„Autonome Fahrfunktionen nicht zu früh freigeben“
Eric Sax, Experte für selbstfahrende Fahrzeuge, über die neue Technologie und die Teststrecke in Friedrichshafen
Verallia Deutschland bei Umsatz und Gewinn im Plan
BAD WURZACH (sz) - Der Hersteller von Glasverpackungen, die Verallia Deutschland AG, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr seinen Umsatz um knapp 20 Prozent auf 504 Millionen Euro gesteigert. Das Konzernergebnis nach Steuern lag dagegen um 17 Prozent niedrieger, bei 24,7 Millionen Euro. Umsatz und Ergebnis hätten sich planmäßig entwickelt, hieß es bei Verallia, das früher unter Saint Gobain Oberland firmierte. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist jedoch eingeschränkt, da 2016 ein Rumpfgeschäftsjahr war. Für das laufende Jahr rechnet der Konzern mit einem Umsatz „leicht über dem Niveau des Geschäftsjahres 2017“und einem operativen Ergebnis „über dem des Vorjahres“. Verallia gehört zu knapp 97 Prozent dem US-Finanzinvestor Apollo.
Vorschlag für Sammelklagen in der EU nach Ostern
BRÜSSEL (AFP) - Die Europäische Kommission will Medienberichten zufolge nach Ostern Vorschläge für die Einführung von Sammelklagen vorlegen. Wie die „FAZ“am Wochenende unter Berufung auf den Entwurf berichtete, sollen „qualifizierte Institutionen“, etwa Verbraucherverbände, in vielen Fällen stellvertretend für die Verbraucher auf Schadenersatz klagen können. Demnach verlangt die Kommission kein ausdrückliches Mandat des einzelnen Verbrauchers.
Hardware-Nachrüstugen: Autobranche bleibt bei Nein
BERLIN (dpa) - In der Debatte um Dieselabgase und Fahrverbote lehnt die deutsche Autobranche technische Nachrüstungen an Dieselautos für eine bessere Abgasreinigung weiter ab. Die bereits laufenden Updates der Motorsoftware führten nicht dazu, dass die Autos mehr Kraftstoff verbrauchten, sagte der Präsident des Branchenverbands VDA, Bernhard Mattes, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“(Samstag). „Hardware-Nachrüstungen hingegen würden Verbrauch und CO2-Ausstoß erhöhen. Das kann ja kaum jemand wollen.“Zudem würde es zwei bis drei Jahre dauern, bis die Motoren umgebaut werden könnten, da Entwicklung und Erprobung Zeit bräuchten. FRIEDRICHSHAFEN - In Friedrichshafen soll eine Teststrecke für autonome Fahrzeuge des Autozulieferers ZF entstehen. Sie gelten als Zukunftstechnologie – doch sie erzeugen auch Ängste. Eric Sax vom Institut für Technik der Informationsverarbeitung in Karlsruhe hat selbst autonome Fahrzeuge mitentwickelt. Im Gespräch mit Hagen Schönherr skizziert er die Chancen der Autos – doch er warnt zugleich vor zu viel Tempo und verfrühter Euphorie. Herr Sax, wo sehen Sie die Chancen und Risiken von autonomen Fahrzeugen? Natürlich sehe ich zunächst Chancen. Autonome Fahrzeuge bieten eine Menge Komfort und es gibt heute schon zahlreiche dazugehörende Technologien, die längst im Alltag angekommen sind. Wenn wir an Parkassistenten denken, ist das eine Vorstufe zum autonomen Fahren. Seitliches Einparken am Straßenrand ist doch eine feine Sache. Das wird sich weiterentwickeln in Richtung automatisches Parken im Parkhaus. Es ist doch komfortabel, wenn ich nicht einen Parkplatz suchen muss, sondern mein Auto an der Schranke abgebe und es dort auch wieder bekomme. Auch die Sicherheit profitiert von diesen Entwicklungen. Wir haben heute schon Assistenzsysteme, die vor einem Stauende warnen und automatisch bremsen, wenn der Fahrer es nicht macht. Es gibt Spurhaltesysteme, die Fahrer auf der Straße halten und schwere Unfälle verhindern, wenn ich am Steuer einschlafen sollte. Und am Ende geht es auch um Wirtschaftlichkeit. Wenn eine Spedition autonome Fahrzuge einsetzt, braucht sie weniger Fahrer. Fahrer machen über 50 Prozent der jährlichen Kosten in unseren Regionen aus. Jetzt haben Sie nur von Chancen gesprochen. Natürlich gibt es Risiken. Die entstehen vor allem dann, wenn wir mit galoppierender Fantasie, wie das im US-amerikanischen Raum gerade passiert, autonome Fahrfunktionen zu früh freigeben, wenn wir der Öffentlichkeit zu früh zu viele Hoffnungen machen. Wir haben jetzt eine ganz lange Phase vor uns, in der wir uns um die Absicherung der Technologie kümmern müssen. Autonome Fahrzeuge müssen die unglaubliche Vielzahl an Situationen im öffentlichen Straßenverkehr bewältigen. Wenn wir das nicht solide machen und da ein Tesla oder irgendjemand kommt und sagt „Guck mal, was ich alles schon kann“, dann haben wir ein großes Problem. Die Sicherheit muss an erster Stelle stehen. Hier ist die deutsche Automobilindustrie lieber solide, robust und konsequenterweise langsamer. Wie weit ist die Industrie denn vom vollständig selbstfahrenden Auto entfernt? Der Schalter wird nicht irgendwann umgelegt und dann fahren auf einmal alle Autos autonom und wir können die Ampeln abschalten. Wirklich