Hermanns falsches Signal
Leuchttürme sollen strahlen, doch das Licht der Landeshauptstadt flackert. Derzeit leidet Stuttgarts Image erheblich. Deutschlandweit entsteht das Bild einer Metropole, die ihre dreckige Luft nicht in den Griff bekommt, und das trotz schwäbischem Tüftlergeist. Das kann auf Dauer nicht gut sein für den Automobil- und Technologiestandort Baden-Württemberg. Dieser Zustand ist erst recht unhaltbar für jene Bürger, die belastete Luft einatmen müssen. Doch diese Probleme bestehen seit Jahrzehnten. Bürgermeister und Landespolitiker haben sie lange ignoriert. Nun mit einem Millionenprogramm nur Stuttgart helfen zu wollen, zeugt von einem Tunnelblick der besonderen Art – die Perspektive endete am Rand des Stuttgarter Kessels. Offenbar ist die Sehnsucht groß, aus der Landeshauptstadt ein Vorbild für zukunftsfähige Verkehrspolitik zu machen. Dazu aber hatten auch grüne Verantwortliche jetzt Jahre Zeit.
Die Union war zuvor an der Macht und zeichnete sich ebenfalls nicht als Vorkämpferin innovativer Verkehrslösungen aus. Sie stellt im Gegenteil in Berlin einen Verkehrsminister, der den Ausbau der Schiene sträflich vernachlässigt. Ohne neue, moderne Strecken lassen sich weder Klimaziele erreichen noch Staus vermeiden oder Schadstoffe reduzieren.
Jahrelange Versäumnisse führen nun dazu, dass längst nicht nur Großstädte im Verkehr wortwörtlich ersticken. Wer einmal versucht hat, zu Stoßzeiten am Bodensee entlangzufahren oder sich von Stuttgart nach Ravensburg zu bewegen, weiß um die anhaltenden Probleme auf Schiene und Straße im ländlichen Raum. Dem grünen Landesverkehrsminister Winfried Hermann muss man zugute halten, dass er entschieden für die Bahnstrecken kämpft und dabei oft an Berlin scheitert.
Dennoch sendet Hermann ein falsches Signal, wenn er nun Millionen nur nach Stuttgart lenkt. Schlechte Luft schadet dem Ravensburger wie dem Stuttgarter. Geld für gute Ideen muss daher überall dorthin fließen, wo es tatsächlich hilft. Alles andere wäre ungerecht.