Beschämend ist die Sozialpolitik
Wer von Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus spricht, hat nichts verstanden. Die Ehrenamtlichen, die die Essener Tafel organisieren, engagieren sich für hilfsbedürftige Menschen gleich welcher Hautfarbe oder Herkunft und das seit vielen Jahren. Einfach mal den Ball flach halten, möchte man den ganz Aufgeregten zurufen. Die Essener Tafel hat die Notbremse in einem Stadtgebiet gezogen, das seit Jahrzehnten und nicht erst seit der Flüchtlingskrise unter erheblichen sozialen Spannungen und unter Armut leidet. Alles rund um die Tafel eignet sich nicht als Projektionsfläche für die Probleme, die mit Geflüchteten zusammenhängen. Es geht um etwas anderes: Die Tafel steht für die Privatisierung von staatlicher Fürsorge und deren Folgen.
Das wirklich Beschämende ist die Tatsache, dass in der Bundesrepublik, einem der reichsten Staaten der Erde, die Zahl von privaten Vereinen steigt, die sozial Schwachen unter die Arme greifen müssen. Auch die Stadt Essen spielt dabei einen unrühmlichen Part. Sie hat nicht verhindert, dass im Essener Norden ein Fußballstadion für den erfolglosen Viertligisten Rot-Weiss Essen für insgesamt 64 Millionen Euro entstanden ist. Finanzierungslücken dabei wurden mit Geld geschlossen, das zweckentfremdet wurde. Jährlich überweist die Stadt für den Fußballtempel 1,5 Millionen Euro Unterhalt. Viel Geld für eine Kommune, die ihre Liquidität über Kassenkredite finanziert. Mit mehr als zwei Milliarden Euro steht Essen in der Kreide, mehr als alle Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen zusammen.
Deshalb ist es ärgerlich, dass Dauer-Wahlkämpfer wie etwa Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wieder ihre Chance erahnen. Der Peißenberger, der den Essener Norden wohl gar nicht kennt, musste sich zu dem vermeintlichen Skandal äußern. Und das just an dem Tag, an dem seine Politik in Bezug auf die Dieselproblematik ihr Waterloo erlebte. Mit so einem klassischen Ablenkungsmanöver hilft man niemandem, es spricht aber für sich.