Die Scheinwahl am Nil
Bereits im Januar, bei der Verkündung der neuerlichen Kandidatur von Staatschef Abdel Fattah al-Sisi, hatte dessen Wahlkampfleiter vollmundig verkündet: „Die Präsidentschaftswahlen 2018 werden die fairsten in der Geschichte Ägyptens.“Doch die heute beginnende Abstimmung kennt schon jetzt den Sieger: eben jenen al-Sisi. Der große Verlierer ist – wieder einmal – die demokratische Entwicklung im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt.
Als einzigen Gegenkandidaten ließ das Regime auf den letzten Drücker einen politischen No-Name zu: Moussa Mostafa Moussa von der systemkonformen Ghad-Partei. Zuvor hatte es reihenweise prominente Bewerber unter fadenscheinigen Vorwürfen aus dem Rennen geworfen. Nichts Neues am Nil. So zynisch es klingt: Selbst die Meldung, dass am Samstag bei einem Anschlag in Alexandria zwei Polizisten getötet wurden, dürfte al-Sisi nutzen. Gilt der 63Jährige doch als jener Politiker, dem noch am ehesten zugetraut wird, für Recht und Ordnung zu sorgen.
Neu war vor diesem Urnengang das Maß der Einschüchterung, mit der al-Sisi (Foto: dpa) die Konkurrenz kaltstellte. Nicht mal der 2011 gestürzte Machthaber Hosni Mubarak war so brachial mit Kontrahenten umgesprungen. Dessen letzter Ministerpräsident Ahmed Shafiq wurde nach Erklärung seiner Kandidatur Anfang Januar flugs von Dubai nach Kairo ausgeflogen und dort tagelang offenbar so unter Druck gesetzt, dass er das Vorhaben zurückzog. Als nächster knickte Mohammed Anwar al-Sadat ein, Neffe des 1981 ermordeten Präsidenten. Wenig später traf es Ex-Generalstabschef Sami Anan. Der hatte in einem Video die Kontrolle der Armee über Wirtschaft und Politik angeprangert. Anan kam in Haft. Als letzten Anwärter nahmen sich die Sicherheitsbehörden den Anwalt Khaled Ali vor. Ein Gericht verurteilte ihn wegen einer „obszönen Geste“. „Diese Wahlen haben keine demokratische Bedeutung“, so seine resignierte Bilanz beim Rückzug.
Dabei hatten Menschenrechtler zumindest darauf gehofft, dass mit der Wahl die öffentliche Debatte über Freiheit und Meinungsvielfalt wieder beginnt. Um beides steht es in Ägypten unter Ex-Geheimdienstchef al-Sisi schlechter denn je. „Die Situation ist viel schlimmer als unter Mubarak“, sagt Andreas Jacobs, langjähriger Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo. „Der Polizeistaat geht mit größter Härte gegen jeden Ansatz von organisierter Opposition vor. Deren Anführer sind tot oder sitzen im Gefängnis.“Laut Amnesty International wurden seit al-Sisis Putsch 2013 gegen die Regierung der Muslimbrüder rund 60 000 Menschen aus politischen Gründen verhaftet. Allein 2017 sollen mehr als 100 Regimegegner hingerichtet worden sein. Von der gleichgeschalteten Presse hat der Diktator nichts zu befürchten. Die Sozialen Medien, 2011 noch Treibriemen des Aufruhrs, überwacht die Geheimpolizei.
Dabei galt der frühere Feldmarschall beim Start 2014 als Hoffnungsträger. Doch die Wirtschaft wächst viel zu langsam, auch den Terrorismus bekommt al-Sisi nicht in den Griff. Immer wieder gibt es auf dem Sinai islamistische Attentate. „Die Leute sind enttäuscht von ihm, aber es fehlt die Alternative“, bilanziert Jacobs. Trotzdem habe al-Sisi in Teilen des autoritätsgläubigen Volkes einen gewissen Rückhalt. Vor allem steht die Armee hinter ihm. Fürchten muss al-Sisi somit höchstens, dass viele Landsleute bei der Farce nicht mitspielen und die Wahlbeteiligung minimal ausfällt. (KNA)