Die Probezeit muss kommen
Es ist absolut verständlich, dass es der SPD schwer fällt, sich noch einmal auf eine Beziehung mit der CDU einzulassen. Diese Braut bringt keinerlei Begeisterung mit. Zuerst lässt sich die Kanzlerin für den Coup feiern, eine leibhaftige Ministerpräsidentin als Sekretärin anzustellen, dann geht gleich wieder alles schief, kaum dass sie sich die Personalie Kramp-Karrenbauer von den Parteitagsdelegierten absegnen lässt. Obwohl es keine Gegenkandidaten gab, verweigerten neun Abtrünnige Merkel die Gefolgschaft. Ex-Kanzler Martin Schulz hat sich ins Fäustchen gelacht. 98,87 Prozent, das weckt Erinnerungen ans Politbüro der ehemaligen Sowjetunion oder den DDRStaatsrat. Um so was zu verhindern, macht man Nägel mit Köpfen: 100 Prozent, die SPD weiß wie’s geht.
Andererseits sind natürlich alle hohen Wahlergebnisse mit Vorsicht zu genießen. Dabei handelt es sich ja um einen Vertrauensvorschuss, der vor allem durch Hoffnung gedeckt ist. Etwas weniger Euphorie führt da oft zu besseren Ergebnissen. Tayfun Korkut, der neue Trainer des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart zum Beispiel, kam bei Fans und Experten auf eine Zustimmungsrate von geschätzt 4,37 Prozent. Den Spielraum nutzte er, stellte von 0:1 auf 1:0 um: vier Spiele, drei Siege, zehn Punkte. Schweigen im Netz. Man mag sich gar nicht vorstellen, die VfB-Oberen hätten einen eingestellt, der 98,87 Prozent Zustimmung bekommen hätte.
Vielleicht sollte man in der Politik bei hohen Wahlergebnissen künftig automatisch eine Probezeit vereinbaren. (hü)