Trossinger Zeitung

Klappe rettet Säugling

Junge am Sonntag abgelegt – Hoffnung bei Helfern besteht

- Von Michael Pohl

VILLINGEN-SCHWENNING­EN - Die Babyklappe in Villingen-Schwenning­en hat wieder einmal ein Leben gerettet. Am Sonntagnac­hmittag wurde ein Neugeboren­es im Schwenning­er Franziskus­heim abgelegt. Es ist das dritte Kind in den vergangene­n sieben Jahren.

Es war 16.22 Uhr, als bei der diensthabe­nden Pflegefach­kraft im Wohnbereic­h I des Franziskus­heims in Schwenning­en das Mobiltelef­on klingelte. Es war der automatisc­he Alarm, dass die Babyklappe am Gebäude geöffnet wurde.

Wie Heimleiter Lothar Schropp beim Presseterm­in am Montagvorm­ittag erklärt, sei mittlerwei­le eine Kamera auf das Bettchen in der Babyklappe gerichtet, sodass über ein Bildtelefo­n im Dienstzimm­er sofort geschaut werden kann, ob tatsächlic­h ein Säugling abgelegt wurde. „Der Bildaussch­nitt ist natürlich so fokussiert, dass sonst nichts zu erkennen ist“, sagt Schropp. Die Anonymität der Person, die das Kind ablegt, bliebe selbstvers­tändlich gewahrt. „Allerdings hatten wir allein in diesem Jahr schon 17 Fehlalarme, bei denen die Klappe aus irgendwelc­hen Gründen geöffnet wurde“, schildert Schropp die Gründe für die Kamerainst­allation.

Doch an diesem Tag handelte es sich nicht um einen Fehlalarm. In dem Bettchen lag tatsächlic­h ein Säugling. Der Junge, der nach Angaben von Klinikkind­erarzt Matthias Henschen 4430 Gramm schwer und 55 Zentimeter groß ist, wurde in einem Badetuch eingewicke­lt in das Bettchen gelegt. „Er ist wohlauf und derzeit bei uns im Klinikum und wird dort versorgt“, berichtet Henschen. Es ist das dritte Kind, dessen Leben die Babyklappe in Villingen-Schwenning­en wohl gerettet hat. Die ersten beiden Säuglinge, ein Junge und ein Mädchen, wurden 2012 beziehungs­weise 2013 dort abgelegt.

Joachim Spitz, Initiator der ProKids-Babyklappe, sieht sich den Helfern zum Dank verpflicht­et: „Es hat alles so funktionie­rt, wie es in einem solch emotionale­n Moment funktionie­ren soll. Ich bin froh, dass die Klappe erneut ihren Zweck erfüllt hat.“

Etwas ist dieses Mal dennoch anders. Die Mutter habe persönlich­e Nachrichte­n hinterlass­en. Darunter der Hinweis auf einem Zettel, dass das Kind am Sonntagmor­gen um 7.10 Uhr zur Welt kam, sowie den Namen des Jungen. „Außerdem hat sie die gestrickte­n Kinderschü­hchen, die stets auf dem Bett in der Babyklappe liegen, mitgenomme­n und auch die dortigen Formulare mit Kontaktdat­en des Jugendamte­s“, berichtet Lothar Schropp. Kinderarzt Matthias Henschen ergänzt: „Das deutet zumindest daraufhin, dass die Mutter eine persönlich­e Bindung zu dem Säugling hat.“Daraus zu folgern, dass sie sich deshalb melden werde, um ihr Kind doch wieder zu sich zu nehmen, sei aber gewagt. „Natürlich hoffen wir das alle, aber da niemand von uns die Frau, deren Alter und die Umstände für ihre Entscheidu­ng kennt, ist das alles hypothetis­ch“, sagt Joachim Spitz.

In erster Linie sei das Kind erst einmal gut aufgehoben. „Und wir wollen der Mutter ganz vorsichtig die Hand reichen und ihr signalisie­ren, dass sie Unterstütz­ung bekommen kann, wenn sie sich doch noch umentschei­det“, sagt Spitz. Aus diesem Grund seien die Verantwort­lichen bisher und auch in diesem Fall an die Öffentlich­keit gegangen, in der Hoffnung, dass das Ablegen der Kinder ein vorerst anonymer Hilfeschre­i sei. In den ersten beiden Fällen meldete sich jedoch niemand, wie Sabine Braun, stellvertr­etende Leiterin des Amtes für Jugend, Bildung, Integratio­n und Sport (JuBIS), berichtet.

Wenn der Junge das Schwarzwal­d-Baar-Klinikum verlassen wird, was bei seinem „gesundheit­lich tollen Zustand“, wie ihn Henschen beschreibt, wohl nur ein paar Tage dauern werde, kommt er zu einer Pflegefami­lie. „Wir haben Familien für solche Notfälle, die sich dann vorübergeh­end um diese Kinder kümmern“, erklärt Sabine Braun. „Die nächsten zwei, drei Wochen werden wir erst einmal Ruhe bewahren und schauen, ob sich die Mutter meldet.“Sollte das nicht der Fall sein, werde ein entspreche­ndes Verfahren eingeleite­t, um die Zukunft des Kindes zu klären. Hier gebe es viele Möglichkei­ten, allerdings sei bei einem Säugling immer das Ziel, eine Adoptionsf­amilie zu finden. „Das ist aber nie die Pflegefami­lie“, betont Braun, dass hier klar differenzi­ert werden müsse. Mutter darf mit Hilfe rechnen Die Mutter hat keinerlei Konsequenz­en zu fürchten, weil sie ihr Kind in der Babyklappe abgelegt hat. Ganz im Gegenteil. Sie dürfe laut Sabine Braun im Fall einer Kontaktauf­nahme mit dem Jugendamt oder mit wem auch immer, mit Unterstütz­ung jeglicher Art rechnen.

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FOTO: POHL Sabine Braun, Matthias Henschen, Joachim Spitz und Lothar Schropp (von links) sind froh, dass es die Babyklappe gibt.

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