Tanzende Schatten erzeugen perfekte Illusion
Amerikanisches Ensemble versetzt Stadthallen-Publikum in Erstauen
TUTTLINGEN –Die filigranen, sich flink bewegenden Schattenrisse der „Amazing Shadows“haben an Scherenschnitt-Animationsfilme erinnert. Doch es sind die Silhouetten von neun Tänzern, die das Publikum in der Tuttlinger Stadthalle am Donnerstagabend zum bewundernden Staunen bringen. Hinter der bühnenfüllenden Leinwand zeigt das Ensemble „Catapult“nicht nur anmutige und quirlige Tanzeinlagen, sondern formiert sich auch akrobatisch zu Elefanten, Helikoptern oder zur lebenden Landschaftskulisse.
Zum zweiten Mal hat das amerikanische Ensemble seine „Amazing Shadows“in Tuttlingen tanzen lassen. Dieses Mal zum Auftakt der Deutschland-Tournee. Kurz zeigen sich die drei Tänzer und sechs Tänzerinnen dem Publikum vor der Leinwand, bevor sie dahinter zwei Stunden lang im Spiel mit Licht und Schatten die perfekte Illusion inszenieren. Metamorphosen im Minutentakt Auf einer Weltreise begegnet das Publikum einem Pärchen vor dem Eifelturm, zu dem sich Tänzer zusammenschmiegen, oder in Ägypten menschlichen „Kamelen“und einer riesigen Sphinx. Auf offener Bühne erleben die Zuschauer Metamorphosen im Minutentakt: Tempeltänzer, eine vielarmige buddhistischen Gottheit und ein Elefant scheinen zu indischen Trommelrhythmen auseinander hervorzuwachsen.
In einer Alptraum-Szenerie verschmelzen die Körper der Tänzer zu bedrohlichen Untieren, während ein anderes Mal alle hinter der Leinwand verfügbaren Finger als „Spinnen-Invasion“über die Bühne wuseln.
Mit Amerikas Gründerzeit nimmt die Show nach der Pause Fahrt auf: Cowboys, Planwagen, „Rinder“- und „Büffel“-Herden sowie Indianer werden lebendig- Eine wilde Prügelei im Saloon mit Überschlägen fehlt ebenso wenig wie eine menschliche Dampflokomotive. Der Geschwindigkeit, mit der eine Hausfrau in die Rolle eines weiblichen James Bonds schlüpft, um im Helikopter „davonzuschweben“, kann der Zuschauer kaum folgen.
Und zum Finale mit Vivaldis „Vier Jahreszeiten“gibt es noch einmal reichlich Szenenapplaus: für Blumen, Enten und Frösche im Frühling, für von einer Hai-Flosse verfolgte Schwimmer im Sommer, für Halloween-Kürbisse und fallende Blätter im Herbst und schließlich für die Schlittschuhläufer und Pinguine im Winter.
Unterwasserwelt vorgaukeln Musik, Beleuchtung und dezente visuelle Projektionen auf die Vorderseite der Leinwand verstärken die perfekte Illusion. So gaukeln Fischschwärme und Luftblasen eine Unterwasserwelt vor, in der äußerst gelenkige Nixe schwimmt. Mit dem Mauerfall in Berlin und der Erinnerung an den Amoklauf im amerikanischen Newtown schlägt das Ensemble auch nachdenklichere Töne an.
Während das Publikum im Saal verzaubert die Geschichten verfolgt, die die Schatten auf die Leinwand zeichnen, erbringen die Tänzer dahinter Höchstleistungen in Artistik, Tanz und Koordination. Zu gerne würde man es genau wissen: Wie schafft der Abstand zur Lichtquelle unterschiedliche Bühnenebenen und Größenverhältnisse? Wie kann die Tänzerin eine „Felswand“aus Gesichtsprofilen der Kollegen erklettern? Und woher kommt der Dampf der Lokomotive? Doch Künstler dürfen auch Geheimnisse hüten. „Man muss nicht alles wissen“, sagte eine Besucherin. Und machte sich mit der Erinnerung an eine bezaubernde Show auf den Heimweg.