Fitnessstudios akzeptieren Krankheitskündigungen oft nicht
Auch ein ärztliches Attest wird nicht immer anerkannt – Gerichte entscheiden unterschiedlich über Sonderkündigungsrechte
BERLIN - Das vergangene Jahr lief schlecht für den Freiburger Ralf S. (Name geändert). Die Trennung von seiner Freundin machte ihm schwer zu schaffen. So schwer, dass sich seine Erkrankung verstärkte, eine Depression. „Ich kann nicht mehr trainieren“, sagt der 25-Jährige. Denn in das Fitnessstudio ging seine ehemalige Partnerin weiterhin. Seitdem beide auseinander sind, kann Ralf S. den Besuch dort krankheitsbedingt nicht mehr ertragen. Das hat sein Facharzt ihm auch attestiert. „Herr S. ist wegen einer erheblichen Erkrankung aus meinem Fachgebiet ab sofort nicht mehr in der Lage, das Fitnessstudio zu besuchen“, schrieb der Nervenarzt. Daher kündigte Ralf S. den Vertrag mit dem Sportbetrieb.
Doch das Unternehmen akzeptierte die umgehende Auflösung des Vertrages nicht, den der Kunde erst kurz zuvor um weitere zwei Jahre verlängert hatte. „Für die private Situation unserer Mitglieder sind wir nicht zuständig“, sagt der Geschäftsführer der Fitnessfirma. Dennoch habe er die Laufzeit der Vereinbarung auf ein halbes Jahr verkürzt. „Unsere Kulanz ist damit aufgebraucht“, stellt er klar und klagt, dass häufig Kunden mit Gefälligkeitsattesten ihrer Ärzte versuchen würden, sich aus ihren Verpflichtungen zurückzuziehen. Wenn man diesen Verdacht habe, lasse das Studio es notfalls auf eine Klage vor Gericht ankommen. „Wir gewinnen 90 Prozent der Fälle“, sagt der Geschäftsführer.
Leser Ralf S. hat damit schon gerechnet. „Ich will zu Jahresbeginn aber andere vor einem voreiligen Fitnessvertrag warnen“, betont er seinen Gang an die Öffentlichkeit. Im Januar melden sich stets viele Verbraucher in Sportstudios an, weil sie mit guten Vorsätzen für ihre Gesundheit ins Jahr starten. Rein geht es schnell, wieder herauszukommen aus einem Vertrag kann viel schwieriger werden, wie auch eine Umfrage der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg gezeigt hat. „Gerade wenn Verbraucher wegen eines Umzugs oder aus gesundheitlichen Gründen ihren Vertrag kündigen wollen, gibt es Probleme“, erläutert die Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale, Dunja Richter.
Keine Kündigung wegen Umzug Mehr als ein Drittel der Teilnehmer der nicht repräsentativen Umfrage schilderte ähnliche Schwierigkeiten wie Leser Ralf S. Außerordentliche Kündigungen wurden von ihren Studios nicht akzeptiert. Mittlerweile gibt es auch höchstrichterliche Urteile dazu. Ein Umzug von Berufs wegen rechtfertigt laut Bundesgerichtshof (BGH) zum Beispiel keine sofortige Auflösung des Fitnessvertrages. Die Karlsruher Richter sehen den Umzug als privates Risiko an. Der betreffende Kläger, ein Zeitsoldat, muss nun trotz Versetzung in eine andere Stadt den Beitrag bis zum Ende der Vertragslaufzeit bezahlen. Der BGH sieht den Wechsel des Wohnortes allerdings ausdrücklich anders an als eine schwere Erkrankung oder die Schwangerschaft eines Mitglieds.
Im Zweifel muss ein Gericht über die Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung im Krankheitsfall entscheiden. Der Ausgang eines solchen Verfahrens ist jedoch ungewiss. „Die Entscheidungen sind sehr unterschiedlich“, betont Rechtsexpertin Richter. Wegweisend ist hier ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2012. Danach haben die Betreiber von Fitnessstudios keinen Anspruch darauf, die Details einer Krankheit zu erfahren. Ein ärztliches Attest muss ihnen reichen. Glaubt das Unternehmen dem Kunden nicht, muss ein Richter die Angelegenheit entscheiden.
Nicht jede Erkrankung rechtfertigt eine Kündigung. Eine chronische Depression, wie im Falle von Ralf S., gehört normalerweise dazu. Doch hätte dieser wohl die Möglichkeit, in einer der Filialen des Sportstudios weiter zu trainieren, wenn er der ehemaligen Partnerin nicht mehr begegnen kann. Auch ein Bandscheibenvorfall wird von den Gerichten als Grund für ein vorzeitiges Vertragsende akzeptiert. Bei vielen anderen Malaisen, selbst bei einem Meniskusschaden, fielen Entscheidungen dagegen gegen den Kunden aus.
„Wichtig ist, dass die Sportunfähigkeit mindestens bis zum Ende der regulären Vertragslaufzeit andauert“, erklärt der Verbraucheranwalt Thomas Hollweck. Der Jurist rät zur Vereinfachung des Verfahrens, den Arzt zu bitten, die Krankheit zu benennen und auch den Beginn und die voraussichtliche Heilung anzugeben. Diese und andere Tipps zu Verträgen mit Fitnessstudios hat der Rechtsanwalt im Internet zu einem Ratgeber zusammengefasst.