Pechschwarz: Komödie über die Abgründe des ländlichen Amerikas
Neu im Kino: Martin McDonaghs wütende Komödie „Three Billboards“über die Abgründe des ländlichen Amerika
Eine Frau in einer Welt aus Rassisten und Machos, in den Südstaaten der USA. Sie heißt Mildred. Im Vorjahr ist ihre Tochter brutal vergewaltigt und ermordet worden. Die Polizei tappt im Dunkeln, aber das liegt vielleicht auch nur daran, dass sie zu wenig tut und den Fall längst zu den Akten gelegt hat. Zumindest nach Mildreds Ansicht.
Also wählt die Mutter die brutale Methode: Sie mietet drei riesige Werbetafeln am Ortseingang, wo auch der Ort des Verbrechens liegt und lässt sie mit provokanten Slogans plakatieren, um den örtlichen Sheriff aus der Reserve zu locken. Das gelingt, aber doch nicht so, wie sie denkt. Der Sheriff zeigt Verständnis und seine menschliche Seite.
Diese Geschichte wird ganz und gar mit den Augen von Mildred erzählt. Sie ist eine Hauptfigur, die keineswegs durchgängig sympathische Seiten hat: Sie ist mitunter ungerecht, sehr harsch zu Menschen, die ihr wohlwollen und sie schimpft wie ein Rohrspatz. Sprich, eine Frau die Opfer ist, sich aber nicht auf diesen Opferstatus festlegen lassen will. Das gilt auch für den populären Sheriff Willoughby, der durchaus Sympathien für ihr Anliegen hat, allerdings auch gerade mit seiner eigenen Krebserkrankung kämpft.
Über seine Mitarbeiter macht sich der Polizeichef überhaupt keine Illusionen: Als Mildred ihm sagt, die Typen sollten mal besser den Mörder ihrer Tochter ermitteln „statt Schwarze zu foltern“, antwortet er kühl: „Wenn ich alle Rassisten rausschmeißen würde, hätte ich nur noch drei Cops übrig, und die sind Schwulenhasser.“
„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“(also wörtlich etwa: Drei Werbetafeln vor Ebbing, Missouri) ist ein sperriger Titel für einen ganz und gar nicht sperrigen Film. Dieser wütende Neowestern ist, obwohl es um eine Mörderjagd geht und ein grausamer Mord den Hintergrund von allem bildet, eine feine Mischung aus sozialer Kritik und bewegendem Drama – in erster Linie jedoch eine grandiose Komödie. Es ist ein pechschwarzer Humor, der hier dominiert, ein sarkastischer Witz, der aus ohnmächtiger Wut kommt. Mal fein gesponnen, mal grob und derb entfaltet sich eine vielschichtige Kleinstadtdynamik, in der auch die Nebenfiguren – etwa Mildreds Ex-Mann und dessen 19-jährige Freundin, eine Radioreporterin und Mildreds Arbeitskollegin – prägnant gezeichnet sind und nie zum Klischee werden. Berührendes Ensemble-Drama Vielleicht gelingt das alles so gut, weil der Regisseur kein Amerikaner ist, sondern Ire: Der Dramatiker Martin McDonagh („Brügge sehen … und sterben?“von 2008 und „7 Psychos“von 2012) inszeniert diese sehr amerikanische Geschichte. McDonaghs Blick auf das ländliche Amerika und dessen zivilisatorischen Bruchstellen ist manchmal fast etwas zu wohlwollend und vielleicht nicht immer gnadenlos genug. Etwa wenn eine der unangenehmsten Figuren am Ende eine doch sehr weit hergeholte Wendung zum Guten vollzieht. Aber seine Dialoge sind präzise und lakonisch. Sie verbinden großen Schmerz und trockenen Humor, beißende Kritik an politischen Korrektheiten mit einem scharfen Blick auf gesellschaftliche Abgründe.
Und die Schauspieler sind schlechthin großartig: Frances McDormand und Woody Harrelson, beide voller Coolness und Empathie, aber auch Sam Rockwell verblüffen. Zusammen mit Abbie Cornish (als Frau des Sherrifs), Caleb Landry Jones (als Angestellter einer Werbeagentur) und Peter Dinklage (als Mildreds märchenhafter Verbündeter) bilden sie ein tolles Panorama an Schauspieltypen.
Das unterstützt Carter Burwells wunderbare, Morricone-inspirierte Musik. Die Filmsprache ist unambitioniert, also ohne alles Bemühen um Stil und expressive Bilder. Aber sie ist fehlerfrei und genau: Abbildungskino, das die starken Dialoge und eine zwingende Story in Bilder umsetzt. Zudem ist dieser Film vollkommen frei von allem Pathos, das einem Hollywood oft verleiden kann.
Natürlich geht es auch um TrumpAmerika. Um White Trash, um eine Welt aus Deppen und Machos. Um Hass, Gewalt, Rassismus in Amerika und die Dummheit der MainstreamMedien. All die komplexen Themen dieses Amerika werden hier zu einem berührenden und erleichternden Ensemble-Drama mit starken Darstellern verdichtet. Die Wut dieses hervorragenden Films und das klammheimliche Vergnügen an der Selbstjustiz ist einfach befreiend. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, Großbritannien/ USA 2017, Regie und Buch: Martin McDonagh, 115 Minuten, FSK: ab 12, mit: Frances McDormand, Woody Harrelson.