Kampf um Alno
Die Hastors haben die Macht bei dem Küchenbauer aus der Hand gegeben, loslassen wollen sie noch lange nicht
PFULLENDORF - Wie verhärtet die Fronten zwischen neuen Eigentümern und alten Chefs sind, zeigt allein schon die Tatsache, wie beide Seiten die jüngste Entwicklung interpretieren. Der Vorstand des Küchenbauers Alno hat am Dienstag den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung zurückgenommen, das Verfahren geht damit in eine Regelinsolvenz über. Für die neuen Eigentümer, die hinter dem Schritt stehen, ein Befreiungsschlag, der endlich das ermöglicht, was die Unternehmerfamilie Hastor seit mehr als einem Jahr anstrebt: die Sanierung der schwer angeschlagenen Traditionsfirma mit Sitz in Pfullendorf im Linzgau. Die Gegenseite, die alten Chefs um die frühere Finanzvorständin Ipek Demirtas und ihre First-Epa-Holding, sieht das anders: Für sie ist der Antrag das Eingeständnis, dass die Hastors auf ganzer Linie gescheitert sind.
Klar ist, dass beide Seiten verbissen um die Macht bei Alno kämpfen. Klar ist dabei aber auch, dass sich die Hastors, die bosnische Unternehmerfamilie, die mit ihrer Firma Prevent im Zulieferstreit im vergangenen August den mächtigen VolkswagenKonzern mehrere Tage lang lahm gelegt hat, ausgetrickst und über den Tisch gezogen fühlt. Und zwar von den alten Chefs, die im Frühsommer 2016 Alno noch führten und händeringend Investoren suchten. Enttäuschung über Täuschung „Wir sind getäuscht worden“, sagt ein Manager aus dem Prevent-Umfeld im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Getäuscht über Zahlen, Zustand und die in Wahrheit desolate Situation des Unternehmens, als die Alno-Führung um den Vorstandsvorsitzenden Max Müller und seine Finanzchefin Demirtas bei Tahoe, der Beteiligungsgesellschaft von Prevent, für den Küchenbauer um ein Engagment der Hastors warben. In einer Firmenpräsentation, die im Juni 2016 die Basis für die Verhandlungen zwischen Tahoe und Alno war, wiesen Müller und Demirtas als Jahresumsatzziel 564 Millionen Euro aus – bei einem operativen Gewinn von 18,8 Millionen Euro. „Diese Zahlen waren die Grundlage für unseren Einstieg bei Alno“, erläutert der Prevent-Manager weiter.
Nach dem erfolgten Engagement bestätigten die Alno-Vorstände die anvisierten Zahlen mindestens ein Mal, bis im Spätsommer 2016 ein von Tahoe entsandter Manager in Pfullendorf Unterlagen entdeckte, die nicht zu den ehrgeizigen Zielen passen. Vom neuen Investor zur Rede gestellt, weist der Vorstand in einem Brief, der neben Müller und Demirtas auch vom damaligen Produktionsvorstand Frank Wiedenmaier und vom heute noch aktiven Vertriebsvorstand Andreas Sandmann unterschrieben ist, es als Unterstellung zurück, dass Tahoe die richtigen Zahlen verschwiegen werden. In dem Brief ist allerdings nur noch von einem Jahresumsatz von 530 Millionen Euro und einem operativen Gewinn von 7,3 Millionen Euro die Rede. Wenige Wochen später, im November 2016, habe Müller Tahoe dann die ganze Wahrheit präsentiert: Bei einer Konferenz in einem Hotel in Hannover offenbarte der Manager, dass Alno 2016 bestenfalls einen Jahresumsatz von 495 Millionen Euro erreichen werde, der operative Gewinn verwandelte sich in einen Verlust von rund zehn Millionen Euro. Die Zahlen, die Alno dann vor wenigen Wochen tatsächlich präsentierte, waren noch verheerender: Der Umsatz belief sich letztlich auf 493 Millionen Euro, der Verlust auf 28 Millionen Euro.
