Plötzlich Erstligatorjäger
Simon Terodde will mit Toren gegen Ex-Club VfB die Kölner Hoffnungen vergrößern
KÖLN/STUTTGART - Andere Menschen in Schubladen zu stecken, in Raster, ist menschlich, und doch ein eher trauriger, womöglich genetisch bedingter Charakterzug des homo sapiens. Beim VfB Stuttgart wird diese Angewohnheit gerade im Falle von Trainer Tayfun Korkut entlarvt, der ohne Wissen über die Hintergründe und Ursachen seiner bis dato eher mauen Bundesligabilanz vor vier Wochen als größter Verlierer aller Zeiten willkommen geheißen wurde und sich nun als größter Sofortsieger der jüngsten Jahre herausstellt. Zehn Punkte in vier Spielen hat der 43-Jährige mit dem Liga-Zwölften gesammelt, davon zuletzt drei 1:0-Siege in Serie. Ein weiterer Auswärtscoup am Sonntag bei Schlusslicht 1. FC Köln (15.30 Uhr/Sky), und der VfB könnte sich langsam Gedanken darüber machen, wo er den Prosecco kühlstellen soll für die Nichtabstiegsparty (am Einfachsten draußen, die Redaktion).
Korkut hat vor, zum dritten Mal in Folge dieselbe Startelf aufzubieten. „Wir werden die Grundordnung nicht verändern. Die Performance auf dem Platz ist gut, warum soll ich dann nach etwas anderem suchen“, sagte er. Er sei „kein großer Fan von Veränderungen jede Woche. Wenn etwas stabil sein soll, müssen sich die Spieler einspielen.“Chadrac Akolo, Anastasios Donis, Berkan Özcan, Takuma Asano oder Dennis Aogo müssen also weiter auf der Bank frieren. Auch seinem von Beginn an propagierten Selbstvertrauen bleibt Korkut treu: „Wir wollen uns nicht am Gegner orientieren, sondern mit unserer Grundordnung dagegen ankommen.“
Ein Selbstläufer dürfte Korkuts neuer VfB aber nicht werden, zumal alle Erfolge zumindest gefühlt gegen Gegner zustande kamen, die an diesem Tag nicht ganz auf der Höhe waren: „Wir dürfen uns nicht zu sicher fühlen“, warnt der Trainer. „Erfolge machen nicht immun. Sie geben Kraft, aber es kann dich immer erwischen, wie bei einer Krankheit. Deshalb müssen wir auf der Hut sein.“
Auch der Neu-Kölner Simon Terodde wurde in Stuttgart mit diversen Klischees und Stigmatas konfrontiert, nachdem er mit Bochum und dem VfB zwar zweimal Zweitligatorschützenkönig wurde, sich anfangs mit dem Aufsteiger aber mehr als schwertat. Terodde könne alles, außer 2. Liga, hieß es. Nur zwei Treffer erzielte der sogenannte Wandstürmer in der Hinrunde für den VfB nach den 25 im Jahr zuvor – Grund genug für Manager Michael Reschke, den Aufstiegshelden für drei Millionen Euro in seine alte Heimat nach Köln zu lassen. Der 1. FC widerum wollte Terodde auch deshalb, weil er als Spezialist für die als unabwendbar geltende 2. Liga galt. Geschenk zum 30. Geburtstag? Lustigerweise hat Köln inzwischen eben dank des Erstliga-Versagers Terodde wieder leise Hoffnung, doch noch den Erstliga-Klassenerhalt zu schaffen. Fünf Treffer gelangen ihm im Rheinland in sieben Partien, nach dem überraschenden 2:1-Sieg in Leipzig trennen den bereits krasser abgeschlagenen Letzten noch sieben Zähler vom Relegationsplatz. Für das Wunder Rang 16 braucht Köln allerdings zwingend den nächsten Erfolg gegen Stuttgart. Motivation wird zumindest beim Vorstürmer vorhanden sein. „Klar wird Simon auf seine alte Mannschaft heiß sein, und es würde gut zu seinem 30. Geburtstag passen, wenn er treffen würdte“, sagte FCTrainer Stefan Ruthenbeck – am Freitag machte Terodde, zuletzt erkältet, nämlich die drei Jahrzehnte voll.
„Wir freuen uns auf das Spiel – und Simon besonders“, meinte der Ex-Aalener Ruthenbeck. „Wir sind superfroh, ihn mit seiner Kölner Vergangenheit hier zu haben. Für uns ist die Geschichte mit Simon ein Traum. Er reiht sich perfekt in die Mannschaft ein, geht dahin, wo es wehtut, macht Bälle fest und hat zudem eine richtig gute Trefferquote. Simon war und ist unser absoluter Wunschspieler.“
Tatsächlich ist Simon Terodde neben Ruthenbeck das Gesicht des Kölner Aufschwungs, so ähnlich wie Korkut und die Stürmer Ginczek und Gomez die neuen Zugpferde beim VfB sind. „Für den VfB ist das Spiel einfacher. Sie müssen nicht auf Sieg spielen, ihnen würde ein Punkt reichen“, sagt Ruthenbeck. Exakt die Tatsache, dass man ja nicht gewinnen muss, dass plötzlich der Druck fehlt, kann allerdings auch ein Hemmschuh sein.
1,4 Zähler im Schnitt hat Köln übrigens unter Ruthenbeck geholt, Korkut hat 2,5 im Mittel gesammelt. Aber wie sagte Stuttgarts Trainer kürzlich so treffend: Statistiken beziehen sich immer auf die Vergangenheit. Genauso wie Klischees und Vorurteile. Und fast immer werfen sie nur auf einen ein schlechtes Licht: auf den, der sie verbreitet. 2. Bundesliga (25. Spieltag) Dyn. Dresden – Darmstadt 98 0:2 (0:1) 0:1 Jones (29.), 0:2 Kempe (55.); Z.: 26 053. Kaiserslautern – Union Berlin 4:3 (2:1) 1:0 Borrello (6.), 1:1 Andersson (36., Eigentor), 2:1 Andersson (41.), 2:2 Skrzybski (51.), 3:2 Moritz (66., Foulelfmeter), 3:3 Skrzybski (81.), 4:3 Mwene (86.); Zuschauer: 20 087.