Trossinger Zeitung

Nachfolger­suche für viele Ärzte noch kein Thema

Auftakt zum Modellproj­ekt „Ärztliche Versorgung auf dem Land“– Situation ist noch gut

- Von Anja Schuster

TUTTLINGEN - Die Sicherstel­lung der ärztlichen Versorgung auf dem Land wird Kommunen, Ärzte, Kliniken und andere Gesundheit­sakteure in den kommenden Jahren vor eine große Herausford­erung stellen. Auch im Landkreis Tuttlingen. In einem Modellproj­ekt soll nach Lösungen gesucht werden. Am Dienstagab­end wurden im Aesculapiu­m Tuttlingen erste Ergebnisse aus vorbereite­nden Analysen und Befragunge­n vorgestell­t.

Bernd Mager, Sozialdeze­rnent des Landkreise­s, sprach von „sehr profunden Zahlen“, die das Institut für Allgemeinm­edizin in Frankfurt und das Forschungs­institut Quaestio, die man für das Modellproj­ekt mit ins Boot geholt hatte, bereits ermittelt haben.

Grundsätzl­ich sei man im Landkreis Tuttlingen derzeit gut aufgestell­t, sagte Bernhard Faller, Leiter des Forschungs­instituts Quaestio. Aktuell könnten rund 88 Prozent der Kreiseinwo­hner einen Hausarzt innerhalb von fünf Minuten mit dem Auto erreichen. Nichtsdest­otrotz müsse man sich jetzt Gedanken um die Zukunft machen. Denn mit einer nachweisba­r stetig älter werdenden Gesellscha­ft steige auch der Behandlung­sbedarf. Bis 2035 brauche die Bevölkerun­g im Kreis rund elf Prozent mehr ärztliche Versorgung. Wobei der Bedarf in Bubsheim mit über 30 Prozent am meisten steige, in Wurmlingen indes sogar abnehme (drei Prozent). Alter der Bevölkerun­g und der Ärzte steigt Auf der anderen Seite steigt auch das Alter der praktizier­enden, ortsansäss­igen Hausärzte. Derzeit sind 78 Prozent aller Hausärzte im Kreis 50 Jahre und älter, 44 Prozent sogar älter als 60. Die meisten von ihnen, nämlich rund 75 Prozent, sind als Einzelkämp­fer unterwegs oder haben lediglich einen zweiten Arzt in der Praxis. 20 Prozent aller Ärzte im Kreis planen, in den kommenden drei Jahren ihre Praxen aufzugeben. Bei mehr als 43 Prozent steht dieser Schritt erst in frühestens zehn Jahren an. Um die Nachfolger­suche machen sich aber die wenigsten Gedanken. 89 Prozent der Ärzte halten es für „eher schwierig“bis „nahezu unmöglich“, einen solchen zu finden. Das habe ihn kolossal erschreckt, meinte Faller. Frage man aber konkreter nach, so fielen die Antworten deutlich abgemildet­er aus. Die große Konkurrenz um Nachfolger ist für die meisten Ärzte das Hauptargum­ent für die schwierige Aufgabe „Nachfolger­suche“.

Und in der Tat zeigte Linda Barthen vom Institut für Allgemeinm­edizin auf, dass der Nachwuchsm­angel ein Problem darstellt. Dafür gibt es ihren Ausführung­en zufolge zwei Gründe. Zum einen könnten sich Medizinstu­denten nach ihrem Studium für 80 verschiede­ne Facharztri­chtungen entscheide­n. Und nur etwa zehn Prozent davon führten zum klassische­n Hausarzt. Dazu komme, dass die Mehrheit der künftigen Mediziner weiblich sei und diese vor der Selbststän­digkeit oftmals zurückschr­eckten, weil sie befürchtet­en, Familie und Beruf nicht unter einen Hut zu bekommen. Zudem komme, dass immer weniger einen Arztsitz auf dem Land übernehmen wollen. Die Lösung: Lokale Gesundheit­szentren schaffen Daher sei es notwendig, lokale Gesundheit­szentren zu schaffen. Diese könnten in verschiede­nen Rechtsform­en wie GbR, GmbH oder auf AöR, aber auch mit verschiede­nen Trägern (Ärzte, Kommunen, Kliniken) organisier­t werden. Deutschlan­dweit gebe es schon zahlreiche erfolgreic­he Modelle. Durch die Bündelung würden nicht nur die Kosten für Räumlichke­iten und Gerätschaf­ten niedrig gehalten, sondern auch flexiblere Arbeitszei­ten geschaffen.

Im weiteren Projektver­lauf sollen nun im Rahmen von Zukunftswe­rkstätten mögliche Konzeption­en erarbeitet werden. Im Landkreis Tuttlingen will man sich auf die Region Heuberg konzentrie­ren. Alle erfolgreic­hen Modelle von lokalen Gesundheit­szentren sind samt Ansprechpa­rtner auf dieser Homepage zu finden: www.innovative-gesundheit­smodelle.de Ein Video zur Auftaktver­anstaltung finden Sie auf www.schwaebisc­he.de/tuttlingen

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GRAFIK: CORINNA KRÜGER Bislang machen sich die wenigstens Ärzte im Landkreis Tuttlingen um die Nachfolger­suche Gedanken. Und das, obwohl 20 Prozent von ihnen ihre Praxis in den kommenden drei Jahren schließen wollen.
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FOTO: ANJA SCHUSTER Linda Barthen (links) und Bernhard Faller (rechts) stehen den Zuhörern Rede und Antwort.

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