EU droht Polen mit Stimmrechtsentzug
Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski weist Einmischung Brüssels als „unbegründet“zurück
BRÜSSEL - Die EU-Kommission hält ihre Kritik an der geplanten Justizreform in Polen aufrecht, obwohl Staatspräsident Andrzej Duda zwei der umstrittenen vier Gesetze mit seinem Veto blockiert hat. Bereits vor einer Woche hatte der für Rechtsstaatsfragen zuständige Kommissar Frans Timmermanns Polen mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht und das schärfste in den Verträgen vorgesehene Schwert gezückt: Artikel 7 der EU-Verträge beinhaltet die Möglichkeit, einem Mitgliedsstaat bei schweren Verstößen gegen die EU-Grundwerte vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen.
Eine juristische Bewertung der geplanten Gesetze habe ergeben, dass sie eine Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit und eine Bedrohung des Rechtsstaats darstellten, so Timmermans. Deshalb werde der polnischen Regierung nun einen Monat Zeit gegeben, um Bedenken auszuräumen. Die Antwort aus Warschau erfolgte in heftiger Form: „Wir werden keine Erpressung von EU-Funktionären akzeptieren“, sagte Regierungssprecher Rafal Bochenek der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski wies die Warnungen aus Brüssel als „unbegründet und verfrüht“zurück. „Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen und deshalb akzeptieren wir in dieser Situation keine Interventionen und kein Eingreifen von außen“, sagte er.
Brüssel argumentiert, das geplante frühere Renteneintrittsalter für Richterinnen widerspreche dem Gebot der Gleichstellung der Geschlechter. Die dem Justizminister vorbehaltene Möglichkeit, Richter auch nach Erreichen der Pensionsgrenze im Amt zu belassen, schränke die Unabhängigkeit der Justiz ein. Am gravierendsten sei das neue Recht des Justizministers, Gerichtspräsidenten zu berufen und zu entlassen. Sobald die Regierung Druck auf Mitglieder des Höchsten Gerichts ausübe, ihr Amt niederzulegen, werde ein Verfahren in Gang gesetzt, warnte Timmermans.
Doch die Hürde dafür ist hoch. Es wird eine Vierfünftelmehrheit gebraucht, um festzustellen, dass ein Mitgliedsstaat die Europäischen Grundwerte zu verletzen droht. Da sich neben Ungarn vermutlich auch andere Osteuropäer wie die Slowakei weigern würden, den Stab über Polen zu brechen, könnte sich die EU-Kommission leicht als zahnloser Tiger entpuppen. Brüssel hofft auf die Wirksamkeit von Drohungen – und will Differenzen gern im persönlichen Gespräch ausräumen.