vollautonomes Fahren ohne Fahrer funktioniert heute fast ausschließlich auf genau vorgegebenen Strecken. Intelligente Busse, ein Smart-Shuttle zum Beispiel, fahren auf einer Art virtuellen Schiene. Die Fahrzeuge kommen nur dort zurecht, wo es diese virtuellen Schienen gibt und das Fahrzeug prüft fortwährend, ob es auch wirklich auf dieser Schiene unterwegs ist. Eine Mülltonne oder ein Passant sorgen dann dafür, dass das Fahrzeug stehenbleibt – weil Sicherheit höchstes Gebot ist. Ausweichen ist nämlich ein sehr problematisches Thema. Das ist der aktuelle Stand und deshalb sind wir noch weit vom völlig selbstfahrenden Auto entfernt. Wir werden schrittweise weiter automatisieren. Vielleicht kommt erst der Baustellenassistent, dann vielleicht der Einfädelassistent und so weiter. Irgendwann werden wir dann am Ziel sein. Sie behaupten gerade, dass hochgelobte Unternehmen wie Tesla oder auch der Taxidienst Uber unausgereifte Technik auf die Straße gestellt haben? Was ich von Tesla weiß und von dem Unfall, der im Juli 2016 stattgefunden hat – ein Tesla ist damals in einen Lastwagen gefahren – ist, dass die Funktionen, die in diesem Fahrzeug verbaut sind, in einer aktuellen E-Klasse von Mercedes auch verbaut sind. Tesla hat also keine ScienceFiction-Technologie. Die E-Klasse wird aber stets prüfen, ob ein Fahrer aufmerksam ist. Und wenn Sie die Hände vom Lenkrad nehmen, wird sie das Auto nach 30 Sekunden auffordern das Steuer wieder zu übernehmen und die Assistenzfunktion abschalten. Wenn man das nun weglässt, wie es Tesla gemacht hat oder der Fahrer es bewusst manipuliert hat, dann haben wir autonomes Fah- ren auf dem Niveau, wie wir es beim Unfall im Jahr 2016 hatten. Wir haben zum Glück Regeln und Vorschriften in Deutschland, die das verhindern. Zum Unfall bei Uber kann ich wenig sagen, da sind noch zu wenige Fakten bekannt. Jedoch hätte nach augenblicklichem Kenntnisstand diese spontane Situation bei Nacht auch kein menschlicher Fahrer bewältigen können. Die ZF Friedrichshafen, der drittgrößte Autozulieferer der Welt, will auch bei dieser Technik vorankommen. Dafür wird jetzt eine Teststrecke im öffentlichen Verkehr in Friedrichshafen gebaut. Ist das nicht riskant? Wir dürfen ein Testfeld nicht mit einem Experimentierfeld verwechseln. Ein Experimentierfeld geht auch mal an seine Grenzen. Dafür gibt es geschlossene Teststrecken. Nie im Leben wird eine Innenstadt zu so einem Experimentierfeld. Testfeld bedeutet dagegen: Dort sind Fahrzeuge auf dem höchsten Stand der Technik unterwegs, die Funktionen für autonomes Fahren bieten. Sie sind aber immer mit hoch ausgebildeten Sicherheitsfahrern unterwegs. Diese Fahrer können jederzeit die Hoheit über das Fahrzeug übernehmen. Das ist praktisch ein doppelter Boden. Wir brauchen Verkehrssituationen, wie sie im Alltag auftreten, um diese neue Technik zu trainieren und zu beherrschen. Der neue Porsche Panamera wird zum Beispiel 47 Sensoren haben, also Kameras, Ultraschall, Lidar und Radar für Nah- und Fernbereich. Diese Sensoren sammeln Daten ohne Ende. Wenn wir diese Daten nicht in der Praxis erheben, werden diese Autos nicht funktionieren. Zwischenfälle und Unfälle, die durch diese Testfahrzeuge ausgelöst würden, würden Sie also ausschließen? Ja, zu dieser Aussage lasse ich mich hinreißen. Sie werden sogar sicherer sein, als alleine durch den Fahrer gesteuerte Autos. Nach dem Bekanntwerden der Teststrecken-Pläne haben sich Leser gemeldet, die etwas ganz anderes fürchten: Stau. Bleiben diese autonomen Wagen nicht beim kleinsten Hindernis einfach stehen? Langfristig werden automatisierte Fahrzeuge den Durchsatz der Straßen steigern. Diese Wagen fahren viel gleichmäßiger. Das ist das Ziel. Es gab Vorführfahrzeuge und Konzeptwagen, die wegen gesetzlicher Bestimmungen teilweise auf zehn Stundenkilometer beschränkt waren. Später waren es 30 Stundenkilometer. Wenn wir aber Sicherheitsfahrer auf einem Testfeld haben, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass es schleichende Fahrzeuge gibt. Vielleicht mal ausnahmsweise, aber nie so, dass es zu einer dauerhaften Verkehrsbehinderung kommt. Im Gegenteil: Ziel einer solchen öffentlichen Teststrecke ist doch auch, die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen. Die Hersteller wollen sich doch nicht mit umherschleichenden Fahrzeugen lächerlich machen. Trotzdem hat Sicherheit höchste Priorität. Wenn da ein Kind vor das Auto läuft, werden Technik und Sicherheitsfahrer in die Bremse steigen. Das steht fest. Ist diese Teststrecke also Chance oder Risiko für Friedrichshafen? Sie ist eine Chance für das Unternehmen ZF und die Stadt Friedrichshafen. Auf dem Weltmarkt ist es ungeheuer wichtig, dass auch deutsche Unternehmen diese Technik in der Praxis vorantreiben. Dieses Projekt wird ein Aushängeschild.