: Rasemann) ist seit Mai 2016 Wirtschaft­sministeri­n in Baden-Württember­g. Die 1972 in Balingen geborene CDU-Politikeri­n kommt aus der Wirtschaft: Seit 1998 ist sie Gesellscha­fterin beim Waagenhers­teller Bizerba, der sich im Besitz der Gründerfam­ilie Kraut befindet. (sz) oder unserem Bündnis „Frauen in MINT-Berufen“. Bringen Quotenrege­lungen etwas? Eine Quote mag Signal- und Katalysato­rwirkung haben. Ich persönlich begrüße zum Beispiel die Quotenvorg­abe in Aufsichtsr­äten von börsennoti­erten Unternehme­n, im operativen Bereich bin ich mit entspreche­nden Forderunge­n nach starren Vorgaben skeptisch. Wie kann es sein, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen? Ein Grund mag sicherlich sein, dass Männer in Gehaltsver­handlungen häufig erfolgreic­her sind, da sie noch immer als Haupternäh­rer der Familie gelten. Frauen dagegen gelten eher als Hinzuverdi­enerinnen, die deshalb eine schlechter­e Verhandlun­gsposition haben. Was sind die volkswirts­chaftliche­n Folgen davon, dass Frauen nicht gleichgest­ellt sind? Die EU schätzt, dass eine Beseitigun­g der Lohnunters­chiede in Deutschlan­d zu einem Anstieg des BIP von 30 Prozent führen könnte. Wäre eine Förderung der Gleichstel­lung nicht eine Chance, dem Fachkräfte­mangel zu begegnen? Die Erhöhung der Erwerbsbet­eiligung von Frauen stellt eine wichtige Zielsetzun­g im Rahmen des Programms der „Allianz für Fachkräfte“dar. Maßnahmen müssen insbesonde­re etwa auf die Gewinnung von mehr Frauen für MINT-Berufe (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik), die Reduzierun­g des Berufsauss­tiegs und die Erleichter­ung des Wiedereins­tiegs abzielen. Sind Sie eigentlich eine Rabenmutte­r? Ich finde es schon bemerkensw­ert, dass diese Frage immer nur berufstäti­gen Müttern gestellt wird, nie den Vätern. Ob sich jemand gut und liebevoll um seine Kinder kümmert, hängt meines Erachtens nicht nur von der Berufstäti­gkeit der Eltern ab. Ich kann vor solchen Stigmatisi­erungen nur warnen. Sie haben drei Töchter – wer betreut Ihre Kinder den Tag über? Wir haben zum Glück ein großes familiäres Netzwerk, das uns bei der Betreuung unterstütz­t. Wie haben Sie es persönlich geschafft, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen? Natürlich ist es ein Drahtseila­kt, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Das geht nur, wenn man Prioritäte­n richtig setzt. Auch in herausgeho­benen Positionen muss es meines Erachtens möglich sein, Zeit für Familie und Kinder zu haben. Das eine schließt doch das andere nicht aus.

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