Zurück in die Zwanziger
Am 19. November stemmen Hunderte Schüler ein großes Bühnenprojekt
TUTTLINGEN - Nein, den ganzen Text könne er noch nicht, sagt Shpend Berisha. „Es ist aber auch viel Text“, fügt er entschuldigend hinzu. Berisha ist 15, geht in die neunte Klasse des Immanuel-Kant-Gymnasiums und wird am 19. November zum ersten Mal auf einer richtig großen Bühne stehen. Und dann gleich in der Hauptrolle.
„Um jeden Preis – Die goldenen 20er-Jahre“heißt das Stück, eine Revue, die er und 500 weitere Schüler der Gymnasien, der Musikschule und der Jugendkunstschule auf die Bühne der Stadthalle bringen werden. Kein alltägliches Ereignis, das versichern Regisseur Martin Sturm, Lehrer am Otto-Hahn-Gymnasium, und Autor Alfons Schwab, stellvertretender Leiter der Tuttlinger Musikschule.
Die Idee dazu entstand vor gut eineinhalb Jahren. „Ich war gerade bei einer Winterwanderung mit Schülern, da hat Alfons Schwab mich angerufen“, erinnert sich Sturm. Schwabs Anliegen: Musik in der Zeitgeschichte präsentieren – was bei Geschichtslehrer Sturm sofort auf offene Ohren stieß. „Die 20er-Jahre werden in der Schule kaum behandelt“, meint er. Schon einmal setzte er das Thema deshalb in der Theater-AG auf die Agenda. „Die Schüler kriegen dadurch einen ganz anderen Zugang zu der Zeit damals“, ist er überzeugt.
Einen Einblick „in diese wahnsinnig moderne Zeit“zu geben, darum geht es Schwab. Und darum, ein möglichst großes Publikum zu erreichen. „Es muss nicht immer die Schulaula sein, unsere Stadthalle hat schließlich einen Bildungsauftrag“, sagt er. Etwas Ähnliches wie das Großprojekt „Linie 1“, das die Schulen vor fünf Jahren stemmten, schwebte ihm vor. Bigband mit von der Partie Monate der Organisation und Überlegung später ist es fast noch größer geworden: Die Bigband wird dabei sein, ein Stummfilm ist zu sehen, eine Charleston-Tanzgruppe, Poetry Slam, ein Kriegsversehrten-Ballett und mehr. Es ist ein Konglomerat aus vielen Elementen, zusammengehalten von der Rahmengeschichte um den „Roten Mantel“, die namenlose Hauptfigur, dargestellt von Shpend Berisha.
Als „Verlierer“beschreibt der Autor des Stücks ihn. Einer, der sich in den 1920ern aufmacht nach Berlin, um Erfolg zu suchen, aber ihn nicht findet. Er scheitert am Arbeitsamt, an der Liebe, am Leben. Am Ende wartet eine Überraschung. „Ich mag die Rolle“, sagt Berisha. „Es gibt Wendungen, die ich selbst nicht erwartet hätte, und es ist jede Emotion dabei: Hass, Wut, Traurigkeit, Liebe...“
Was die Rolle für den Hauptdarsteller zusätzlich schwierig macht: Weil so viele verschiedene Leute beteiligt sind, hat er das Stück selbst noch nie in Gänze gesehen. Er probt seine Teile, lernt den Text. „Ich kenne aber die anderen Elemente nicht, vor allem wann sie anfangen und enden – ich hoffe, das klappt vom Timing her“, sagt Berisha.
Die Generalprobe steht erst an den beiden Tagen vor der Aufführung an, und zwar direkt vor Ort. „Ich bin neugierig, wie es in der Stadthalle wird, aber ich hab auch ein wenig Angst“, sagt Clara Wagner, Schülerin am Otto-Hahn-Gymnasium und ebenfalls Darstellerin. Nach zahlreichen Aufführungen der Theater-AG sei die IKG-Aula „eine Art Zuhause“für sie. Die Stadthalle ist da schon eine andere Nummer. Wer sich das Stück anschauen möchte, der sollte zwei Dinge beachten: pünktlich sein (um 18.30 Uhr geht es los) und am besten im 20er-Jahre-Look kommen. Warum, erschließt sich spätestens an der Stadthallen-Tür.