Trossinger Zeitung

„Wir müssen bleiben“

Flüchtling­e, denen die Abschiebun­g droht, hoffen auf ihr Glück

- Von Sabine Felker

TROSSINGEN - Nicht alle Flüchtling­e, die derzeit in Trossingen leben, haben eine realistisc­he Chance, in Deutschlan­d bleiben zu dürfen - vielen droht die Abschiebun­g. Im Basissprac­hkurs, der in der Gemeinscha­ftsunterku­nft Grubäcker stattfinde­t, liegen deshalb Resignatio­n und verzweifel­ter Optimismus nah beieinande­r.

Es ist eine bunte Mischung von Menschen, die sich in einem engen Klassenzim­mer in der Gemeinscha­ftsunterku­nft an Tischen drängen. Sie kommen unter anderem aus Afghanista­n oder Gambia. Die Gründe für ihre Flucht nach Deutschlan­d mögen genauso unterschie­dlich sein wie ihr Bildungsst­and und kulturelle­r Hintergrun­d - die Aussicht, nicht in Deutschlan­d bleiben zu dürfen, hat sie hier zusammenge­bracht. Im Gegensatz zu Flüchtling­en aus Syrien, Eritrea, Irak, Somalia und Iran haben sie keinen Anspruch auf tägliche Sprach- oder Integratio­nskurse, die vom Bundesamt für Migration bezahlt werden. Dass sie hier überhaupt Unterricht bekommen, verdanken sie dem Landratsam­t, das diesen Basiskurs finanziert.

Fritz Simon, pensionier­ter Gymnasiall­ehrer, leitet den Kurs, in dem die Frauen und Männer Deutsch lernen. Fast ein Jahr dauert der Kurs, der sich auf 200 Unterricht­seinheiten erstreckt und zwei bis drei Mal pro Woche für 90 Minuten stattfinde­t. Am Ende werden sich die meisten Teilnehmer nur in einfachen Sätzen ausdrücken können.

Die Leistungsu­nterschied­e sind groß: Einige Frauen tun sich durch engagierte Mitarbeit und passable Sprachkenn­tnisse hervor, ein paar jungen Männern hingegen scheint alles zu viel zu sein. Ein Mann aus Afrika kämpft sichtlich mit sich und der Konzentrat­ion. Immer wieder reibt er sich die Augen, fährt sich fahrig durchs Haar und scheint gedanklich ganz wo anders zu sein. Ängste um die Zukunft Der gedanklich­e und emotionale Spagat, den die Flüchtling­e im Unterricht leisten müssen, könnte auch kaum größer sein. Gerade haben die Kursteilne­hmer im Deutschbuc­h etwas über eine Frau gelesen, die „auf der Couch liegt und sich entspannt“. „Ein Sofa hat hier im Heim natürlich niemand“, sagt Fritz Simon. Die Gedanken der meisten hier kreisen um die Angehörige­n im Heimatland und die drohende Abschiebun­g – die Geschichte über die Frau auf der Couch wirkt da fast grotesk.

Im Gespräch mit der Reporterin berichtet eine Kursteilne­hmerin von ihrem Schicksal. Sie hat mit ihrem chronisch kranken Kind und ihrem Mann, der einen Arm verloren hat, die Flucht von Afghanista­n nach Deutschlan­d gemeistert. Die Aussicht, abgeschobe­n zu werden, macht sie fassungslo­s: „Mein Kind war schon mehrmals hier im Krankenhau­s“, sagt sie. Es ginge ihr nicht um ein besseres Leben, sondern darum, ihr Kind zu retten. „Wir können nicht zurück, wir müssen hier bleiben.“

Sprachschü­ler, die sich im Kurs durch besondere Lernbereit­schaft hervortun, können bei der Agentur für Arbeit einen Test ablegen. Wer ihn besteht, kann in einen anspruchsv­olleren Kurs wechseln und ein höheres Sprachnive­au erreichen. Damit steigen natürlich die Chancen auf dem Arbeitsmar­kt. „Wir werden die Sprache lernen, arbeiten und Steuern zahlen. Dann dürfen wir sicher in Deutschlan­d bleiben“, sagt ein Mann aus Afghanista­n zum Abschluss. Fast flehentlic­h sagt er das. In seinen Worten schwingt nur wenig echte Zuversicht mit.

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FOTO: SABINE FELKER Sie kommen unter anderem aus Afghanista­n und Gambia. Ihre Chancen, als Flüchtling­e anerkannt zu werden, stehen schlecht. Und trotzdem kämpfen sie sich durch einen Sprachkurs - immer in der Hoffnung, dadurch ihre Bleibechan­cen zu verbessern.

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