Ex-Vorstandschef Max Müller beantwortet keine Fragen. Die frühere Finanzchefin Ipek Demirtas erklärt, dass „Tahoe umfassend und regelkonform informiert worden ist.“Immer habe man „die aktuellen Ist-Zahlen mitgeteilt“.
Empört zeigt sich Tahoe über die Vorwürfe und das Vorgehen von Ipek Demirtas, die über die im März 2017 gegründete Holding First Epa mehrere Lieferantenforderungen gegenüber Alno aufgekauft hat, um Einfluss und Kontrolle bei Alno zurückzugewinnen. „Tahoe hat alle finanziellen Zusagen eingehalten“, sagt der Manager. Insgesamt hat die Prevent-Tochter rund 70 Millionen Euro an kurzund langfristigen Krediten an Alno gegeben. Mit Aktien und Sachleistungen beläuft sich das Engagement nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Tahoe-Kreisen auf rund 100 Millionen Euro. „Wir haben das Unternehmen auch nicht ausgepresst, wir erhalten Zinsen für unsere Darlehen, und unsere Leute haben wir auch selber bezahlt“, sagt der Manager aus dem Prevent-Umfeld. „Die Gründung von First Epa ist eine Trotzreaktion. Die haben sechs Jahre gezeigt, dass sie das Unternehmen nicht führen können.“
Doch seit Dienstag führt auch Tahoe Alno nicht mehr: Mit der Rücknahme des Antrages auf Eigenverwaltung ist es eine Regelinsolvenz, und die Macht liegt nun bei Insolvenzverwalter Martin Hörmann, der mit Rolf Rickmeyer auch sofort einen neuen Vorstandschef eingesetzt hat. In einer Erklärung triumphiert First Epa. Man begrüße die Entwicklung, denn „es besteht unverändert das große Interesse, die wirtschaftlichen Zukunft des Unternehmens mitzugestalten“, heißt es bei der Holding von Ipek Demirtas. Verunsicherung im Markt Tahoe gab die Macht wohl nicht zuletzt deshalb ab, weil es im Markt, bei Kunden und Lieferanten, Vorbehalte gegenüber der Unternehmerfamilie Hastor gibt. Man will auf diese Weise der „erheblichen Verunsicherung“Rechnung tragen.
Es gibt allerdings auch noch einen zweiten Grund, der eine Rolle gespielt haben dürfte. Alno weist darauf hin, dass es gegen die alten Chefs, zu denen wohl auch die Tahoe-Kontrahenten Müller und Demirtas gehören, Ansprüche geben könnte, die im Zuge einer Insolvenz in Eigenverwaltung nicht aufgearbeitet werden könnten. Sprich: Der Küchenbauer und auch die Familie Hastor haben den Verdacht, dass frühere Vorstände mit ihrem Handeln Alno geschadet haben. In der Erklärung des Insolvenzverwalters heißt es dazu: „Ermittlungen ergaben, dass erhebliche insolvenzrechtliche Sonderaktiva bestehen dürften.“Da die Geltendmachung dieser Posten Jahre dauern könnte, sei eine Insolvenz in Eigenverwaltung nicht das passende Verfahren. „Aufgrund erster vorläufiger Ergebnisse gibt es Hinweise auf Auffälligkeiten. Diesen Auffälligkeiten werden die Prüfer weiter nachgehen, um etwaige anfechtungs- und haftungsrechtlich relevante Punkte aufzuarbeiten“, bestätigte auch der Sprecher des Insolvenzverwalters, Pietro Nuvoloni.
„Wenn sich das alles bewahrheitet, ist das organisierte Kriminalität“, erklärt ein Person aus dem Umfeld von Tahoe. Aus dem Grund prüft eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bereits seit Wochen mögliche Schadensersatzforderungen.