Als die Rocker „Dornröschen“besuchten
Klaus Marschall plaudert beim 183. „Talk im Bock“über seine Augsburger Puppenkiste
LEUTKIRCH - „Eigentlich wedeln wir nur mit einem Stück Holz“, sagt Klaus Marschall. Stimmt. Und doch ist es viel mehr: Ein Stück Holz, das, an Fäden geführt, die Fantasie beflügelt. Das, zur Marionette geworden, die Menschen verzaubert.
Für den Leiter der Augsburger Puppenkiste ist genau das die wichtigste Aufgabe seiner mehr als 5000 Holzfiguren: Sie setzen der modernen Flut schneller, schriller, digitaler Bilder die langsam erzählten Geschichten entgegen – im bewusst „altmodischen“Puppenspiel. „Computer-animierte Filme zeigen alles, man muss sich nichts mehr selbst vorstellen“, sagt Marschall. „Aber wir müssen gerade Kindern die Möglichkeit geben, ihre Fantasie einzusetzen.“
Zum 183. „Talk im Bock“am Montagabend war Klaus Marschall nicht allein gekommen: Seine Lieblingsfigur, der Kasper, durfte ebenfalls auf der Bühne Platz nehmen. Eine Premiere in Leutkirch gewissermaßen, genauso wie das Debüt von Moderatorin Jasmin Off.
Die Leiterin der Digitalredaktion der „Schwäbischen Zeitung“führte souverän durch einen Abend, der durchaus ein paar Zuschauer mehr verdient gehabt hätte. Denn Klaus Marschall, 55 Jahre alt und in dritter Generation mit der Augsburger Puppenkiste verbunden, plauderte höchst unterhaltsam und vergnüglich aus der fast 70-jährigen Geschichte seines Theaters. Start mit „Gestiefeltem Kater“Es war Großvater Walter Oehmichen, der sich 1948 den Traum vom Puppentheater in einer Kiste, jederzeit und überall bereit zu einer Vorstellung, verwirklichte: Mit dem „Gestiefelten Kater“begann 1948 die Erfolgsgeschichte der Augsburger Puppenkiste. Bis heute ist sie ein Familienbetrieb, in dem alles selbst gemacht wird: Figuren schnitzen und bemalen, Kostüme nähen und Kulissen bauen, Inszenierungen entwickeln und, natürlich, das Puppenspiel selbst.
Dafür, sagt Klaus Marschall auf die Frage der Moderatorin, braucht es nicht nur viel Idealismus („der Spielplan bestimmt das Privatleben“), Fingerfertigkeit und Begabung („erst nach vier bis fünf Jahren sind Hauptrollen möglich“), sondern auch eine gewisse Sportlichkeit: „Schließlich steht man immer vornübergebeugt auf der Spielbühne in 3,60 Metern Höhe.“Und, ganz wichtig, Teamfähigkeit: „Auf engstem Raum geht es nicht ohne Körperkontakt.“
Was manch einen Zuhörer überraschte: Die Puppenkiste hat nicht nur Klassiker wie „Urmel“, „Räuber Hotzenplotz“oder „Die kleine Hexe“im Programm: „Seit fast 30 Jahren wird regelmäßig auch politisches Kabarett gespielt“, sagt Marschall, „heuer mit 120 Vorstellungen.“Dass es da mal Probleme mit langjährigen Akteuren gibt, räumt der Theaterchef ein: „Die Merkel mussten wir neu machen. Das Gesicht war einfach zu jung. Und der Gabriel hat ja so stark abgenommen.“Kritische Töne nehme die Politik aber gelassen hin: „Es sind ja nur Holzköpfe, die sie äußern.“ Ampel mit Kasper Dass die Holzköpfe auch Kinder in Abu Dhabi oder Japan faszinieren, dass sie selbst Mitglieder der Hells Angels zu regelmäßigen Besuchen in der Puppenkiste animierten („die saßen in voller Montur in ,Dornröschen’“) und dass es seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit den Fußballern des FC Augsburg gibt, auch davon erzählte ein gut gelaunter Puppentheaterchef, der allerdings selbst kaum mehr zum Spielen kommt. Und, ja, auch das: „Demnächst wird Augsburg eine KasperAmpel bekommen.“Man ist längst zur Marke geworden in der Fuggerstadt.