Erfolglose Effekthascherei
Die Indie-Rocker Editors verlieren auf ihrem sechsten Album „Violence“den roten Faden
Seit 15 Jahren existieren die Editors. Bis dato war die Band aus Stafford eine Bank – für alle Freunde von atmosphärischem Indie-Rock mit einer Prise New Wave und ein bisschen PostPunk. Mit zwei Nummer-1-Platten in ihrer Heimat Großbritannien zählen sie unbestritten zu den Größen des Genres, auch in Deutschland standen sie bereits in den Top 10. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an ein neues Album der Engländer, die einst von R.E.M. geadelt und bei einer Tournee ins Vorprogramm gebeten wurden. Auch bei gemeinsamen Auftritten mit den Kollegen von Muse haben die Editors groß aufgetrumpft. Am 9. März kommt „Violence“(PIAS) auf den Markt – und die Enttäuschung über das sechste Album ist ebenso groß, wie es die Vorfreude war.
Kein roter Faden Nicht einmal die wie immer ebenso prägnante wie präzise Bariton-Stimme von Sänger Tom Smith kann das Album retten. Erstmals haben die Editors vor lauter Effekthascherei und teilweise an Coldplay erinnernden Mitsing-Chorälen den roten Faden verloren. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Band dieses Mal auf eine Kooperation mit dem britischen Elektronik-Künstler Blanck Mass gesetzt hat. Dass Benjamin John Power, wie der Mann mit bürgerlichem Namen heißt, deutlichen Einfluss auf die neue Platte hatte, wird bereits bei der Single „Magazine“klar. Ungewöhnlich viel Pop wird mit ungewöhnlich hartem Industrial-Gehämmer gepaart. Das ist ebenso ambitioniert wie der Text, in dem korrupte Politiker und machthungrige Geschäftsmänner angeklagt werden. Ähnlich nervig klingt auch noch „Hallelujah (So Low)“. Und schnell wird klar, dass hinter der ganzen polternden Hightech-Produktion die Lieder und die Melodien fehlen. Schon durch diese beiden Stücke bleibt die sonst so typische, einnehmend düstere Atmosphäre von Editors-Platten auf der Strecke.
Die Indie-Rocker klingen dieses Mal wahlweise wie Depeche Mode während ihrer „Ultra“-Phase, als dem Pop erstmals dröhnende Elektro-Elemente beigemischt wurden, oder wie Paradise Lost, als die MetalBand poppig sein wollte. Typische Editors-Songs sind rar. Der Wunsch, sich anders zu erfinden, schimmert bei vielen Tracks durch. Das Ziel, sich zu verändern und Neues auszuprobieren, kann man Smith & Co. zugutehalten. Der Sänger selbst ist davon überzeugt, dass es geglückt ist, „die Balance zu halten“. Die besten Titel sind aber tatsächlich jene, bei denen sich die Editors auf ihre Stärken besinnen: der Opener „Cold“, das wunderbare „Nothingness“und das abschließende „Belong“. Ein Drittel der Stücke ist somit richtig gut. Wahrscheinlich wird die Platte rückblickend als Ausrutscher gewertet. Auch eine hervorragende Band ist eben nicht davor gefeit, hin und wieder danebenzuliegen.
Live: 20.4. München, Tonhalle; 27. + 28.7. Lörrach, StimmenFestival; 17. - 19.8. Großpösna, Highfield.