Das Leben ein Film
Literaturhaus München widmet Helmut Dietl und seinem München eine Ausstellung
MÜNCHEN - Helmut Dietl, der Schöpfer von Monaco Franze und Baby Schimmerlos, wird im Literaturhaus München geehrt. Im Literaturhaus? Ja, denn der Münchner hat eben nicht nur die berühmten Fernsehserien und Filme wie „Rossini“oder „Schtonk“inszeniert, er hat auch die Drehbücher geschrieben. Nicht allein zwar, aber doch zu großen Teilen. Helmut Dietl, der 2015 im Alter von 70 Jahren gestorben ist, hat sich immer zuerst als Schriftsteller gesehen.
Die Ausstellung heißt „Der ewige Stenz“wie Dietls berühmte Fernsehserie „Monaco Franze“und ist eine rein Münchner Angelegenheit. Es geht um Menschen in dieser Stadt von den wilden 1970er-Jahren bis in die 1980er, als München zur SchickiMicki-Hochburg wurde – nicht zuletzt durch die Filme Helmut Dietls. Man trug gern dick auf damals und ließ es richtig krachen. „Isch scheiß disch voll mit Jeld, Baby!“, konnte ein aufgebrachter Klebstofffabrikant schreien, nur weil er auch dabei (sprich bairisch: adabei) sein wollte bei den großen Sausen in den angesagtesten Restaurants und Bars. Dietl hat die Hohlheit dieser Zeit vorgeführt – und war ein Teil von ihr. Spiegelungen des Autors Er hat das Leben gelebt, über das er dann die Filme gemacht hat. Für Claudius Seidl, in Berlin lebender Exil-Münchner, sind Dietls Helden „literarische Spiegelungen ihres Autors“. Der Leiter der Kulturredaktion der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“hat die Schau im Literaturhaus unter diesem Gesichtspunkt angelegt: Dietls Kunst spiegelt Dietls Leben.
Der Ausstellungsraum kommt einem bekannt vor: Das Münchner Gestaltungsbüro unodue hat im Literaturhaus ein Restaurant wie das, „Rossini“nachgebaut. Schwarz-weißer Kachelboden, kleine Tischchen mit schwarzen Stühlen. Im milden Kerzenlicht kann man sich auf den großen Monitoren an der Wand Szenen aus den „Münchner G’schichten“, „Der ganz normale Wahnsinn“, „Monaco Franze“, „Kir Royal“oder „Rossini“anschauen. Die Dialoge liefert der Audioguide. Es ist eine Reise in eine Zeit vor Nobelsanierung und Gentrifizierung, als ein Tscharlie Häusler (Günther Maria Halmer) mit seiner Oma Anna (Therese Giehse) im Lehel lebte. Heute könnte sich dieser Tscharlie, der findet, Arbeit sei „nichts für einen Menschen mit einer empfindlichen Sensibilität“, dieses Viertel gar nicht mehr leisten.
Die Wiederbegegnung mit diesen frühen Arbeiten ist mit das Reizvollste an dieser Ausstellung. Sie sind auch der Beweis, dass die Hommage im Literaturhaus nicht falsch platziert ist. Denn Charakterdarstellerinnen wie Therese Giehse oder Ruth Drexel spielen Dietls Text als wär’s ein Stück von Horváth. Realsatire auf eigene Kosten Freilich überwiegt die Realsatire im Werk Dietls – bei „Monaco“, „Kir Royal“oder eben „Rossini“. Dieses fulminant-komische Gemälde der verlotterten Sitten im Filmbusiness, bezieht einen Großteil seines Witzes durch die Bezüge auf wirklich existierende Personen: Der Produzent Oskar Reiter (Heiner Lauterbach) spielt Geige – wie der „Rossini“-Produzent Bernd Eichinger selig. Dem Dichter Bodo Kriegnitz (Jan Josef Liefers) sprudeln Verse von Wolf Wondratschek aus dem Mund. In der Figur des Uhu Zigeuner (Götz George) kann man ein Selbstporträt Dietls erkennen: Ein kettenrauchender Regisseur, der vom großen Kino träumt, und von der Liebe. Er lebt auf großem Fuß mit Haus in Frankreich und einer blonden Freundin. Veronica Ferres, damals im wirklichen Leben die Gefährtin Dietls, wird im Film die Geliebte des Regisseurs Zigeuner.
Das muss ihm mal einer nachmachen, dass die Dargestellten manchmal die Darsteller sind und sich quasi selber verhohnepiepeln. Einer aus der „Rossini“-Stammkundschaft ist der Schriftsteller Jakob Windisch (Joachim Krol). Der menschenscheue Autor, ein Wiedergänger von Dietls Co-Autor Patrick Süskind, weist die Avancen der schönen Serafina (Martina Gedeck) zurück mit dem legendären Satz: „Scrivo, non vivo!“(Ich schreibe, ich lebe nicht). Für Dietl selbst hat dieser Satz wohl nie gegolten, wie seine Witwe, Tamara Dietl, bei der Einführung sagte. Er lebte, und nachher schrieb er genau über dieses Leben.
Die Witwe stellte bisher unveröffentlichte Manuskripte zur Verfügung. Dietl hatte in „Was ist aus ihnen geworden?“begonnen, die Lebensläufe seiner Figuren weiterzuspinnen. Sie werden im Begleitheft zur Ausstellung erstmals publiziert. Und Tamara Dietl hat auch einen Film mit Martina Gedeck und Heiner Lauterbach gedreht, in dem zu erfahren ist, dass Mona inzwischen eine Volksmusiksendung moderiert und Baby in Berlin lebt. Herbie sitzt im Rollstuhl, macht aber mit dem Verkauf seiner alten Paparazzi-Fotos ein Vermögen. Und Uhu Zigeuner will nach einigen Flops endlich wieder einen Kassenschlager landen nach dem alten Erfolgsrezept: „Champagner für die Intellektuellen, Affenzucker für die Deppen.“ „Der ewige Stenz – Helmut Dietl und sein München“, bis 26.2. im Literaturhaus München. Geöffnet: Mo-Mi, Fr 11-19 Uhr, Do. 11-21.30 Uhr, Sa/So/Feiertage 10-18 Uhr. Begleitheft 8 Euro. www.literaturhaus-muenchen.de, Telefon (089) 29 19 34 27